Ruhrgebiet/Velbert. Vieles deutet darauf hin, dass die Spendensumme in Deutschland im Coronajahr größer geworden ist. Aber entscheidend wird sein, was jetzt kommt.

Ein Verkehrs-Chaos wie in den letzten Jahren würde es diesmal nicht geben, dachten sie sich so. Hatten sie nicht den ungeeigneten Ort verlegt, an dem die Menschen ihre Spenden für Rumänien abgeben würden? Hatten sie nicht sogar den Hof einer Spedition dafür gewählt? Hatten sie. Und dann? Naja, der Stau der Spender schafft es ins Radio. „Es wird einem nicht leicht gemacht, Gutes zu tun“, sagt das entspannte Ehepaar Uerlich nach anderthalb Stunden Wartezeit.

Die Bilder aus Velbert von Mitte November haben alle überrascht: An einem Samstagvormittag bringen Spender Spielzeug und Lebensmittel; Fahrräder und Kleidung bringen sie. Zwei Lkw, wie geplant, reichen nicht, sie brauchen drei. 40-Tonner, versteht sich. Das Beispiel ist extrem, aber die Tendenz steht: Die Spendenbereitschaft der Menschen ist von Corona gänzlich unbeeindruckt, in der Summe ist sie sogar größer als zuvor.

Spendenradar zeigt aktuell ein Plus von zwei Prozent an

Roland Roller stapelt Anfang November im „Friedensdorf Oberhausen“ in Dinslaken Pakete mit Lebensmitteln für Menschen in Tadschikistan.
Roland Roller stapelt Anfang November im „Friedensdorf Oberhausen“ in Dinslaken Pakete mit Lebensmitteln für Menschen in Tadschikistan. © FUNKE FotoServices | Kerstin Bögeholz

So zeigt der „Spendenradar“ der Deutschen Gesellschaft für Konsumforschung aktuell ein Plus von zwei Prozent an, verglichen mit 2019. Das „Deutsche Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI)“ vermeldete im Oktober nach einer Umfrage, bei großen Organisationen habe es im ersten Halbjahr ein Plus von 11,6 Prozent Prozent gegeben. Und die größte Hilfsorganisation im Ruhrgebiet, die Kindernothilfe mit Sitz in Duisburg , meldet nach zehn Monaten von 2020 ein vierprozentiges Plus an Privatspenden.

Ehrlich gesagt: Hätte man nicht erwartet in einem Seuchenjahr. Aber Hilfsorganisationen haben durchaus die langjährige Erfahrung gemacht, dass Spenden-Aufkommen etwas Statisches hat. „Die Spendenbereitschaft bleibt stabil, auch wenn es den Menschen in Deutschland selbst nicht so gut geht“, heißt es bei ihnen.

Ganz neuartige Spendenempfänger: Gastwirte und Einzelhändler

Und das DZI kennt Fälle älterer Menschen, die sich mit Spenden aller Art bedanken für die Rücksicht, die im Seuchenjahr auf sie genommen wird. Dazu gebe es „ganz neuartige Spendenempfänger“, wo niemand zusammenzählt, was sie vor allem im Frühjahr bekommen haben: „Stammkunden ließen Gaststätten, Cafés oder Einzelhandelsgeschäften Spenden zukommen, um ihnen Sympathie und Unterstützung zu bekunden.“ Eine sympathische Dunkelziffer.

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Bei kleineren Organisationen ist das Zwischenfazit gemischt. Da ist die Paketaktion in Gelsenkirchen, wo für den Kaukasus „erstaunliche Mengen Lebensmittel“ verpackt worden sind. Da ist die Aktion „Bewegen hilft“ in Moers, für die 2020 ein Rekordjahr gewesen ist: Das Geld geht nun überwiegend an Tafeln, an Kinder- und Behinderteneinrichtungen. Und in Sprockhövel sagt Dorothea Lippe, ebenfalls Organisatorin einer Paket-Aktion: „Es ist wirklich überwältigend, dass wir trotz der Corona-Pandemie 310 Pakete packen können“ – üblicherweise sind es um die 200.

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Aber es gibt auch die anderen, die ihr Engagement zurückfahren, die mit weniger auskommen müssen. Betroffen sind alle, die am Tropf großer, mit Coronafolgen ringender Unternehmen hängen. Und die, die von Benefiz-Veranstaltungen leben, davon, dass Menschen zusammenkommen. Einbußen gibt es bei allen, die ihr Geld mit Galas, Tombolas oder Spendenläufen beschaffen.

„Offen ist, wie sich der kleine Lockdown auf das Spendenverhalten auswirkt“

Die Schülerschaft des Gymnasium Aspel in Rees packt für sozial benachteiligte Kinder Weihnachtspäckchen.
Die Schülerschaft des Gymnasium Aspel in Rees packt für sozial benachteiligte Kinder Weihnachtspäckchen. © FUNKE Foto Services | Judith Michaelis

Beispiel? Der gemeinnützige Verein „Ambotioniert“ in Bottrop verzeichnet Rückgänge, weil er traditionelle Sammelveranstaltungen wie das gemeinsame Geschenkepacken, die Weihnachtsfeier oder das Wohltätigkeitsessen ausfallen lassen muss. Auch beim Duisburger Verein „Immersatt“, der Schulbrote schmiert und Kindern Mittag kocht, spricht die Vorsitzende Nicole Elshoff von „Zeiten, in denen weniger Spenden kommen“. Und ins Internet kommt nicht jeder mit: Der typische Spender ist älter.

Doch die Tendenz scheint positiv. Freilich soll man ein Spendenjahr nicht vor dem Dezember loben: Die nächsten vier Woche entscheiden. „Offen ist, wie sich der kleine Lockdown auf das Spendenverhalten auswirkt“, sagt Angelika Böhling von der Kindernothilfe: „Werden die Leute vielleicht doch mehr Angst bekommen, dass Corona sich auf ihr Einkommen auswirkt?“ Am heutigen Donnerstag wird die Dachorganisation „Deutscher Spendenrat“ in Berlin ihre „Tendenzen und Prognosen 2020“ veröffentlichen. Ende gut, alles gut.