Essen. Tanzen in der Disco, Autoscooter auf der Kirmes – warum das trotz der neuen Corona-Lockerungen ab Freitag so einfach nicht gehen wird.
Club und Discos dürfen wieder öffnen, Schützen feiern, und auch der Kirmesbetrieb kann wieder starten. Warum das so schnell alles aber nicht passieren wird.
Clubs und Discos
Marcus Kalbitzer muss kurz lachen, wenn er an vergangenen Mittwoch denkt. Da sitzt der Vorsitzende des Rockfördervereins Essen in einer Video-Konferenz mit Club- und Diskothekenbetreibern, als plötzlich auf den Handys der Teilnehmer eine Nachricht aufpoppt: „Inzidenz Null“, fast alles wieder möglich. Auch in den Clubs. Aber der Jubel bleibt aus. „Wir haben keinen Sekt geköpft“, sagt Kalbitzer.
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Aber natürlich haben sie überlegt in der Runde und schnell festgestellt, dass man so schnell gar nicht öffnen kann. Zwar haben viele Clubs längst ein Hygiene-Konzept in der Schublade liegen, dafür hakt es an anderer Stelle: „Kein Personal, keine Ware“, bringt es Kalbitzer auf den Punkt. Nicht in Essen, nicht in Bochum, nicht in Oberhausen. Nirgendwo.
Man sei von der Entscheidung des NRW-Gesundheitsministeriums „überrascht“ worden, klagen viele Clubtreiber, mancher fühlt sich gar „überrollt“ von der Öffnungserlaubnis. Bisher hatten die Behörden frühestens für Ende August die Möglichkeit in Aussicht gestellt, Tanzbetriebe in geschlossenen Räumlichkeiten wieder zu erlauben. Kalbitzer spricht dann auch von einem „Schnellschuss“, wo eine „längerfristige Strategie“ seit Monaten angebracht gewesen wäre. „Hals über Kopf funktioniert so etwas leider nicht.“
Die plötzliche Öffnungsmöglichkeit komme „zur Unzeit“, findet auch Stephan Benn von der „Live-Initiative NRW“, einem Verband von Clubs und Veranstaltern. „Im Augenblick bringt uns das gar nichts.“ Ob hinter der Bar oder an der Tür – die meisten Angestellten seien im Urlaub. Selbst wenn man sie zurückholen würde, helfe das höchstens den Diskotheken, nicht aber den „Clubs mit kuratiertem Programm“, die Besucher vor allem durch Auftritte bekannter DJs locken. „Solche Leute kommen nicht für einen Auftritt, die machen nur Station, wenn sie auf Tour durch Europa sind. Und solche Tourneen gibt es derzeit nicht.“
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Überhaupt, so Benn weiter, sei der Sommer ja nicht die stärkste Zeit der Clubs. „Da wird lieber Open-Air gefeiert.“ Grundsätzlich richtig, weiß auch Kalbitzer, ist aber überzeugt, dass das nach dem langen Lockdown anders ist. „Die Leute haben schon Bock zu feiern.“ Ob sie das ab nächster oder übernächster Woche auch in NRW wieder können, vermag er nicht zu sagen. Klar könne man den Betrieb bis dahin aufnehmen. „Aber wenn wir dann wieder eine Inzidenz von über zehn haben…“.
So recht wollen die Clubbetreiber auch noch nicht glauben an das Ende der Krise. „Die niedrige Inzidenz“, fürchtet Kalbitzer, „ist nicht mehr als eine Momentaufnahme. Genau wie die aktuelle Verordnung.“
Die Schausteller
„Für den Augenblick sind die neuen Regelungen gut“, sagt Patrick Arens, Vizepräsident des Bundesverbandes für Schausteller und Marktkaufleute und Mitorganisator des Dortmunder Pop-Up-Freizeitsparks „FreDOlino“. „Schon weil nun die Testpflicht für einen Besuch des umzäunten Geländes entfällt.“ Und weil man endlich so behandelt werde, wie Zoos, Parks oder die Gastronomie, wo es ja diese Pflicht schon länger nicht mehr gebe.
Auf einer normalen, frei zugänglichen Kirmes allerdings muss auch bei einer Inzidenz von Null weiter getestet werden. „Da muss sich erst einmal zeigen, wie das funktionieren soll.“ Arens warnt dann auch vor übertriebenen Erwartungen. „Es wird in den kommenden Wochen jetzt nirgendwo eine Kirmes aus dem Boden gestampft werden – weder auf Crange noch in Düsseldorf.“ Aber er hofft, dass die geplanten Veranstaltungen im Herbst über die Bühne gehen können. Gleichzeitig bleibt Arens angesichts der wieder leicht steigenden Infektionen realistisch. „Die neuen Regeln stehen auf sehr tönernen Füßen.“
Die Schützenvereine
Kein Horrido, kein Vogelschießen. Daran werden auch die neuen Lockerungen nichts ändern. „Was Großes wird es in diesem Jahr nicht mehr geben“, sagt Daniel Hövelmanns vom Rheinischen Schützenbund. „So schnell lässt sich das nicht planen. Möglich seien höchstens kleinere Festivitäten – bevorzugt unter freiem Himmel.
Beim Bund Historischer Schützenbruderschaften (BHDS) allerdings gibt es noch Planungen für ein großes Stadtschützenfest in Mönchengladbach, wie BHDS-Sprecher Rolf Nieborg weiß. „Hängt natürlich davon ab, wie die Inzidenz sich entwickelt.“ Ansonsten soll auch hier in kleinem Kreis gefeiert werden. „Sie glauben nicht“, sagt Niedorf, „wie schnell unsere Vereine ein Fest auf die Beine stellen können.“