Ruhrgebiet. Corona macht erfinderisch: Getestet wird, wo gerade geschlossen ist, an originellen Orten. Im Restaurant, im Sportstudio – oder im Konzerthaus.

An der Abendkasse gibt es keine Karten, es gibt einen Code. An der Garderobe hängen keine Mäntel, sondern Masken. Und Niki, der freundliche Platzanweiser, bietet zwar einen Stuhl an, aber dann kommt er mit dem Wattestäbchen statt mit Wagner: Das Konzerthaus Dortmund ist jetzt Corona-Teststelle. Einer von vielen durchaus originellen Orten im Land.

„Niki, mach mal das Klavier an!“ Die Hausdame hat vom Empfang gerufen, Nikita Hlopotov regelt eben was hinter der Bar, und schon bewegen sich die Tasten des teuren Flügels im Foyer wie von Zauberhand. Ach, es gibt ja keine Künstler im Konzerthaus, die gerade spielen dürften, sie könnten auch Größeres als „Leise rieselt der Schnee“, immerhin passt das zum Wetter. In die Fenster hängen sie gerade frische Schilder: Geschlossen bis zum 7. März, das ist das Neueste.

Arzt: Das Konzerthaus ist „schöner als jede Klinik“

Dabei ist das Konzerthaus gar nicht zu, es kommen Menschen, nur nicht wegen der Musik: Sie wollen wissen, ob sie Corona haben. Der private Anbieter „CovidZentrum“ ist eingezogen, nach Hamburg, Bremen und Berlin nun auch in Dortmund. 30 Mitarbeiter hat er geschult, wie sie Wattestäbchen in Nasen schieben und darüber hinaus – Leute, die sonst Karten abreißen, Plätze anweisen und den Weg zur Bar. Nikita Hlopotov sagt auch zu den neuen Kunden immer freundlich „Bitte sehr“.

Sandra Angres ist Hausdame in Konzerthaus. Nun empfängt sie Menschen, die sich testen lassen wollen. Die Klaviermusik dazu kommt allerdings vom Band.
Sandra Angres ist Hausdame in Konzerthaus. Nun empfängt sie Menschen, die sich testen lassen wollen. Die Klaviermusik dazu kommt allerdings vom Band. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

In den Konzertsaal dürfen sie nicht, der Weg endet jetzt an der Garderobe. Auf den Tischen, über die freundliche Frauen sonst die Marken schieben, steht Desinfektionsmittel, wer hier ergeben den Kopf in den Nacken legt, blickt auf zu überlebensgroßen Musikern in Schwarz-Weiß. Davor hängt die „Checkliste Abstrich Prozess“, dahinter wartet ein Arzt auf frische Proben. „Hier ist es schöner“, sagt Johannes Middelkamp, „als in jeder Klinik.“

Endlich wieder eine Aufgabe

Allein, es fehlt die Freude. Diese Atmosphäre, wenn es voll wird an einem Konzertabend, „berauschend“, sagt Sandra Angres, als Hausdame zuständig für das Team, die Reinigung des Hauses und in normalen Zeiten für den Blumenschmuck. Auch Nikita Hlopotov, der 22-jährige Azubi, liebt dieses erwartungsvolle „Rauschen“ und dann die Stille, wenn drinnen das Konzert beginnt. Er sagt, er hat im Publikum Tränen gesehen, als sie wieder spielen durften, ein paar Tage nur zwischen erstem und zweitem Lockdown. Und jetzt kommen wieder viele, sagt Sandra Angres, die weinen. Menschen, die einen Test brauchen, weil sie reisen müssen: zu Angehörigen in einem anderen Land, die sterben oder schon gestorben sind. Am Empfang halten sich zwei Frauen aneinander fest.

Sandra Angres trägt einen grünen Kittel, Nikita hat das beigefarbene Jackett des Hauses getauscht mit einem weißen Einmal-Overall, auf dem Kopf trägt er eine blaue Haube. Sie sind ja froh, dass ihr Haus „überhaupt wieder geöffnet hat“, dass sie „wieder eine Aufgabe haben“, viele der 450-Euro-Kräfte saßen zuhause, können nun „etwas Sinnvolles tun“. Es sei dem Konzerthaus ein Anliegen gewesen, hat Raphael von Hoensbroech gesagt, der Intendant, „mit der Pandemie zu arbeiten, anstatt die Hände in den Schoß zu legen“. Die Tests könnten den Menschen „ermöglichen, ihre Eltern zu treffen oder zusammen zu musizieren“.

Tests im Museum, im Club oder im Düsseldorfer Restaurant

Fertig zum Testen: Nikita Hlopotov.
Fertig zum Testen: Nikita Hlopotov. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Oder zu essen oder zusammen Sport zu treiben oder überhaupt: einander nur zu sehen. Dazu passt, dass immer mehr Testzentren an originellen Orten öffnen, für die Bekämpfung eines Virus, wegen dessen sie geschlossen sind. In Bochum testen Fitnesstrainer im Drive-in bei WTC Sports, Deutschland angeblich größer Multisportanlage. In München im Deutschen Museum, in Frankfurt im Einkaufszentrum, in Nürnberg im Musikclub „Hirsch“, in Berlin, wo könnte das anders sein, in einem Fetisch-Club.

In Düsseldorf entstand ein Testzentrum im Szeneclub „Chateau Rikx“, ein weiteres in einem Restaurant. In der „Tonhalle“ gibt es im hinteren Bereich das Wattestäbchen, im vorderen Gutbürgerliches „to go“: Zweimal Schweinshaxe auf Sauerkraut und Püree kostet in etwa so viel wie ein PCR-Test, ohne Laborkosten.

Mit dem Opa ins Konzerthaus

In Dortmund verarztet Nikita Hlopotov gerade einen Möbelpacker. Der Mann spricht nicht viel, aber das kann er ja auch gerade nicht. Niki hat im Konzerthaus schon die „Jungen Wilden“ erlebt und Götz Alsmann, er sagt, die Musik sei „wundervoll“. Der Lehrling, der mit dem Nebenjob sein Gehalt aufbessert, ist schon als Kind hierhergekommen, mit den Großeltern: der Opa Kontrabassist, die Oma Klavierlehrerin. Jetzt sagt der 22-Jährige und zieht sein Visier herunter, sei er dankbar, mitzukämpfen „an der Front“: „Wer getestet wird, kann ja keinen mehr anstecken.“

>>INFO: PRIVATE TESTZENTREN

Das Ergebnis des Schnelltests bekommt der Kunde meist binnen 15, 20 Minuten auf sein Handy. Die Auswertung des PCR-Tests dauert in der Regel nicht länger als 24 Stunden. Ein Schnelltest kostet bei den meisten privaten Zentren etwa 30 bis 40, manchmal auch 50 Euro. Der noch zuverlässigere PCR-Test ist kaum teurer, hinzu kommen aber noch die Laborkosten, so dass der Kunde, je nach Anbieter, bei etwa 75 bis 100 Euro landet.

Tests, je nach Anbieter mit vorher vereinbartem Termin, u.a. unter www.covidzentrum.de (Dortmund), www.schnelltest-c19.de oder Corona-walk-in.de (Düsseldorf), Coronatest-nrw.de (Bochum), www.testzentrum-ruhr.de (Mülheim)...