Ruhrgebiet. Jeder Bürger soll jede Woche auf Corona getestet werden. Wer das aber macht, woher die Tests kommen sollen und wer es bezahlt: alles noch offen.
Die Frage aller Fragen ist ab sofort zu zweit: Zu „Wann werde ich geimpft?“ gesellt sich „Wann und wo werde ich getestet?“. Wöchentlich, sagen die Ministerpräsidenten, jeder nur ein Test, aber dafür kostenlos. Mehr sagen sie nicht. Mehr wissen sie nicht – sie nicht, Ärzte und Apotheker auch nicht, dabei sollen die es wohl machen.
In einer Hausarztpraxis im Ruhrgebiet sorgt die Ankündigung aus der Nacht am Donnerstagmorgen für große Verunsicherung: Hier war es schon schwierig, genug Schnelltests für die Mitarbeiter zu ergattern, „wie sollen wir nun so schnell ausreichend Tests für rund 1000 Patienten bestellen“? Hilfe suchen die Helferinnen bei der Kassenärztlichen Vereinigung, dort aber sei „kein Durchkommen“. Bitte, hören Testwillige am Telefon, rufen Sie am Montag noch mal an.
Gesundheitsministerium: „Infrastruktur ist erst im Aufbau“
Dann aber soll die neue Regel schon gelten: Jeder Bürger erhält einen kostenlosen Corona-Test in der Woche – neben jenen, die er sich ab Samstag beim Discounter und in Drogerien selbst kaufen kann, deren Testergebnis aber natürlich nicht bescheinigt wird. Die professionellen Schnelltests mit Bescheinigung sollen Ärzte, Apotheker und Testzentren übernehmen. Nur konnten sie das bislang allenfalls ahnen.
Wer also bestellt, wer vergibt Termine, bescheinigt, bezahlt? Wer hat Anspruch, wie wird dokumentiert? „Eine flächendeckende Testinfrastruktur“, zu dieser dünnen Antwort ringt sich das NRW-Gesundheitsministerium auf Nachfrage durch, „befindet sich derzeit im Aufbau.“
Bisher nur Testkits für Profis
Dabei bleibt für die Planung mit dem Freitag nur noch ein Arbeitstag. Vielerorts sind die Tests noch gar nicht geordert, geschweige denn da. Viele Apotheken haben zwar schon Testkits im Regal, es gibt sie ja längst: Nur durften sie bislang nur an geschultes Personal verkauft werden, an Ärzte, Heime, Firmen. Nun braucht es für jede Packung eine neue -beilage für den Laien, eine neue Zulassungsnummer.
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Und es braucht den Platz und das Personal zum Testen. Apotheken dürfen das schon länger, viele können es aber gar nicht anbieten, weil geeignete Räumlichkeiten fehlen. Gerechnet, sagen Pharmazeuten, habe sich das ohnehin noch nie: Neben dem Material schlagen die Schutzausrüstung und vor allem die Zeit zu Buche. In Bottrop winkten die Apotheker schon ab, in Dortmund warnt ein Sprecher vor „viel Bürokratie“. Und die begehrte Ware hat noch nicht einmal einen Preis.
Aufwand eines „Schnelltests“ ist für Arztpraxen größer
Die Zeit ist auch für Arztpraxen ein Faktor: „Wann sollen wir so viele Tests abnehmen?“, fragt eine Medizinische Fachangestellte in Mülheim. Schon denken sie bei ihrem Arbeitgeber an die Mittagspausen, vielleicht gar an den Samstag. Zumal, auch wenn er Schnelltest heißt: In der Bearbeitung ist er aufwändiger als der PCR-Test, der zur Ergebnis-Ermittlung an ein Labor geschickt wird. Der Schnelltest muss bearbeitet, geprüft, sein Resultat abgewartet werden. Und überhaupt muss man ihn auch hier erst einmal haben.
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Und dann: Muss der Bürger privat abrechnen, gibt es eine Pauschale, möglicherweise Gutscheine wie bei den Masken? Deren kostenlose Verteilung allein hat den Bund 2,5 Milliarden Euro gekostet, dabei gingen sie nur an etwa 35 Millionen Risikopatienten. Getestet werden aber sollen alle, das ist Teil der neuen Strategie. Die Bundesregierung rechnet mit 21 Millionen Euro für je eine Million Tests.
Private Testzentren würden gern helfen
Wer sicher dabei ist, sind die kommunalen Testzentren; manche waren zuletzt gar nicht mehr ausgelastet. Ob auch die privaten eingebunden werden, ist ebenfalls eine offene Frage. „Wir sind jederzeit bereit, um die Kooperation mit der Stadt einzugehen“, sagt Marcus Boxler, operativer Leiter der privaten Covid-Zentren, von denen eines im Dortmunder Konzerthaus Tests abnimmt. Durch die bestehende Infrastruktur, sagt Boxler, „können wir sämtlichen Umständen gerecht werden“.
Auch die Firma Med-San in Bottrop wäre gern eingebunden. Sie testet in den Räumen einer Tanzschule, man habe, sagt Betreiber Thomas Schulz, „die Räume, ein Hygienekonzept und das Knowhow“. Doch Informationen hat Schulz am Donnerstag noch keine. Ob er testen und mit Deutschland abrechnen darf: „Ganz ehrlich, ich weiß es nicht.“
Bekommen Lehrer nur noch einen Test in der Woche?
In den Schulen machen sich derweil auch die Lehrer Sorgen. Für die Lehrkräfte in NRW wäre die neue Teststrategie eine Verschlechterung: Sie hatten seit Wiedereröffnung der Schulen Anrecht auf zwei Tests pro Woche, vielerorts werden die von eigens geschulten Vorgesetzten durchgeführt. Nun aber soll es für Personal und Schüler nur noch einen kostenlosen Schnelltest pro Präsenzwoche geben. Für Kita-Kinder gilt das nicht. Bei Vertretern der Erzieher trifft das auf Unverständnis. Die Gewerkschaft „Verband Bildung und Erziehung“ (VBE) in NRW fordert eine flächendeckende Teststrategie, die alle am Kitaleben Beteiligten einbezieht und regelmäßige Testungen vorsieht. „Kinder spielen eine Rolle im Infektionsgeschehen“, sagt Kita-Fachfrau Barbara Nolte.
„Für Kinder alles andere als angenehm“
Kinderärzte sehen das allerdings anders. „Kinder sind keine Treiber der Pandemie“, sagt Axel Gerschlauer, Sprecher des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte im Land. Ausbrüche seien eher auf Erwachsene als auf die Kinder zurückzuführen. „Auch die neueren Schnelltests sind für so kleine Kinder alles andere als angenehm.“
Allerdings, was auch immer da kommt: Wattestäbchen, die gefühlt bis ins Gehirn reichen, sind unter den neu zugelassenen Schnelltests nicht mehr vertreten. Es reichen 2,5 Zentimeter, was bei einer kleinen Nase immer noch viel ist. Genehmigt und angeblich sicher sind aber auch Spuck- und Gurgeltests.