Ruhrgebiet. Acht Monate waren die Trödelmärkte im Land geschlossen, seit kurzem dürfen sie wieder öffnen. Aber noch ist einiges anders als vor der Pandemie.
Keine Wolke am Himmel, eine leichte Brise. Traumwetter. Der Tag ist noch jung, aber schon strömen sie heran. „Endlich wieder Trödel“, sagt Waltraud Rainhard (75), und ihre Freundinnen zur Linken und Rechten nicken. „Wir gehen ja jede Woche, wenn es nicht regnet. Uns hat richtig etwas gefehlt.“
Wahrscheinlich nicht nur ihnen. Genaue Zahlen gibt es zwar nicht, aber wer aufmerksam durch die Zeitschrift „Der Trödler“ blättert, zählt in normalen Zeiten knapp 50.000 Märkte im Jahr deutschlandweit. Allein in NRW kommen geschätzt 32 Millionen Besucher in dieser Zeit.
Kein Test aber Maske ist Pflicht
Markt ist allerdings nicht gleich Markt. Vor allem in den großen Städten des Ruhrgebietes gibt es neben dem klassischen Trödelbereich große Abteilungen mit Neuware. Obst, Süßigkeiten, Milchprodukte, Topfpflanzen, Bekleidung, Elektronik – kaum ein Wunsch, der auf den mehrere tausend Quadratmeter großen Flächen unerfüllt bleibt. Und natürlich ist alles ein „Angebot, Angebot“ und „billiger, billiger“. Für Martin (47) und Ehefrau Birgit (48) ein Grund für den Besuch: „So dicke haben wir es nämlich nicht. Gerade jetzt nach Corona.“
Also los. Ein negativer Test ist nicht notwendig, eine Maske zwingend vorgeschrieben. Kurz die Hände unter die Spender mit Desinfektionsflüssigkeit gehalten und dann vorbei an der Security, die mit dem Handzähler registriert, wie viele Menschen gerade auf dem Platz sind. Denn dort dürfen nur so viele sein, dass der Mindestabstand von 1,50 Metern eingehalten werden kann. „Es darf nirgendwo zu eng werden“, heißt es etwa aus dem Dortmunder Ordnungsamt.
Mehr Platz als in den meisten Fußgängerzonen
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Wird es auch so gut wie nie. Die Besucher sind zahlreich, aber die Plätze sind groß. Es ist nicht leer, aber in den breiten Gängen ist am Morgen mehr Platz als in den meisten Fußgängerzonen. Und wer an einem der Stände nach Schnäppchen sucht, wartet, bis genug Platz ist, bevor er Schallplatten auf Kratzer und Bücher auf Kritzeleien untersucht und dann aus sicherer Entfernung mit dem Feilschen beginnt. „Letzter Preis?“ Melanie (26) und Bianca (24) sorgen sich dann auch nicht vor Infektionen. „Jeder Supermarkt ist gefährlicher.“
„Bei dem Wetter hätte ich eigentlich mit mehr Besuchern gerechnet“, sagt Werner aus Witten, der regelmäßig seinen Stand auf einem Trödel aufbaut. „Liegt vielleicht daran, dass Monatsende ist.“ Oder daran, „dass die Leute schon im Urlaub sind“, wie sie ein paar Stände weiter mutmaßen. Möglich aber auch, dass stimmt, wovon ein Händler aus dem Neuwarenbereich überzeugt ist. „Viele wissen noch gar nicht, dass die Trödelmärkte wieder öffnen dürfen.“
Nicht jeder Neuwarenhändler ist schon wieder zurück
Frau Rainhards Trolley hat sich mittlerweile schon gefüllt. Etwas Obst hat sie gekauft und „eine entzückende kleine Vase“ gefunden und erstanden. Nun aber gerät der Einkauf ins Stocken. „Der Herr mit dem Honig steht an einem anderen Platz.“ Schlimmer noch: „Der Mann mit dem Kaffee ist nicht da“, hat sie festgestellt. Und er ist nicht der einzige. Fast jeder Neuwarenhändler kennt einen „der nicht durch die Corona-Zeit gekommen ist“. Gesundheitlich, meist aber finanziell. Oder der im besten Fall einfach nur so schnell noch keine frische Ware bekommen hat.
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An alter Ware dagegen herrscht auf vielen Märkten derzeit kein Mangel. Weil jetzt auf den Tischen liegt, was die Menschen während des langen zweiten Lockdowns vom Dachboden oder aus dem Keller geholt haben und nun anbieten. Das drückt hier da nicht nur die Preise, sondern auch die Stimmung der Verkäufer. „Die Konkurrenz ist schon gewaltig.“
Das Angebot muss stimmen
Das ist sie, aber eine junge Frau aus dem Sauerland, die seit Jahren fast jedes Wochenende auf einem Trödel steht ist dennoch zufrieden. „Läuft gut.“ Am Ende, sagt sie, „kommt es immer darauf an, ob du gute Sachen mithast.“ Und auch ein „alter Hase“ einen Gang weiter bleibt gelassen. „Die Gelegenheitströdler sind bald wieder weg. Das war nach dem ersten Lockdown ganz genauso