Ruhrgebiet. Das Hochwasser ist im Ruhrgebiet nahezu durch. Hinter der Welle machen sich die Menschen an den Wiederaufbau. “Jeder hilft jedem.“
Schon draußen hört man dieses typische Geräusch: Schüppe kratzt über Boden. Im Hof der Autowerkstatt von Olaf Görke stehen sie dann, gleich vier Mann hoch, mit Schaufeln und Wasserschläuchen, und schmeißen den Schlamm raus und spülen ihn weg. Gut zu tun noch!
Görke, der Chef, hat bei dem Hochwasser alle Maschinen verloren, alle Reifen, die Kundenkartei mit 4600 Namen und zehn Autos, die auf ihre Reparatur warteten. Bei zweien stehen Fenster offen. Auch das hat das Wasser gemacht.
"Vor 26 Jahren habe ich hier mit nichts angefangen"
Es führte nämlich zu Kurzschlüssen in Autos, die Elektrik springt dann an. Görke hat Autos blinken sehen, während sie absoffen, bei anderen gingen verzweifelt die Scheibenwischer, bei wieder anderen Fenster auf. Wegfahren konnte er sie nicht mehr, die Schlüssel hingen doch im überfluteten Büro. "Vor 26 Jahren habe ich hier mit nichts angefangen", sagt der 58-Jährige. Da ist er jetzt wieder. Aber natürlich inzwischen versichert. Und voller Tatkraft.
Deilbachbrücke ist seine Straße. Mündet in: Deilbachufer. Nächste Querstraße: Möllneys Ufer. Essen-Kupferdreh ist folgerichtig einer der Orte im Ruhrgebiet, die die Wucht des Wassers härter traf. Aber das war Donnerstag. Am Freitag hört man in dem betroffenen Viertel bereits den Klang des Wiederaufbaus.
"Die Unterstützung hier im Dorf ist riesig, jeder hilft jedem"
Klingt wie die Schüppen bei Olaf Görke, wie die Pumpe bei Alfred Kruck, wie die leiernde Schubkarre von Margret Möller, die damit Müll an die Straße bringt. "Die Unterstützung hier im Dorf ist riesig", sagt sie: "Jeder hilft jedem." So fühlt es sich an. Und darüber hinaus parkt gerade ein Glaser ein.
An diesem Freitag gibt die Hochwasserlage im Ruhrgebiet deutlich entspannt. Ja, es sind noch viele Straßen im südlichen Ruhrgebiet gesperrt, zwischen Velbert und Hattingen, zwischen Bochum und Essen, Essen und Velbert, Hattingen und Bochum. Aufbau auch hier in einem gewissen Sinne: Zwei Arbeiter stellen Schilder auf: "Nierenhofer Straße gesperrt, folgen U3".
Der Anblick der überbreiten Ruhr ist noch immer spektakulär
"So, wie es aussieht, hat sich die Lage in allen Bereichen entspannt", sagt Anke van Löchtern, die Sprecherin der Stadt Mülheim. Der Saarner Damm wird nur noch zum Teil von Feuerwehr bewacht, die Evakuierten von Donnerstag sind überwiegend privat untergekommen. Die ehemaligen Flüchtlingsunterkünfte werden kaum genutzt, die die Stadt bereit hält. Aber wieso eigentlich: ehemaligen?
In Hattingen ist der Pegel der Ruhr nun wieder deutlich gesunken, der auf Rekordniveau gestiegen war. Die Ruhr ist nicht mehr so breit wie am Donnerstag, Inseln sind jetzt aufgetaucht, doch der Anblick geht noch immer dermaßen in die Breite: sehr, sehr spektakulär.
Auf den Ruhrbrücken parken die Katastrophentouristen
Auf der großen Kosterbrücke parken also die Katastrophentouristen und gucken sich das an, fotografieren, sehr zum Ärger der Polizei, die Unfälle kommen sieht. "Fehlte nur noch ein Feuerwerk und die Sektgläser", sagt Georg Kowalski, der seinen Wohnwagen an das Hochwasser verlor.
Ansonsten sind wie in Bochum-Dahlhausen auch in Hattingen viele Eigentümer und Mieter weiter mehr als gut damit beschäftigt, Grundstücke und Keller von Wasser, Unrat und Schlamm zu befreien. Sie alle vereint die Einsicht: "Was im Keller war, ist Schrott."
Rheinwiesen sind überspült, die Deichläufer in Duisburg unterwegs
Nur Duisburg wartet Freitag noch auf die nicht mehr ganz so hohe Welle. Am Nachmittag sollte der Rheinpegel die Hochwassermarke übersteigen. Die Folge: leichte Einschränkungen für die Schifffahrt. Rheinwiesen sind überspült, die Deichläufer unterwegs. Das Marientor war schon am Donnerstag geschlossen worden. "So ist die Innenstadt geschützt", sagt Stadtsprecherin Silke Kersken.
In Essen-Kupferdreh - lädt gerade der Laminat-Lieferant ab. Ein anderer Mann schiebt auf einer Rollkarre eine Waschmaschine vor sich her, stellt sie ab, wo schon sechs oder sieben kaputte Waschmaschinen und Trockner am Straßenrand stehen. Daneben pumpt die Feuerwehr noch immer eine Tiefgarage aus.
"Eine solche Situation gab es zuletzt bei dem Jahrtausendereignis 2008"
Und auch René Kowallik wird jetzt in die Hände spucken, nachdem er sich lange um einen Container bemüht hat: "Ich werde jetzt erst Mal den kompletten Müll rausbringen", sagt er: "Fahrräder, Beistellbett von der Kleinen, Trampolin, Kinderbett: alles im Eimer." Alles muss raus. Vor der Markthalle gegenüber parkt der Firmenwagen einer Fußbodenfirma.
Dortmund wurde nicht ganz so hart getroffen dieses Mal, doch hat die Stadt sich Mühe gegeben, alle Schäden aufzulisten. Gesamtschule ohne Strom, Schlamm in zwei Sporthallen undsoweiter; Stadtteilbibliothek Wassereinbruch, Straße 2000 qm Belag gelöst undsofort. "Eine solche Situation gab es zuletzt bei dem Jahrtausendereignis 2008, nur jetzt im ganzen Stadtgebiet", sagt ein Verantwortlicher der Entwässerung. Was für ein bodenloser Satz. Jahrtausendereignisse geschehen jetzt alle 13 Jahre? Nur größer? Himmel hilf!
Schlamm bedeckt die Autositze, nasse Blätter verstopfen die Lüftung
Doch zurück nochmal in die Auto-Werkstatt von Olaf Görcke. Jetzt hängt er schon wieder am Handy, um einen Hänger zu organisieren. Hinter ihm macht die Besitzerin eines der Schrottautos ihren kleinen Skoda auf. Die Sitze sind mit Schlamm bedeckt, die Anzeigen und Lüftungsschlitze mit nassen Blättern verklebt.
Was sie sucht, ist dagegen verschwunden: Sonnenbrille, Campingsachen. "Das ist ein bisschen blöd", sagt die Tiefstaplerin: "Aber wir haben ja unser Leben behalten." Der Handwerkerwagen eines Rohr- und Kanalreinigers fährt vorbei. Sieht alles nach Wiederaufbau aus.