Witten/Herne. Die Reisebusse fahren wieder. Warum es dennoch länger dauern wird, bis sie aus der Krise kommen werden.
Sie fahren wieder, die Reisebusse. „Na ja, wir nehmen Fahrt auf“, relativiert Michael Thüring, Geschäftsführer von Graf’s Reisen in Herne. „Und zwar langsam.“ Vielleicht nicht mehr 1. Gang aber schon wieder zurückgeschaltet vom 3. in den 2. Und immer in Sorge, plötzlich wieder bremsen zu müssen. „Delta Variante“, sagt Meinhold Hafermann, Chef von Hafermann-Reisen in Witten. Gerade, als die Kunden zahlreicher gebucht hätten, habe die Mutation sich durchgesetzt. „Jetzt sind viele zurückhaltender geworden.“
Hafermann tippt ein paar Mal auf der Tastatur seines Rechners, dann hat er die Zahlen. „In der 18. Kalenderwoche haben wir das Tal der Tränen durchschritten“, sagt er. Von da an ging es bergauf. Sieben Wochen später lag der Wochenumsatz schon wieder bei rund 400.000 Euro. Mit der Verbreitung der Delta-Variante brach das Geschäft erneut ein. „Innerhalb einer Woche fiel der Umsatz um gut 100.000 Euro.“ Rund vier Millionen Euro hat der Wittener bisher in diesem Jahr umgesetzt. Mehr als 20 Millionen waren es im letzten Vor-Corona-Jahr.
„Die Lust zu reisen ist ja grundsätzlich da“
Grundsätzlich, hat Hafermann festgestellt, „ist die Lust zu reisen ja da.“ Und Thüring setzt noch einen drauf. „Die Leute sind ausgehungert, sie wollen raus, wollen endlich mal wieder etwas anders sehen.“ Anfangs am liebsten innerhalb Deutschlands, mittlerweile auch gerne mal nach Österreich oder an den Gardasee. Viele Reisebusse sind deshalb auch wieder im Einsatz. Hafermann schickt derzeit die Hälfte seiner zehn Busse wieder auf die Straße, Graf hat von den zeitweise 40 stillgelegten Fahrzeugen die meisten wieder angemeldet, um alle im Katalog angebotenen Ziele anfahren zu können. Interessenten gibt es für jede Destination, meist aber reichen sie nicht aus, um eine Fahrt wirtschaftlich zu machen. „Der volle Bus ist wichtig“, sagt Thüring. Auch Hafermann weiß: „Bei 60 Prozent Auslastung stimmt die Marge einfach nicht.“
Und von 60 Prozent können manche Firmen nur träumen, wie eine Umfrage des Verbandes Nordrhein-Westfälischer Omnibusunternehmen (NWO) zeigt: 72,4 Prozent der Unternehmen geben darin an, dass sie seit Beendigung des Lockdowns Fahrten nur bis zu einem Umfang von zehn Prozent Auslastung der Busse durchgeführt haben. Gerade einmal 6,9 Prozent kamen auf eine Auslastung von 50 Prozent. „Das Vertrauen kommt so schnell nicht wieder“, kommentiert Hafermann solche Zahlen.
Erste Hotels nehmen nur noch Geimpfte und Genesene auf
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Dabei hält die Branche gerade Busreisen für ungefährlich. „73 Prozent unserer Kunden sind über 60 Jahre“, sagt etwa Hafermann. „In dieser Altersgruppe sind doch fast alle geimpft.“ Außerdem, heißt es, zählten die Klimaanlagen in den modernen Reisebussen zu den besten auf dem Markt. Hafermann setzt seit Sommer 2020 zusätzlich auf Virenkiller in jedem Bus, die vernichten, was Klimaanlagen möglicherweise nicht weggeblasen haben. „Busfahrten“, sagt Hafermann dann auch , „sind sicher.“
Sie sind aber nicht einfacher geworden für den, der sie veranstaltet. Vor allem, wenn es ins Ausland geht. „Jedes Land hat andere Regeln“, ärgert sich Thüring. „Und die ändern sich auch noch regelmäßig.“ Zudem hat er erste Ankündigungen von Hotels bekommen, die künftig nur noch Geimpfte und Genesene aufnehmen wollen. „Da muss man dann immer wieder neu planen.“ Und man muss auch genügend Personal haben, um diese Planungen dann umzusetzen. Aber vor allem Reisebusfahrer sind fast schon Mangelware geworden. „Viele haben sich einen anderen Job gesucht, während wir nicht fahren durften“, sagt Thüring. Und manche finden es mittlerweile schöner, als Fahrer im ÖPNV jeden Abend wieder zu Hause zu sein.
Die Lage in der Branche ist angespannt
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So geht es in den Herbst und Winter, für den Graf’s und Hafermann Kataloge auf den Markt gebracht haben. Prinzip Hoffnung. „Wir haben vor der Krise gut gewirtschaftet und sind deshalb so aufgestellt, dass wir noch eine Zeit lang durchhalten können“, sagt Meinhold Hafermann. Und auch in Herne wird es weitergehen. Reisen, Fahrten im Schülerverkehr, Charterbuchungen ganzer Busse von Fans, Vereinen oder Schulen – „alle Geschäftsbereiche legen ja langsam wieder zu“, sagt Thüring. Wichtig sei nun, „dass wir durchgehend weiter fahren dürfen“. Selbst kurzzeitige Lockdowns hätten mittlerweile große Folgen. „Wir sind kein Gewerbe, das man einstellt und dann schnell wieder zum Laufen bringt.“
Schon jetzt, so Hafermann, seien bei vielen Unternehmen Kapazitäten abgebaut worden. Und ohne staatliche Hilfe wären wohl viele Veranstalter nicht mehr da, glaubt er. „Die Lage in der Branche ist angespannt.“ Sie wird sich auch so schnell nicht entspannen. Die Krise, fürchtet Thüring, ist noch längst nicht vorbei. Und die Auswirkungen von Corona werden wir noch Jahre zu spüren bekommen.“