Essen/Düsseldorf. Neue Vertriebswege und eine steigende Zahl von Todesfällen. So hat die Pandemie die Drogenszene verändert.
Bestellt, beliefert, berauscht. Trotz Lockdowns und Kontaktbeschränkungen in Corona-Zeiten ist der Drogenhandel in NRW offenbar nicht zum Erliegen gekommen. Und die Zahl der Drogentoten ist während der Pandemie sogar dramatisch gestiegen.
Im vergangenen Jahr schreibt das Landeskriminalamt (LKA) in Düsseldorf in seinem Lagebild, sind 401 Menschen in NRW wegen Rauschgifts gestorben. Dies sei der höchste Stand in 20 Jahren. Die Lage habe sich für suchtkranke Menschen durch die Pandemie verschlechtert. „Viele von ihnen sind durch Corona in eine verstärkte Lebenskrise geraten. Gewohnte Strukturen, persönliche Hilfsangebote und Ansprechpartner sind weggebrochen.“
Die Händler reagieren schnell auf neue Situationen
Nicht weggebrochen ist dagegen das Angebot. „Es liegen derzeit keine Anhaltspunkte dafür vor, dass sich an der hohen Verfügbarkeit von Drogen jeglicher Art in Deutschland seit Beginn der Pandemie etwas verändert hätte“, schreibt das LKA. Geändert haben sich allerdings die Vertriebswege.
Der Rauschgifthandel hat sich weiter in den digitalen Raum verlagert, haben die Fahnder festgestellt. Ins Internet also, genauer gesagt ins sogenannte „Darknet“. Das ist – sehr vereinfacht gesagt – ein für den Laien unsichtbarer Teil des Netzes, der nur mit spezieller Software zu erreichen ist. „Die Drogenhändler reagieren schnell auf veränderte Situationen“, weiß Christian Seipenbusch, stellvertretender Sprecher des Zollfahndungsamtes Essen aus Erfahrung.
Angebot im Netz wird immer größer
Das LKA hat dazu Fakten. Die Zahl der globalen Angebote auf 18 untersuchten Marktplätzen sei von etwa 96.000 auf rund 125.000 (+ 30,2 Prozent) gestiegen. Das Angebot ist mittlerweile so groß, dass „bei den meisten Rauschgiftarten ein deutlicher Rückgang der Preise“ festzustellen ist. Auch das Zollfahndungsamt Essen, zuständig für fast ganz NRW, kann die Entwicklung bestätigen. Erfolgten im Jahr 2019 noch 988 Sicherstellungen auf dem Postweg, betrug die Anzahl im Jahr darauf bereits 3083.
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Regelmäßig, heißt es beim Zoll, kämen Rauschgiftspürhunde zum Einsatz. Und auch sonst, sagt Seipenbusch, machten die Dealer immer wieder Fehler beim Versand. „Wir wissen, auf was wir achten müssen.“ Aber natürlich macht man sich weder beim LKA noch beim Zoll Illusionen: „Das Risiko erwischt zu werden“, gibt ein Ermittler zu, „ist relativ gering.“
12000 Postsendungen verschickt
Aber es ist da. Das LKA berichtet von einem Fall aus Recklinghausen. Dort kam es nach der Festnahme eines Drogenhändlers zu einer Durchsuchung seiner Wohnung. Dabei konnten ihm mehr als 12.000 versandte Briefsendungen zugeordnet werden. Und auch im Kreis Kleve wurden Zeugen aufmerksam, als Unbekannte auf einen Schlag 1800 Briefe in verschiedene Postbriefkästen stopften. Der Verdacht war begründet. In den Umschlägen steckten Drogen.
Probleme können durch den neuen Vertriebsweg auch Unbeteiligte bekommen. Wenn die Sendung nicht zugestellt werden kann, geht sie nämlich an den Absender zurück. „Aber der ist natürlich nicht echt, den haben sich die Dealer aus irgendeinem Adressverzeichnis herausgesucht“, sagt Seipenbusch. So kann jeder, dessen Adresse missbraucht wurde, ungewollt Empfänger einer Rücksendung mit Betäubungsmitteln werden. „Öffnen Sie“, warnen Polizei und Zoll deshalb, „nie ein Päckchen, das sie nicht abgeschickt haben. Verständigen sie stattdessen sofort die Behörden.“