Ruhrgebiet. Die Hilfsinitiative „Wir im Revier“ hat Menschen geholfen, die durch Corona in Not waren. 1600 freuten sich über insgesamt 1,5 Millionen Euro.

Die Ansteckungszahlen sinken, die Menschen können wieder hoffen: Das Leben nach Corona beginnt. Zeit, Bilanz zu ziehen für Wir im Revier, die Hilfsinitiative geht nun ebenfalls zu Ende. Mit Stolz und Dankbarkeit darf das Ruhrgebiet zurückblicken: Mit mehr als 1,5 Millionen Euro hat fast 1600 Menschen geholfen werden können.

Es war eine österliche Idee im ersten Lockdown 2020: Da taten sich auf Betreiben der Funke Medien NRW, zu der auch diese Zeitung gehört, und der Wirtschaftsförderer der Business Metropole Ruhr Unternehmen und Stiftungen zusammen, um schnell und unbürokratisch zu helfen. Jenen Menschen, die durch die Krise in wirtschaftliche Not geraten waren – die Corona in die Kurzarbeit zwang, die ihren Nebenjob verloren oder überhaupt jedes Einkommen. Die ihre Kinder plötzlich zuhause hatten, aber nicht genug Geld, um ihnen einen Computer zu kaufen, damit sie im Homeschooling etwas lernen konnten.

Die Freude bei den Menschen, die Geld oder Gutscheine bekamen, war riesig.
Die Freude bei den Menschen, die Geld oder Gutscheine bekamen, war riesig. © Shutterstock/Rachaphak | Rachaphak

Unternehmen und Stiftungen verdoppelten die Hilfsgelder

Wir im Revier brachte starke Player an einen Tisch, potente Geldgeber, aber auch die Wohlfahrtsverbände Caritas und Diakonie, die in etwas mehr als einem Jahr 4000 Anträge prüften, viele eingereicht von Nachbarn, Freunden, Kollegen der Betroffenen, auch von Lehrern und Pfarrern. Typisch Ruhrgebiet, so war das gedacht: Man hilft sich, und das flott und ohne großes Gerede. „Ein großer Erfolg“ sei diese Zusammenarbeit gewesen, sagt Prof. Björn Enno Hermans, Direktor der Caritas im Verband Essen: Eine gewisse „Hemdsärmeligkeit“, dieser „Charme des Reviers“, habe die Initiative erst ermöglicht.

Niemand konnte ja damals ahnen, dass Kellnerinnen, Künstler, Stadionhelfer, Messehostessen, Fußball-Trainer, Yogalehrerinnen, Flughafen-Mitarbeiter, Studenten monatelang ohne Arbeit sein würden, dass Stapel von Bewerbungen ins Leere laufen würden. Dass die Not so groß werden würde, dass mit der Soforthilfe Kühlschränke gefüllt, Mietschulden bezahlt, ruhige Nächte erkauft werden mussten. „Es fehlt total viel Geld“, meldeten die Sozialverbände früh. Angesichts dieser Sorgen verdoppelten die Geldgeber die Gesamtsumme zum Jahreswechsel auf 1,5 Millionen Euro. 389 Gutscheine für eine technische Grundausstattung für Schulkinder wurden vergeben, fast 1600 Einzelpersonen und Familien freuten sich über finanzielle Hilfe.

Freudentränen und Briefe voller Dankbarkeit

Auch interessant

Und wie: Freudentränen schickten sie per Post oder E-Mail, darin solche Sätze: „Sie können sich nicht vorstellen, wie sehr mir das in der jetzigen Zeit hilft.“ Erleichterung und tiefe Dankbarkeit sprachen aus den Briefen, aus so vielen, wie die Sozialarbeiterinnen sagen, wie sonst selten. „Es trifft das Herz“, sagte Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck als Vorsitzender des Beirats schon nach den ersten Schreiben. Die rührenden Antworten, sagt Tanja Schymik von der Diakonie, „haben die Arbeit besonders gemacht“.

Viele der Bedürftigen bekamen eine Einmalhilfe von 1000 Euro: Keine Summe, die Berge versetzt, aber eine, die oft Steine von den Herzen fallen ließen. „Kleine Beträge können schon viel helfen“, freute sich eine der Beteiligten aus dem Auswahlgremium, „es macht die Menschen glücklich.“ In Kontoauszügen neuer Anträge entdeckten die Bearbeiterinnen häufig, dass kleine Teile des Geldes weiterverliehen worden waren, oder auch -geschenkt: Die Begünstigten halfen sich gegenseitig, auch das hat tief berührt.

Hilfe kam zügig bei den Menschen an

Der Regenbogen – Zeichen der Hoffnung in der Pandemie.
Der Regenbogen – Zeichen der Hoffnung in der Pandemie. © Shutterstock/Tatevosian Yana | Tatevosian Yana

Vor allem kam die Hilfe zügig bei den Menschen an. „Wir waren“, sagt Caritas-Direktor Hermans, „immer schon da, bevor die staatliche Hilfe kam“ – wenn sie denn kam. Denn auch das sind Erfahrungen von „Wir im Revier“: Zwar hat der Staat einige und einiges aufgefangen in seinem sozialen Netz, mit seiner unbürokratischen Unterstützung aber war Wir im Revier schneller. Und es gab und gibt aber Menschen, die durch dieses Netz fielen, mit Problemen, für die bis heute keine eindeutigen Lösungen gefunden sind: So viele Familien wandten sich auch in den Frühlingsmonaten noch verzweifelt an die Hilfsinitiative, weil ihre Kinder noch immer keinen Computer bekommen hatten und dem Unterricht zuhause nicht folgen konnten. „Traurig, dass wir heute immer noch IT-Gutscheine brauchen“, sagt nicht nur Pfarrer Ulrich Christenn, der in den Gremien die Diakonie Rheinland, Westfalen, Lippe vertrat.

Privater Einsatz schloss Lücken, die der Staat nicht füllte

Eindruck hinterlässt auch die große Gruppe der oft ausländischen Studenten, die keine Jobs mehr fanden und ihr Studium nicht mehr finanzieren konnten, oft nicht einmal mehr das Essen auf dem Tisch. Und die Bescheidenheit besonders von freischaffenden Künstlern, die ihre Miete nicht mehr zu bezahlen wussten und trotzdem lieber Familien den Vortritt lassen wollten. Wir im Revier konnte durch das Zusammenwirken von Stiftungen und Unternehmen bei jenen Einzelfallhilfe leisten, die von staatlicher Seite nichts zu erwarten hatten: Die private Hilfsaktion, sagt Pfarrer Christenn, habe so auch „die Lücken in unserem Sozialstaat aufgezeigt, die dringend geschlossen werden müssen“.

Insofern, auch das sagt Ulrich Christenn, und darin sind sich die Beteiligten im Rückblick einig, sei Wir im Revier, „ein starkes Signal der Zivilgesellschaft“ im Ruhrgebiet gewesen. „Gemeinsam haben Stiftungen, Unternehmen, Verbände und Kirchen gezeigt, was in Krisensituationen möglich ist.“ Ein Erfolg und auch „eine Chance“, wie Caritasdirektor Hermans findet: eine Erfahrung, die man, wer weiß, „nutzen kann in anderen Notlagen“.

>>INFO: DAS WAR DIE HILFSINITIATIVE „WIR IM REVIER“

Im April 2020, im ersten Corona-Lockdown, haben Stiftungen und Unternehmen aus dem Ruhrgebiet erstmals in den Spendentopf von Wir im Revier eingezahlt. Zum Jahreswechsel haben sie die Mittel noch einmal großzügig aufgestockt: Mit insgesamt eineinhalb Millionen Euro wurden Menschen im Ruhrgebiet unterstützt, die durch die Pandemie in Not geraten sind.

Die Hilfsinitiative Wir im Revier wurde von der Funke Medien NRW gemeinsam mit der Business Metropole Ruhr ins Leben gerufen, unterstützt wird die Aktion von den Sozialverbänden Diakonie und Caritas. Geldgeber waren die RAG-Stiftung, Vivawest, die Brost-Stiftung, die Stiftung Mercator, Vonovia. In Kooperation mit der Firma Medion gab es neben finanzieller Unterstützung Gutscheine für eine digitale Ausstattung für Familien, deren Kinder sonst nicht am Distanz-Unterricht teilnehmen konnten.

Die Business Metropole Ruhr hat zum Abschluss der Initiative einen Film gemacht:

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von Youtube, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Das sagen die Partner von "Wir im Revier"

Für den Beirat „Wir im Revier“:

Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck.
Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck. © Archivbild | Andreas Buck

„Wir im Revier’ steht für unser gemeinsames Miteinander im Ruhrgebiet. Die Initiative war eine richtige Antwort auf die Corona-Pandemie, denn vielen Menschen konnte in großer Not schnell und unbürokratisch geholfen werden. Diese Form der  menschendienlichen  Zusammenarbeit von unterschiedlichen Akteuren ist zukunftsweisend.“
Franz-Josef Overbeck, Ruhrbischof und Vorsitzender des Beirat
s

RAG-Stiftung:

Bärbel Bergerhoff-Wodopia, Vorstand der Essener RAG-Stiftung.
Bärbel Bergerhoff-Wodopia, Vorstand der Essener RAG-Stiftung. © FUNKE Foto Services | Bernd Thissen

„Die Hilfsinitiative „Wir im Revier“ war ein großer Erfolg. Sie macht deutlich, wofür die Unternehmen und die Menschen im Ruhrgebiet stehen: für große Solidarität und eine ausgeprägte Hilfsbereitschaft. Zusammen mit VIVAWEST war die RAG-Stiftung Hauptförderer des Projekts. Damit haben wir die Notlage von 1500 Einzelpersonen und Familien schnell und unkompliziert ein wenig gelindert. Ich bin zuversichtlich, dass wir die Pandemie überwinden werden. Bis dahin und auch darüber hinaus sollten wir aufeinander achten.“
Bärbel Bergerhoff-Wodopia, Vorstan
d

Vonovia:

Rolf Buch, Vorstandsvorsitzender Vonovia
Rolf Buch, Vorstandsvorsitzender Vonovia © picture alliance/dpa | Marcel Kusch

„Innovativ, neugierig und voller Vorfreude auf eine gute Zukunft. So erlebe ich das Ruhrgebiet. Die Mentalität der Menschen, die hier zu Hause sind, ist heute wie damals: Man trägt das Herz auf der Zunge und lässt die Kumpel nicht hängen. Genau diesen Zusammenhalt habe ich in der Pandemie stärker denn je gespürt. „Wir fürs Revier“ hat einen großen Beitrag dazu geleistet, dass unser Ruhrgebiet mit seiner unternehmerischen und kulturellen Vielfalt bleibt wie es ist. Wir als Vonovia sind stolzer Teil davon. Danke dafür.“
Rolf Buch, Vorstandsvorsitzende
r

Vivawest:

Uwe Eichner Vorsitzender der Geschäftsführung Vivawest.
Uwe Eichner Vorsitzender der Geschäftsführung Vivawest. © Foto: GAG | Unbekannt

„VIVAWEST ist ein starker Partner der Region. Der damit einhergehenden gesellschaftlichen Verantwortung werden wir in der Corona-Pandemie mit verschiedenen Hilfsangeboten für unsere Mieter und dem Engagement der Vivawest Stiftung in vielen Quartieren gerecht – schnell und pragmatisch. Für diesen Ansatz steht auch die Initiative ‚Wir im Revier‘. Deshalb haben wir sie auch von Herzen gern unterstützt.“
Uwe Eichner, Vorsitzender der Geschäftsführun
g

Businessmetropole Ruhr:

Markus Schlüter , Geschäftsführer der Businessmetropole Ruhr.
Foto: Svenja Hanusch / Funke Foto Services
Markus Schlüter , Geschäftsführer der Businessmetropole Ruhr. Foto: Svenja Hanusch / Funke Foto Services © Unbekannt | Unbekannt

„Die Initiative war typisch Ruhrgebiet: hemdsärmelig zupackend und solidarisch. Gerade angesichts einer so großen Herausforderung wie der Pandemie und der damit verbundenen Unsicherheit war es beeindruckend, wie schnell und unkompliziert verschiedene Akteure aus der Zivilgesellschaft zusammenkamen, um Menschen in unserem Revier zu helfen. Unser großer Dank gilt den Stiftungen, den Unternehmen und den Wohlfahrtsverbänden.“
Markus Schlüter,  Geschäftsführe
r

Stiftung Mercator:

Wolfgang Rohe, Geschäftsführer der Mercator-Stiftung
Wolfgang Rohe, Geschäftsführer der Mercator-Stiftung © Unbekannt | Unbekannt

„Weil die Stiftung Mercator sich dem Ruhrgebiet eng verbunden fühlt, war unsere Beteiligung an „Wir im Revier“ selbstverständlich. Wir freuen uns, dass der direkte Kontakt der Diakonie und der Caritas zu vielen von der Pandemie besonders betroffenen Menschen es ermöglicht hat, schnell und wirkungsvoll zu helfen.“
Dr. Wolfgang Rohe, Geschäftsführe
r

Brost-Stiftung:

Bodo Hombach, Vorstandsvorsitzender der Brost-Stiftung.
Bodo Hombach, Vorstandsvorsitzender der Brost-Stiftung. © Oliver Mengedoht | FUNKE Foto Services

„Ich wünsche mir ein Ruhrgebiet, über das Bertolt Brecht gesagt hätte: ,Da ist wohl Elend noch vorhanden, doch niemand ist damit einverstanden.“

 Für mich heißt das in Prosa: Das Nötige erkennen, das Gute wollen und das Richtige geschehen lassen.’“
Bodo Hombach, Vorstandsvorsitzender der Brost-Stiftun
g

Funke Medien NRW:

Thomas Kloß, Verlagsgeschäftsführer Funke Medien  NRW
Thomas Kloß, Verlagsgeschäftsführer Funke Medien NRW © Unbekannt | Unbekannt

„Viel zu viele Schüler besitzen weder Tablet noch Laptop zum Lernen. Von gleichen Bildungsvoraussetzungen kann nicht die Rede sein. Schön, dass wir mit unserer Solidaraktion helfen und für ein bisschen mehr Chancengleichheit sorgen konnten.“
Thomas Kloß, Verlagsgeschäftsführer NR
W