Dortmund/Bochum. Vor der Industrie war das heutige Revier ein Schnapsland. Dann kamen bayrische Brauer und polten es um auf Bier, erzählt eine Schau in Dortmund.

Irgendwann war der Landrat von Bochum es leid, dass die Bevölkerung so soff. Man kann es nicht anders sagen: Branntwein, Schnaps, nur die härtesten Sachen; Westfalen, muss man dazu wissen, war um 1840 noch ein Bauern- und somit ein Schnapsland. Und der Landrat beschloss, dagegen vorzugehen: predigte Maßhalten und Bier zugleich. So kam er an Schlegel, der eher spezialisiert war auf zweiteres.

Der Braumeister aus Franken siedelte sich 1850 in Bochum an, führte erst eine Hausbrauerei und dann seinen eigenen Betrieb. Von heute an (3.7.) ist im Dortmunder Brauereimuseum die kleine Ausstellung „Bairisch Bier fürs Revier“ zu sehen, die mit dem ehemaligen Familienbetrieb etwas Größeres beschreibt.

Die damalige Schlegel-Brauerei ist „exemplarisch für die Brauerei-Industrie“

Klaus-Joachim Schlegel steht für die zwölfte Generation der Brauer-Familie.
Klaus-Joachim Schlegel steht für die zwölfte Generation der Brauer-Familie. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Denn andere Landräte und Bürgermeister holten andere Bayern her, um auch die Essener Trinkgewohnheiten zu bändigen, die Gelsenkirchener - und die Dortmunder sowieso. Das gelang ganz gut, weil das obergärige Lagerbier der Bayern bis zu vier Prozent Alkohol hatte, das vorherige, verschmähte aber nur ein bis zwei Prozent. Das behaupten zumindest böse, sagen wir, Zungen. Aber ausschlaggebend war natürlich der säuerliche Geschmack des alten, Alt-artigen Bieres.

Insofern ist die Ausstellung zwar auf Joachim Schlegel konzentriert, aber Entstehung und Entwicklung „sind exemplarisch für die Brauerei-Industrie in West- und Norddeutschland“, sagt am Freitag Heinrich Tappe, der Leiter des Brauereimuseums. Andere bedeutende Brauer wie die Gründer von Carlsberg oder Kronen gingen den umgekehrten Weg nach Bayern, um dort zu lernen.

„Trinkt keinen Branntwein, denn es ist Gift“

Illustriert wird all das etwa mit einer Mäßigkeitsfahne aus den 1840er-Jahren („Gott segne die Abstinenz“) oder einem gleichgesinnten Bild („Trinkt keinen Branntwein, denn es ist Gift“). Fotos zeigen das Wachsen der Brauerei, andere - jetzt sind wir schon tief im 20. Jahrhundert - ihre Reklamen.

Die Zeichnung eines Paares, dass sich zwischen Mode-Geschäft und Gastwirtschaft zunächst für Gastwirtschaft entscheidet. Das Kind, das Max-und-Moritz-mäßig über einen Zaun hinweg mit einem Strohhalm einen Krug aussaugt. Auch Bergmänner („Bergmannsdurst“) geben Werbe-Motive ab und ab den 60er-Jahren Frauen: „Pilsgenuß beim Schlegel-Kuß.“ Gläser, Deckel, Bierkrüge sind zu sehen: „Bochums Dreiklang, merk es dir - Kohle, Eisen, Schlegel-Bier.“

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Die Ausstellung soll zudem Klaus-Joachim Schlegel ehren. Der 85-Jährige schaut noch viel weiter zurück, denn in Franken haben die Schlegels bereits seit 1541 gebraucht: „Ich bin die zwölfte Generation in Bier . . . Dynastie klingt immer nach Geld, aber das Geld ist weg.“

Die Grabpflege für den Gründer liegt heute beim Ehrendienst

Auch in den Niederlanden wurde das Bier aus Bochum beworben.
Auch in den Niederlanden wurde das Bier aus Bochum beworben. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Dieser Schlegel war fast 20 Jahre Vorsitzender der Stiftergesellschaft des Brauereimuseums und hat sie von 60 oder 70 Mitgliedern auf 530 gebraucht; sie ist heute einer der größten Dortmunder Fördervereine überhaupt. Was soll man dazu noch sagen? Prost.

Das Ende der Brauerei war wieder exemplarisch: Sie war mit der Montanindustrie gewachsen, braute in den 1960ern unvorstellbare bis zu 59 Millionen Liter Bier im Jahr. Dann setzte eine Entwicklung ein, die Tappe so beschreibt: „Die Brauerei, die überleben wollte, musste expandieren.“ Schlegel ging 1971 auf in der Dortmunder Union. Die Grabpflege für den Gründer liegt heute beim Bochumer Ehrendienst.

>>>Öffnungszeiten

„Bairisch Bier fürs Revier“ im Dortmunder Brauereimuseum. Der Eintritt ist frei. Geöffnet di, mi, fr, so 10-17 Uhr, do 10-20 Uhr, sa 12-17 Uhr.