Essen. Immer mehr Arztpraxen bieten Antigen-Schnelltests an, um eine Corona-Infektion zu entdecken. Lässt sich so das gemeinsame Weihnachtsfest retten?
Die Kinder kommen vom Studienort nach Hause, Großeltern wollen die Enkel mal wieder sehen. Das Gesetz erlaubt zu Weihnachten Treffen mit bis zu zehn Personen. Mediziner warnen trotzdem vor Ansteckungen mit SARS-CoV-2. Mittlerweile raten viele von ihnen zu den relativ neuen Antigen-Schnelltests, um das Fest ein wenig sicherer zu machen. Aber geht das wirklich?
Mittlerweile über 200 Tests auf dem Markt
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Lange Zeit galten Antigen-Tests als zweite Wahl. Sie reichten der Bundesregierung nicht, um aus der Quarantäne für Reiserückkehrer zu kommen und auch viele Experten waren skeptisch. Zu unsicher seien dieses Tests, bei denen der Abstrich nach Eiweiß-Fragmenten des Virus durchsucht wird. Mittlerweile allerdings liegt die Sensitivität – also die Wahrscheinlichkeit, dass ein Infizierter auch als solcher erkannt wird – bei vielen der mittlerweile über 200 in Deutschland erhältlichen Antigen-Tests zwischen 96 und 98 Prozent. Was nicht weit weg zu sein scheint von den 99 Prozent, die ein PCR-Test hat, bei Masseneinsätzen aber immer noch viel ist.
Dafür haben die Antigen-Schnelltests einen großen Vorteil. Sie müssen nicht erst in ein Labor, sondern liefern – ähnlich wie ein Schwangerschaftstest – schon nach 15 bis 20 Minuten ein Ergebnis. Beim PCR-Test kann es derzeit schon mal ein paar Tage dauern, bis man erfährt, ob man positiv oder negativ ist. „Das können Tage sein, die entscheidend sind“, sagt Stephan von Lackum, Hausarzt und Mülheimer Vertreter der Kassenärztlichen Vereinigung (KV). Denn wer symptomlos sei, laufe oft noch herum und könne so andere anstecken.
„Die Nachfrage ist gewaltig“
Von Lackum ist einer von 40 Mülheimer Ärzten, die die Antigen-Tests derzeit für Patienten anbieten. „Das Interesse steigt stetig“, sagt der Mediziner. „Die Nachfrage ist gewaltig“, bestätigt Richard Ammer, Geschäftsführer des Pharma-Unternehmens Medice in Iserlohn, „wir machen keine Werbung, bekommen aber viele Aufträge von Heimen, Praxen, Sportvereinen, Firmen.“
Ein Ende des Booms ist nicht in Sicht. „Es gibt immer mehr Patienten, die einen Termin kurz vor Weihnachten machen, um die ganze Familie zu testen“, weiß von Lackum. Das müsse auch langfristig geplant werden. Arne Meinshausen, Facharzt für Allgemeinmedizin und Geschäftsführer der Ärztlichen Qualitätsgemeinschaft Witten (ÄQW) nutzt die Tests bereits seit Wochen. Eine Testung kurz vor den Feiertagen hält er „für sinnvoll“. Man könne unbesorgter feiern, wenn alle Ergebnisse negativ seien, glaubt er.
Test ist nur eine „Momentaufnahme“
Ulf Dittmer, Leiter der Virologie der Essener Uniklinik, verwendet die Antigentests ebenfalls, ist bei symptomlosen Patienten aber skeptisch: „Solche Personen haben vermutlich eine geringe Viruslast, was schwierig für die Diagnose mit dem Antigen-Test ist. Es könnte hier zu falsch negativen Ergebnissen kommen. Ob solche Personen das Virus aber überhaupt übertragen, wissen wir nicht genau.“
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Auch für Meinshausen und von Lackum ist der Antigen-Test kein Freifahrtschein. „Eine Momentaufnahme“, nennt ihn der Wittener Arzt. „Aber das ist der PCR-Test auch.“ Und sein Mülheimer Kollege weist noch einmal darauf hin, dass eine Infektion ja nicht sofort erkennbar sei. „Am besten gehen sie vier, fünf Tage vor dem Abstrich in freiwillige Quarantäne“, rät er den Patienten, die bei ihm anrufen.
Preise schwanken stark – „man sollte niemanden abzocken“
Ein negatives Ergebnis nach so einer Quarantäne gebe „für 24 Stunden eine hohe Sicherheit“, bestätigt Alexander S. Kekulé. Der Professor für Medizinische Mikrobiologie und Virologie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg plädiert schon lange für die Schnelltests. Wenn sie in der Breite in der Masse verwendet würden, „dann ist das immer noch besser als nicht zu testen“. Gerade für kleinere Veranstaltungen müsse das so schnell wie möglich zugelassen werden. „Mit Antigen-Tests für jedermann kann man sehr, sehr viele Situationen retten und viele mehr Normalität schaffen“, hat er jüngst der Neuen Osnabrücker Zeitung gesagt.
Zahlen allerdings müssen die Patienten die Normalität selber. Die Preise schwanken stark. Von Lackum nimmt 57 Euro pro Abstrich, testet aber auch ihm fremde Patienten. Meinshausen verlangt nur 30 Euro, nimmt aber für die Tests nur eigene Patienten. In anderen Praxen werden 100 Euro für den Test fällig. Verboten ist das nicht, aber Meinshausen sagt: „Man sollte niemanden abzocken.“