Duisburg/Lissabon. Die Polizei hat den Schwerverbrecher Francesco Pelle gefasst. Was er mit den Mafia-Morden von Duisburg zu tun hat.
Er war einer der meistgesuchten Verbrecher Italiens und ohne ihn hätte es das Blutbad von Duisburg, bei dem 2007 sechs Menschen vor einer Pizzeria erschossen wurden, wohl nicht gegeben. Die Polizei in Portugal hat Francesco Pelle festgenommen. Der heute 44-Jährige soll zu Weihnachten 2006 einen Mord in Auftrag gegeben haben, für den die Familie des Opfers sich gut acht Monate später im Ruhrgebiet blutig rächte.
Die Ehefrau stirbt im Kugelhagel
Auch interessant
Die Mordnacht von Duisburg, sie ist der Höhepunkt einer Fehde im kalabrischen Dorf San Luca zwischen den beiden ’Ndrangheta-Familien Strangio-Nirta und Pelle-Romeo. Begonnen haben soll sie mit einem Karnevalsscherz 1991, bei dem ein paar Jugendliche Eiern auf das Auto eines Clanchefs werfen. Dutzende Gegenschläge, Racheschwüre und Morde folgen – mehrfach unterbrochen von Stillhaltepakten. Dann aber wird im Juli 2006 auf Francesco Pelle geschossen, als der Mann mit dem Spitznamen „Ciccio Pakistan“ auf einem Balkon steht. Eine Kugel verletzt die Wirbelsäule, Pelle ist gelähmt. Vom Rollstuhl aus schwört er Rache.
Sie folgt am 1. Weihnachtstag, als Killer seines Clans das Haus des Rivalen Giovanni Nirta stürmen. Ihn kriegen sie nicht, aber seine Frau Maria stirbt im Kugelhagel, ein Kind wird verletzt – die Lage eskaliert. Die mutmaßlichen Täter des Weihnachtsanschlages tauchen unter, verstecken sich schließlich in Duisburg. Vergeblich. Bald haben Nirtas Männer sie aufgespürt. Giovanni Strangio, Cousin der Ermordeten, nimmt die Sache selber in die Hand.
Polizei spricht von einer „Hinrichtung“
Zusammen mit mindestens einem Komplizen legt er sich in der Nacht des 15. August vor der Pizzeria „Da Bruno“ auf die Lauer, wo sechs Angehörige des Pelle-Romeo-Clans einen Geburtstag feiern. Als sie spät in der Nacht das Lokal verlassen, eröffnen die Killer das Feuer. 54 Schüsse später sind fünf Männer tot, der sechste stirbt auf dem Weg ins Krankenhaus. Die Polizei spricht später von einer „Hinrichtung“
Die Mordkommission nimmt die Spur auf. Sie findet Strangios DNA in einer Düsseldorfer Wohnung und Monate später auch in dem schwarzen Renault Clio, den Überwachungskameras in der Tatnacht nahe der Pizzeria gefilmt haben. Ihn selbst finden sie 2008 in einer schäbigen Wohnung im zweiten Stock eines Mehrfamilienhauses im Amsterdamer Vorort Diemen und können ihn festnehmen.
Hausarrest bis zum endgültigen Urteil
Eine Feinstaubplakette aus der Wohnung des wenige Monate zuvor inhaftierten Clan-Chefs Nirta bringt die Fahnder auf seine Spur. Sie ist ausgestellt auf den Wagen eines Frankfurters Kontaktmanns, an dessen Fersen sich die Ermittler nun heften. Er führt sie schließlich unwissentlich zum Amsterdamer Versteck des Gesuchten.
Auch interessant
Auch Francesco Pelle wird 2008 verhaftet. Die italienische Polizei entdeckt ihn unter falschem Namen in einem Krankenhaus der lombardischen Stadt Pavia, wo er sich an den Beinen hatte operieren lassen. 2010 wird er zusammen mit mehreren weiteren Mitgliedern beider Clans zu lebenslanger Haft verurteilt, bis zu einem endgültigen Urteil 2017 allerdings in „Hausarrest“ entlassen. Eine Gelegenheit, die er schnell nutzt, um unterzutauchen.
Offenbar im Krankenhaus wegen einer Covid-Infektion
Wie genau die Fahnder ihm nun in Lissabon auf die Spur gekommen sind, ist unbekannt. Klar ist, dass er von der Nationalen Abteilung für Terrorismusbekämpfung der Justizpolizei zusammen mit Ermittlern von Interpol wieder in einer Klinik verhaftet wurde – dieses Mal im Krankenhaus São José im Zentrum von Lissabon.
Angeblich erholte sich der europaweit gesuchte Clan-Boss dort von den Folgen einer schweren Covid-Infektion. In Kürze soll Pelle nun wieder den italienischen Behörden übergeben werden – laut portugiesischen Medienberichten allerdings erst nach negativem Corona-Test.