Düsseldorf. Immer rabiater gehen Banden gegen Geldautomaten vor. So heftig sind die Sprengungen, dass es für Banken schwierig wird, Aufstellplätze zu mieten.
Sie kommen in schweren Limousinen spät in der Nacht oder den frühen Stunden des Morgens, manchmal ist auch jemand mit dem Motorrad dabei. Gerne geht es in Städte an den Niederrhein, immer wieder aber auch ins Ruhrgebiet oder an den Rand des Sauerlandes. Kurz darauf knallt es . Immer lauter, immer heftiger. „Es ist fast schon ein Wunder, dass noch keine Unbeteiligten ernsthaft verletzt wurden“, sagt Landeskriminalamts-Sprecher Faßbender.
Die Täter sind schwierig einzugrenzen. Nach Erkenntnissen der niederländischen und deutschen Ermittler gibt es nämlich nicht nur eine Bande. „Man muss sich das als fluides Netzwerk vorstellen“, sagt Thomas Jungbluth, Leitender Kriminaldirektor beim Landeskriminalamt (LKA) in Düsseldorf und spricht von einer „Gruppe wechselnder Männer zwischen 18 und 35 Jahren“. Geschätzt Es soll es sich um rund 300 niederländische Täter mit überwiegend marokkanischer Herkunft handeln, die vor allem aus den Städten Utrecht und Amsterdam kommen.
Ermittlungskommission „Heat“ gelingen immer wieder Festnahmen
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Begonnen haben sie mit ihren Taten schon vor Jahren in der Heimat. Weil die Niederländer allerdings immer öfter mit Karte statt mit Bargeld zahlen, ist die Zahl der Geldautomaten dort stetig gesunken. Und wo es noch welche gibt, sind sie sehr gut gesichert. Immer öfter weichen die Sprenger deshalb ins Ausland aus. In NRW haben sie da fast schon die Qual der Wahl. Allein zwischen Rhein und Weser gibt es derzeit noch 11000 Geldautomaten – mehr als in ganz Holland.
Dennoch ging die Zahl der Sprengungen im vergangenen Jahr auch in Deutschland zunächst zurück. Zum einen, weil der 2015 gegründeten Ermittlungskommission „Heat“ zahlreiche Festnahmen gelungen waren, zum anderen auch, auch weil die Automaten immer besser geschützt werden. So machen etwa moderne Lüftungsanlagen eine Sprengung mit eingeleitetem Gas – lange Zeit die beliebteste Methode der Ganoven - mittlerweile fast unmöglich. Und spezielle Patronen färben die Geldscheine bei einem Aufbruchsversuch farbig ein. Immer öfter mussten die Täter ohne Beute das Weite suchen.
Markt für eingefärbte Geldscheine in Osteuropa
Doch all das kann die Automatensprenger in diesem Jahr offenbar nicht abhalten. Wurden 2019 nach Angaben des LKA 104 Fälle registriert, darunter 53 Versuche, registriert, sind es in diesem Jahr bisher bereits 169. Farbpatronen stören sie dabei kaum noch. Denn mittlerweile gibt es in Osteuropa einen schwarzen Markt für eingefärbte Geldscheine.
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Und auch auf die stärker gesicherten Automaten haben die Banden reagiert, setzen statt Gas selbst zusammengemischten Sprengstoff ein. Schon bei 68 der 169 Attacken war das in diesem Jahr so. Gefährlich sei beides, sagt Jungbluth. „Aber Sprengstoff ist in unseren Augen eine Steigerung.“ Hinzu kommt, dass in jüngster Zeit verstärkt – bisher 41 Mal in diesem Jahr - freistehende Automaten etwa in Baumärkten, Tankstellen oder auf Parkplätzen angegriffen würden. Solche Geräte sind nur in sich gesichert und werden nicht zusätzlich durch ein weiteres Behältnis oder eine Umbauung geschützt.
Kollateralschäden werden immer größer
Das rabiate Vorgehen ist immer öfter mit hohen Kollateralschäden an Gebäuden verbunden. Jüngst erst gab es in Bonn eine Attacke mit Sprengstoff auf einen Automaten in der Außenfassade eines Hauses, in dem sich auch Wohnungen befinden. „Der Schaden war enorm, zwei eine Personen wurden zum Glück nur leicht verletzt“, schreiben die Ermittler
Inzwischen bekommen auch die Geldinstitute selbst die Folgen dieser Entwicklung zu spüren. In Dhünn, einem Ort bei Wermelskirchen etwa wird es ab 1. November keinen Geldautomaten mehr geben. Der Mietvertrag für den alten Standort ist ausgelaufen, einen neuen Platz konnte die Sparkasse nicht finden – kein Haus- oder Ladenbesitzer will das Risiko eingehen. Nun richtet die Sparkasse einen Bargeld-Bringdienst ein.
Hundertprozentige Sicherheit wird es nie geben
Ob das ein Einzelfall ist, vermag man beim Rheinischen Sparkassen- und Giroverband nicht zu sagen. „Dazu haben wir keinen Überblick“, heißt es auf Anfrage. Branchenkenner erwarten allerdings über kurz oder lang ähnliche Probleme in Stadtteilen oder Ortschaften, in denen Banken und Sparkassen über keine eigenen Immobilien mehr verfügen .
„Eine hundertprozentige Sicherheit für Geldautomaten wird es nie geben“, will Volker Willner, Sprecher des Sparkassenverbandes Westfalen-Lippe potenziellen Vermietern von Stellplätzen nichts vormachen. Bleibt also nur die Hoffnung, dass auch die Menschen im Land künftig verstärkt auf Kartenzahlung setzen. Doch da ist man bei beiden Verbänden eher skeptisch. „Die Deutschen“, weiß Willner aus mehreren Umfragen, „hängen sehr am Bargeld.“