Ruhrgebiet. Lange hat das Ruhrgebiet gewartet auf ein echtes Frühlingswochenende. Handel und Gastronomie setzen die Lockerungen um - schon kommen die Leute.

Am Sonntagvormittag dreht sich das Bermuda-Dreieck einfach noch mal um im Bett. Nur vor wenigen Lokalen decken Kellner ein für Frühstücksgäste; Putzfrauen sind zugange, zwei Stühlezurechtrücker; Tauben machen sich ein Fest vom Rest, und ansonsten deutet manche Spur an, dass hier vielleicht der eine oder die andere am Abend auch zehn über den Durst genommen haben könnte.

An diesem Wochenende ist nämlich alles zusammengekommen, zuletzt auch die Leute. Die Regenwolken sind abgezogen. Die Temperaturen klettern. Die Inzidenzen sinken. Die Stimmung steigt. Das Ruhrgebiet geht aus: Außengastronomie nach Frei-Test geht jetzt wieder in den allermeisten Revierstädten, Einzelhandel ohne große Einschränkung auch. Und die Seen und Wälder: Sind eh voll, das sind sie ja schon seit einem Jahr.

Deutlich mehr Kunden als zuletzt, aber noch kein normaler Samstagsbetrieb

Im Centro Oberhausen bilden sich Warteschlangen vor Textil- und Schuh-Geschäften, die anderen sind weniger gefragt.
Im Centro Oberhausen bilden sich Warteschlangen vor Textil- und Schuh-Geschäften, die anderen sind weniger gefragt. © FUNKE Foto Services | Bernd Thissen

Wenn man an einem sonnigen Samstagnachmittag zum Centro fährt, und das Parkhaus eins zeigt „1502 freie Plätze“ an, dann weiß man: Der ganz große, alles niederwalzende, der namenlose Ansturm auf die Geschäfte ist ausgeblieben. Hier in Oberhausen, in Essen, Bochum und andernorts wird man abends die Bilanz ziehen: Deutlich mehr Kunden als in den letzten Wochen, aber auch kein normaler, wie corona-freier Samstagsbetrieb. Falls sich jemand erinnert. Damals war’s.

Und so stehen im Centro-Gebäude lange Schlangen vor allem vor den Modeläden, vor „tk maxx“ und „Bershka“, „New Yorker“, „Zara“, „Orsoy“; aber schon bei Galeria Kaufhof ist es nur soso, lala, und beispielsweise bei Yves Rocher, Vodafone oder Nanu Nana ist gerade kein Mensch.

„Bitte beachten Sie am Einlass: maximal 17 Personen“

Ach, Schuhe gehen auch gut: „Im Internet waren die Schuhe ausverkauft, hier hatten wir Glück“, sagen zwei junge Frauen, die dafür 15 Minuten anstanden. Nicht, weil es so voll wäre, sondern weil die Zahl der Kunden im Ladenlokal ja noch beschränkt wird: „Bitte beachten Sie am Einlass: maximal 17 Personen.“

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In größeren Läden wird das dann schnell ein bisschen unübersichtlich. Und so steht im Eingang von C&A in Bochum eine Verkäuferin, die heute besonders fingerfertig sein muss. Sie hat zwei Glasschüsseln und 229 weiße Plastikkapseln und füllt drei von rechts nach links, wenn drei Leute hineingehen, und vier von links nach rechts, wenn vier Leute herausgehen. Das funktioniert, aber es zeigt sich auch: 229 Kunden zugleich werden das nicht. Am Abend ist das Geschäft noch geöffnet, aber die Zählung hat man aufgegeben.

Es haben nur Biergärten geöffnet, die sich zur Straße hin verbarrikadieren

Bei allen Lockerungen ist Einkaufen noch immer nicht dasselbe wie vor Corona.
Bei allen Lockerungen ist Einkaufen noch immer nicht dasselbe wie vor Corona. © FUNKE Foto Services | Bernd Thissen

Ähnlich ist das Bild in anderen Innenstädten. „Einen Andrang gab es nicht, wohl aber eine sehr gute Frequenz“, sagt Anastasios Meliopoulos, der Centermanager des Einkaufszentrums Limbecker Platz in Essen und unser Kronzeuge an dieser Stelle. Und die Menschen, die unterwegs sind, die freuen sich einfach: „Das ist unser erster Shopping-Samstag in diesem Jahr“, heißt es dann, oder „Wir haben uns komplett mit Sommerbekleidung eingedeckt!“ Eine Verkäuferin in Bottrop sagt: „Heute sind wir gerannt.“ Die Glückliche!

Doch wenn das geht, dann sind die Gastronomen an diesem Wochenende noch einen Hauch glücklicher. Die Düsseldorfer Altstadt überlaufen. Die Centro-Promenade besetzt. Das Kreuzviertel in Dortmund, das Bermuda-Dreieck in Bochum voll - für Corona-Verhältnisse: Es ist ja überall nur draußen geöffnet, und die Tische halten Abstand untereinander. Auf den ersten Blick sieht es aus wie früher, dann fällt auf: Nur solche Biergärten sind geöffnet, die sich mit Absperrgittern oder senkrecht stehenden Paletten zur Laufkundschaft hin verbarrikadiert haben. Kurios, aber sie müssen ja den Zutritt kontrollieren.

„Heute hat jeder ein Grinsen im Gesicht“

Unter Freisitz versteht man dann durchaus etwas anderes, als von Schildern mit lauter Befehlen umgeben zu sein. Zum freundlichen „Schön, dass ihr wieder da seid“ gesellen sich auch Ansagen wie „Ihr werdet platziert“, „Verzehrzeit 90 Minuten“ oder „Platzwechsel verboten.“ Der entspannten Stimmung schadet das nicht, überhaupt nicht, jemand sagt: „Heute hat jeder ein Grinsen im Gesicht.“

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Häufigster Dialog an diesem Abend: „Habt ihr reserviert?“ - „Nein.“ - „Dann habe ich leider nichts für euch.“ Die verhinderten Gäste drehen ab, suchen anderswo ihr Glück, stellen sich gegenüber an. Die Schlange ist gerade 36 Menschen lang, sie kommen im Moment auch nicht wirklich voran. Prost!

Die Wartenden können sich nämlich die Schlange schöntrinken, auch hier schon ein Bier bestellen, das dann auch rauskommt. Ja, lohnt sich denn die Warterei? Birgit, ganz hinten, guckt, als wäre man nicht bei Verstand. Okay. Sie hat Recht.