Düsseldorf. Sonst entwirft er die Wagen des Düsseldorfer Rosenmontagszuges, nun hat Jacques Tilly das Ruhrgebiet gezeichnet. „Zum für an die Wand hängen.“

Er ist bekannt für seine scharfen Karikaturen, die als Großplastiken den Düsseldorfer Rosenmontagszug prägen und international sichtbar machen. Nun hat Jacques Tilly sich des Ruhrgebiets angenommen. Überraschend zahm: in Stadtporträts, die an Wimmelbilder für Lokalpatrioten erinnern.

Wie kann man den Rosenmontag retten?

Tilly: Tja, Rosenmontag im klassischen Sinne wird’s natürlich nicht geben. Der Zoch ist abgefahren. Aber ich finde, überhaupt nichts zu machen geht auch nicht. Satire ist ja keine Schönwetterveranstaltung, gerade in schlechten Zeiten wird sie besonders gebraucht. Vielleicht könnte man ein paar Mottowagen für die närrischen Tage im Stadtgebiet aufzustellen. So wollen es jedenfalls die Mainzer machen.

Was sind die komischen Seiten dieser Pandemie?

Der Karnevalswagenbauer Jacques Tilly mit seinen Figuren von Armin Laschent, Jens Spahn (und größtenteils verdeckt Friedrich Merz).
Der Karnevalswagenbauer Jacques Tilly mit seinen Figuren von Armin Laschent, Jens Spahn (und größtenteils verdeckt Friedrich Merz). © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

Das Virus an sich ist natürlich unwitzig. Es hat ja auch kein Gehirn, weshalb es ziemlich sinnentleert ist, über ein Virus Witze zu machen. Aber es ist natürlich erlaubt und geboten um die gesellschaftliche Reaktion herum Witze zu machen. Allein die Warnung vor Zwangsimpfung ist Ausdruck einer krankhaften Paranoia. Niemand plant eine Zwangsimpfung. Trotzdem krieg ich andauernd Mails, in denen das einfach behauptet wird. Die beballern mich geradezu, weil ich für die irgendwie ein Multiplikator bin. Es ist zum Glück nur eine Minderheit, aber sie ist lautstark und richtet großen Schaden an.

Haben Sie eine Lieblingsverschwörungstheorie?

Die Reptiloidentheorie von David Icke ist schon älter und hat nicht direkt was mit Corona zu tun – aber die Behauptung, dass Angela Merkel und andere in Wirklichkeit außerirdische Echsenwesen sind, ist so irrsinnig, dass ich den Mann wirklich lieb habe. Fast alle Verschwörungsthorien, wenn man sie zurückverfolgt, haben einen antisemitischen Hintergrund. Die Urform der Verschwörungstheorie ist ja der Ritualmord an Kindern durch Juden. Ein verwandtes Narrativ steckt auch in der aktuellen Verschwörungstheorie um QAnon, nach der Eliten Kinder wegen eines Blutbestandteils foltern. Es steckt sogar in der modernen Legende von den Chemtrails, nach der die Kondensstreifen von Flugzeugen angeblich gefügig machende Chemikalien seien: Wir werden vergiftet, von Brunnenvergiftern. Und die aktuellen Impfgegner stoßen in das gleiche Horn.

Sie haben das Ruhrgebiet gezeichnet in Wimmelbildern. Haben Sie dafür vor Ort recherchiert?

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Ja, ich musste mir selbst ein Bild machen. Meine Frau kommt aus Dortmund, da sind wir sehr häufig. Und ich hab ja in Essen studiert. Bochum war damals natürlich unser Amüsierviertel, Essen weniger. In Duisburg habe ich mir zum Beispiel den Innenhafen angeschaut. Und ich hab die Stadt kaum wiedererkannt, so viel ist dort in den letzten Jahrzehnten passiert. In jeder Stadt habe ich Leute gefragt, die sich auskennen und mir Tipps gaben. So wurde ich etwa auf das Exeterhaus in Bochum hingewiesen, das ist nach meiner Zeit dort entstanden.

Was ist Ihnen aufgefallen?

Dass die Städte wahnsinnig viel zu bieten haben, dass sie reich sind an positiver Identität und dass sie sich in ihrem Selbstverständnis manchmal unter Wert verkaufen. Natürlich habe ich nicht die Schattenseiten betont, die jede Stadt natürlich auch hat, beispielsweise die Fixer am Essener Hauptbahnhof. Und ich habe gelernt: Eine Stadt ist nicht nur eine Ansammlung von Gebäuden, Städte haben einen eigenen Charakter, eine eigene Biografie, genau wie wir Menschen. Ob die Leute es merken oder nicht, es ist auch charakterprägend, wo man auswächst. Der Ruhrpottmensch ist anders als der Düsseldorfer und beide wieder anders als der Kölner.

Woran machen Sie das fest zum Beispiel?

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An der Kommunikationswilligkeit. Rheinländer quasseln einfach lieber. Der Ruhrpottler ist auch offen, jovial und kumpelhaft, aber der Düsseldorfer redet einfach selber gerne und hört ungern zu. Das ist in Köln allerdings noch ausgeprägter. Der Düsseldorfer glaubt immer alles sofort zu wissen, der Ruhrpottler hat manchmal gar keine Meinung oder muss sie sich erst bilden. Im Ruhrgebiet geht es nicht um den Showeffekt, dort ist man zurückgenommener, nicht so egostark. Das hat auch was, finde ich. Und die Kleiderfrage ist im Ruhrgebiet echt zweitrangig, da ist es viel wichtiger, was für ein Mensch du bist. In Düsseldorf spielt die Kleiderordnung schon eine Rolle. Denn diese Stadt und ihre Menschen sind von der Adelskultur geprägt, auch wenn es ihnen nicht bewusst ist. Das Ruhrgebiet ist viel egalitärer. Wie in Düsseldorf seinen Reichtum zu zeigen bringt hier keinen Prestigegewinn. Das ist mir sehr sympatisch.

>> Hier gibt’s die Stadtportraits

Die Stadtportraits von Jacques Tilly gibt’s auf Leinwand oder Acryl in unserem Leserladen. Erhältlich sind Bochum, Dortmund, Essen und Gelsenkirchen in drei Größen – 60x40 cm, 90x60 cm, 120x80 cm – ab 69 Euro. Das Motiv Ruhrgebiet im XXL-Format 160x40cm gibt’s ab 199 Euro.