Dülmen. Cameroon Collins tritt am Sonntag im Urban Dance Battle bei den Ruhr Games in Bochum an. Tanzen ist ihr Leben.

„Der Beat ist mein Herzschlag, die Straße meine Bühne und ein Tag ohne Musik unvorstellbar“, erzählt eine strahlende Cameroon Collins im Videoclip der „#zeitfürtalent“-Kampagne der Ruhr Games. Und sie tanzt dazu, wie nur jemand tanzen kann, der es wirklich liebt: auf, unter und über eine Betonbrücke, in Turnschuhen und viel zu großem Pullover, während die Braids, ihre kunstvoll geflochtenen Zöpfe, wild um ihren Kopf fliegen. Cameroon wiederholt den Satz im Gespräch mit dieser Zeitung zum heutigen Auftakt der Spiele in Bochum – wörtlich. Nicht, weil er cool klingt, sie ihn auswendig gelernt hätte, oder weil man ihn von einer, deren Leidenschaft der „Urban Dance“ ist, womöglich erwartet. Sie erwähne das häufig, beteuert die gerade 15-Jährige, „weil ich es einfach so fühle“.

Fotografiert zu werden, macht Cameroon Collins Spaß. Ich liebe das Scheinwerferlicht, sagt das Mädchen aus Dülmen. In Berlin oder New xyork will sie irgendwann einmal leben.
Fotografiert zu werden, macht Cameroon Collins Spaß. Ich liebe das Scheinwerferlicht, sagt das Mädchen aus Dülmen. In Berlin oder New xyork will sie irgendwann einmal leben. © Fabian Strauch / FUNKE Foto Services | Unbekannt

Schule, Tanzen, Schlafen – für mehr ist kein Raum im Leben der Dülmener Gymnasiastin, die erstmals bei Europas größtem Jugendsportfestival, antritt. Doch für sie ist das mehr als genug. An gleich drei Tanzschulen in Osnabrück, Krefeld und Düsseldorf trainiert die Neuntklässlerin, unter anderem in der renommierten „Area 47" des zweifachen Hiphop-Weltmeister Majid Kessab, der auch die „Battles“, den Wettkampf, in Bochum ausrichtet. Zwei Stunden Zugfahrt hin, zwei zurück, nimmt Cameroon für jedes Training in Kauf („prima zum Vokabeln lernen oder Lektüre lesen“), an fünf Tagen in der Woche, oft auch an mehr. „Und jeden Abend, wenn ich danach zuhause ins Bett falle, freue ich mich schon auf den nächsten Tag. Weil ich dann wieder tanzen kann.“ Wer zuschauen darf, glaubt es gern, so lässig, so perfekt, so faszinierend bewegt sich dieser Teenager.

„Die Tanz-Community ist meine zweite Familie“

Es fängt an, da besucht sie noch nicht einmal den Kindergarten – und ist wohl nicht mehr zu stoppen: Erst tanzt Cameroon Collins „nur“ die Choreos anderer Künstler nach, bald schon entwickelt sie ihre eigenen „Moves“ und Kombinationen, konzentriert sich heute auf Hiphop, trainiert aber auch „House, Locking, Popping, Afro und Dancehall“ intensiv. Über 60 Medaillen und fünf Kartons voller Pokale hat sie mittlerweile angehäuft; als sie 2019 im niederländischen Veldhoven Europameisterin der Hiphopper in der Fortgeschrittenen-Klasse wird, trägt sie noch Zahnspange. „Tanzen macht mich glücklich, immer, wirklich immer“, beschreibt das Mädchen, was es antreibt. Der Sport ermögliche zudem tolle Reisen, Einblicke in fremde Kulturen, Länder und Sitten. „Ich habe Freunde in aller Welt, die Tanz-Community ist meine zweite Familie““, schwärmt die Dülmenerin. Dabei ist die eigene Familie ebenfalls herrlich bunt: Sie sei in Marl geboren, besitze nur den deutschen Pass, trage aber drei weitere Nationalitäten in sich, erzählt Cameroon: Die Mama kommt aus Polen, der Papa aus Kamerun und die Großeltern aus Nigeria.

Die letzten Monate, die Pandemie, fand Cameroon „echt krass“. Doch sie hat die Zeit genutzt. Sich neben dem Online-Training neue „Skills“ angeeignet; an Workshops mit amerikanischen Star-Tänzern teilgenommen, sich auf die Ruhr Games vorbereitet. Denn sie „möchte jeden Tag besser werden, später einmal mit den legendären Sängern zusammen auf der Bühne stehen“, Beyoncé etwa oder dem Rapper Busta Rhymes. Anderen Kindern, „die arm sind oder eine andere Hautfarbe farben oder Migrationshintergrund“ will Cameroon Collins zudem ein Vorbild sein. Die Gesellschaft, meint sie, brauche Vorbilder „zur Motivation, zur Inspiration“.

Die Oma verfolgt den Wettkampf am Bildschirm

Ach ja, Abi machen und studieren, um Lehrerin zu werden, möchte die 15-Jährige, die sich selbst „ehrgeizig und zielstrebig“ nennt, nebenbei auch noch. Und das möglichst schnell. Die Stufe 10 will sie überspringen, einen entsprechenden Antrag bei der Schule habe die Mutter bereits eingereicht. Ihr Notenschnitt liege bei 1,3 und : „Meine Lehrer sagen, ich sei sehr weit im Kopf…“, erklärt sie.

Tatsächlich unterstützt Mutter Margarete ihre Tochter nach Kräften. „Ich sehe ja, wie superglücklich sie das Tanzen macht.“ Am Sonntag wird sie sie auch nach Bochum begleiten, „während die Oma nur vor dem Fernseher mitfiebern kann“. Dass die Ruhr Games in diesem Jahr fast ohne Publikum auskommen müssen, findet Cameroon extrem schade. „Ich liebe das Scheinwerferlicht“, erklärt sie. Man ahnte es. Ab 12 Uhr wird der Teenager aus Dülmen im „Centercourt“ des Bochumer Vonovia Ruhrstadions gegen die Besten der Besten antreten, im „One versus One“-Battle der Hiphop-Nachwuchsstars. Der jeweilige Gewinner des Zweikampfs kommt in die nächste Runde. Im Finale um 19 Uhr stehen sich die letzten beiden gegenüber. Cameroons Ziel? „Natürlich der Sieg“.

>>>Die Ruhr Games 2021

Das größte europäische Jugendsportfestival findet in diesem Jahr vom 3. bis 6. Juni wegen Corona als digitale Sonderedition statt. In 16 klassischen und modernen olympischen Sportarten, in 45 verschiedenen Disziplinen treten treten nationale und internationale Top-Talente gegeneinander an. Es geht um Medaillen, aber auch um Qualifizierungen, nicht zuletzt für die Olympischen Spiele in Tokio.

Zu den sportlichen Highlights der Veranstaltung zählen die erstmals ausgetragene Europameisterschaft im BMX Flatland, die Deutschen Meisterschaften im Beachvolleyball, Speed-Klettern und Bouldern sowie die der Sportakrobatinnen. Dazu kommt ein ebenfalls digitales Kulturprogramm.

Die Sport- und Kulturhighlights werden kompakt im täglich vierstündigen Ruhr Games TV Stream gezeigt, zudem können alle Wettkämpfe in einzelnen Live-Streams verfolgt werden. ARD und ZDF berichten ebenfalls.

Das Programm und mehr: www.ruhrgames.de/live

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