Bochum/Dortmund. Der Lockdown dauert immer länger. So meistern Amateursportvereine die Corona-Krise.

Kein Training, keine Wettkämpfe, kein Kontakt. Für die rund 18.000 Amateursportvereine in NRW ist der zweite Lockdown eine Herausforderung. Fehlende Einnahmen sind dabei nur ein Teil des Problems.

Jens Wichtermann kann die Situation in nur einem Satz auf den Punkt bringen. „Wir sitzen auf dem Trockenen“, sagt er. Was für einen Schwimmverein wie den SV Blau-Weiß Bochum weit weg vom Idealzustand ist. „Klar“, sagt Wichtermann, der Vorstand der Schwimmabteilung ist, „man kann sich zu Hause fit halten.“ Schwimmen aber können die mehr als 6500 Mitglieder ohne Becken nicht.

Der Tagesablauf ändert sich ohne Training komplett

Für alle, die den Sprung ins kühle Nass als Freizeitaktivität sehen, ist das ärgerlich, für die 150 Leistungsschwimmer ist es viel mehr. „Da fallen bei manchen zwanzig Stunden Training die Woche weg. Das verändert den normalen Tagesablauf komplett.“

Auch finanziell machen sich die Corona-Monate mittlerweile bemerkbar. Mit den ausgefallenen großen Wettkämpfen in diesem Jahr sind die Startgelder der Teilnehmer weggefallen. Schwimmkurse hat es auch so gut wie nicht gegeben. „Allein dadurch“, rechnet Wichtermann kurz zusammen, „fehlt uns ein hoher fünfstelliger Betrag.“ Folge: „Wir haben den Gürtel enger geschnallt.“

Vorsitzende überzeugt: „Wir werden das überstehen“

Sorgen aber macht sich Wichtermann bisher nicht. „Wir werden auch den zweiten Lockdown überstehen“, sagt er. Vor allem weil die Jahresbeiträge der Mitglieder weiter fließen. „Es gibt so gut wie keine Austritte.“

Auch die Leichtathleten müssen derzeit pausieren
Auch die Leichtathleten müssen derzeit pausieren © Marco Kneise | Marco Kneise



Da sind die Bochumer Schwimmer keine Ausnahme. „Es zeichnet sich nicht ab, dass die Mitgliederzahlen der Sportvereine wegen Corona sinken“, sagt Frank-Michael Rall, Sprecher des Landessportbundes NRW. Im Gegenteil: „Die Leute halten ihrem Club die Treue.“ Das reicht oft, es reicht aber nicht immer. „
Vereine, für die Zuschauer wichtig sind, könnten mehr Probleme bekommen als andere
.“

Haben sie schon, wie Frank Fligge, zweiter Vorsitzender des ASC 09 Dortmund bestätigt. Acht Abteilungen hat der Verein im Süden der Stadt, allein im Handball gibt es 17 Mannschaften, im Fußball kicken 20 Teams, viele davon treten in den höheren Amateurklassen an.

Einnahmen brechen weg

Die 1. Herren etwa spielt in der Oberliga. Da kommen pro Heimspiel schnell mal Umsätze von 5000 Euro aus Eintritt und Catering zusammen. Bei Begegnungen gegen Traditionsmannschaften wie die Sportfreunde Siegen oder Westfalia Herne kann sich die Summe auch schon mal verdoppeln.



Ganz zu schweigen vom „Hecker Cup“, dem großen Vorbereitungsturnier, das jedes Jahr im Sommer stattfindet und innerhalb von zwei Wochen bis zu 15.000 Besucher lockt, 2020 aber Corona zum Opfer gefallen ist. „Das hat uns richtig Geld gekostet.“ Zum Glück sei von den Sponsoren des Vereins bisher trotzdem keiner abgesprungen.

„Man hat uns nicht im Regen stehen lassen“

Aber auch bei den Handball-Frauen (3. Liga) oder an Spieltagen der Jugendmannschaften sind die Hallen gut besucht, gehen Waffeln und Kaffee über die Verkaufstresen. „Das alles gibt es zur Zeit nicht“, sagt der 2. Vorsitzende. „Natürlich merken wir das alles in der Kasse.“ Immerhin, solange der Spielbetrieb ruht, sind auch die Kosten geringer. „Schlimmer als nicht spielen zu dürfen“, sagt Fligge dann auch, „wäre es, ohne Zuschauer spielen zu müssen.“



Trotz allem bleiben die Verantwortlichen beim ASC gelassen. „Wir kommen klar“, ist Fligge überzeugt. Vor allem, weil es seit Beginn der Pandemie die – vor kurzem noch einmal verlängerte – „Soforthilfe Sport“ gegeben hat, die 60 Prozent des Netto-Einnahmeausfalls erstattet. „Man hat uns nicht im Regen stehen lassen.“

„Man merkt, wie die Anbindung an den Verein schwindet“

Kein Ball rollt in diesem Jahr mehr im Amateurfußball
Kein Ball rollt in diesem Jahr mehr im Amateurfußball © FUNKE Foto Services | Barbara Zabka



Viel mehr Kopfzerbrechen als die finanzielle Lage macht den Vorsitzenden in Dortmund und Bochum dann auch etwas ganz anderes. „Es findet praktisch kein Vereinsleben mehr statt“, hat Wichtermann festgestellt und sieht
ganz neue Aufgaben
auf die Vereine zukommen. „Wir müssen den Leuten Hoffnung geben für die Zeit nach Corona.“ Zum Glück wird das vereinseigene Schwimmbad derzeit aufwendig renoviert und soll nächstes Jahr wieder eröffnen. „Das ist etwas, worauf unsere Mitglieder sich freuen.“

„Man merkt, wie die Anbindung an den Verein schwindet“, bestätigt Fligge die Eindrücke aus Bochum. Und er weiß auch, warum das in Dortmund so ist. „Das Bierchen nach dem Training in der Kabine, am Wochenende mal zusammen weggehen – alles was zum Vereinsleben gehört, geht derzeit nicht.“

Nachwuchswerbung ist derzeit unmöglich

Genau wie die Nachwuchswerbung, für die der ASC in normalen Zeiten zwei Bufdis losschickt, die Sport-AGs in Kindergärten und Grundschulen veranstalten. „Sollte der Lockdown länger dauern“, sagt Fligge, „fürchte ich, dass sich die Jugend ein Stück weit vom Sport verabschiedet.“