Essen. Bei einer Razzia entdeckte die Polizei in einem Essener Wald zufällig eine Cannabisplantage. Jetzt steht der “Gärtner“ vor Gericht.

Idyllisch wirkt das Waldgebiet in Essen-Kupferdreh. Hier lässt sich durchatmen, ist die Welt noch in Ordnung. Doch auch zwischen den Bäumen steckt das Verbrechen. Seit Dienstag muss sich ein 56 Jahre alter Kupferdreher vor der XVII. Essener Strafkammer verantworten, weil er dort in seinem Einfamilienhaus professionell Cannabis angebaut hatte.

Nur durch einen Zufall war die Polizei am 18. September vergangenen Jahres auf die Drogenplantage gestoßen. Mit richterlichem Beschluss hatte sie das im Wald verborgene Haus durchsucht, weil der 56-Jährige verdächtigt wurde, das wenige hundert Meter entfernte und nur auf Waldwegen zu erreichende Haus seiner Nachbarn angezündet zu haben. Anstifter, so der ursprüngliche Verdacht der Ermittler, soll der ebenfalls im Wald auf einem Gehöft lebende Besitzer beider Häuser gewesen sein.

Fachwerkhaus brannte lichterloh

Aber da ist wohl nichts dran, falscher Verdacht. Wie Verteidiger Victor Berger am Dienstag dem Gericht mitteilte, ist das Verfahren wegen Brandstiftung gegen seinen Mandanten eingestellt worden, das gegen den Vermieter ebenfalls. Offenbar gelang es der Polizei nicht, den Fall aufzuklären. Menschen waren bei dem Brand am 28. Juli 2020 nicht verletzt worden. Allerdings brannte das Fachwerkhaus im Wald lichterloh, ein Papagei und ein Chihuahua starben in den Flammen.

Dass Brandstifter am Werk waren, stand aus Sicht der Polizei fest. Sie befragte Nachbarn in dem Waldgebiet zwischen Nierenhofer Straße und Reulsbergweg. Schließlich konzentrierten die Ermittlungen sich auf den 56-Jährigen.

Marihuanapflanzen in jeder freien Ecke

Am 18. September rückten die Brandermittler morgen um sieben Uhr an, suchten beim Mieter des Hauses nach Beweisen für die Brandstiftung. Schnell stieg ihnen ein süßlicher Geruch in die Nase. Den kannten sie: Marihuana. Im Keller, in der Garage und in Anbauten entdeckten sie eine hochprofessionelle Cannabisplantage mit 1000-Watt-Leuchten, Kanister mit Dünger, Abluftfiltern und Verpackungsmaterial. Vor allem aber in jeder freien Ecke Marihuanapflanzen, teils frisch, teils abgeerntet oder vertrocknet, einiges in schwarze Mülltüten gestopft.

Dass der Mieter in seinem Einfamilienhaus im Wald sich vor unerwartetem Besuch zu schützen wusste, ergab sich aus Sicht der Polizei aus weiteren Fundstücken. Da lag auf einem Sideboard im Wohnzimmer Munition für ein Gewehr, die passende Vorderschaftrepetierflinte stand in einer Ecke im Schlafzimmer.

20 Kilo Marihuana aus 700 Pflanzen

Mittlerweile hatten die Brandermittler ihre Kollegen vom Drogendezernat alarmiert. Die Bilanz nach der Razzia: Keine Beweise für die Brandstiftung, aber reichlich für einen schwunghaften Drogenhandel mit Marihuana guter Qualität. Pro Ernte, so eine Hochrechnung der Kripo, hätten die rund 700 Pflanzen 20 Kilo Marihuana ergeben.

Das alles will der Angeklagte auch gar nicht groß abstreiten. Nur: eigentlich sei das gar nicht seine Plantage gewesen. Er habe in der ersten Etage gewohnt, der Rest sei nicht vermietet gewesen. Im Auftrag des Vermieters habe er die unteren Räume renovieren sollen. Weil aber ein Freund gerade eine größere Lagerfläche suchte, habe er diesem im Jahre 2014 den leerstehenden Teil des Hauses untervermietet. 400 Euro will der Sozialhilfeempfänger dafür bekommen haben.

Drogenplantage im Haus zunächst nicht bemerkt

Was der Freund dort gemacht habe, das will er nicht mitbekommen haben: "Als die die ganzen Geräte ins Haus gebracht haben, lag ich mit einem Oberschenkelhalsbruch im Krankenhaus." Auch den immens hohen Stromverbrauch will er nicht mitbekommen haben: "Der hatte einen eigenen Stromzähler."

Falls das Gericht überlegte, den Untermieter zu vernehmen, kann es sich die Mühe sparen. "2015 ist der Mike verstorben", sagt der Angeklagte. Zwei Jahre lang will der Angeklagte nichts weiter unternommen haben, dann brach er die Tür auf, entdeckte die Plantage. Und dann? "Ja, da habe ich sie leider weiter betrieben."

Den Samen habe er in Holland besorgt und das gärtnerische Grundwissen aus einem Buch bezogen. Sonderlich erfolgreich sei das nicht gewesen: "Die Polizei hat deshalb so viel bei mir gefunden, weil ich nichts verkauft habe." Denn seine Kunden hätten abgewinkt: "Die sagten, das ist Mist, minderwertige Qualität." Am Donnerstag wird der Prozess fortgesetzt.