Jülich. Forscher haben simuliert, wie viel Shutdown nötig ist, um die Pandemie zu kontrollieren: Wir brauchen weitere Lockdowns – oder Dauermaßnahmen.

Genügt der vierwöchige „Lockdown Light“ im November, um eine dritte, noch deutlich stärkere Covid-19-Welle im Winter zu vermeiden? Das Forschungszentrum Jülich hat verschiedene Szenarien simuliert und kommt zum Schluss: Nein – wenn Ende November alle Maßnahmen aufgehoben würden, reichte dieser Lockdown wohl nicht aus, um gut über den Winter zu kommen. Sprich: um Grundaktivitäten aufrecht erhalten und die Infektionswellen kontrollieren zu können. Die Alternativen wären weitere „Wellenbrecher“-Lockdowns – mindestens zwei zusätzliche Wochen – oder aber „softe“ dauerhafte Maßnahmen zur Kontaktreduzierung.

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Die Forscher haben sich nicht mit der Wirksamkeit einzelner Maßnahmen befasst. Denn diese kamen meist im Paket, was man statistisch kaum auseinanderklamüsern kann. Als Grundlage haben Jan Fuhrmann vom „Jülich Supercomputing Centre“ und Maria Barbarossa vom „Frankfurt Institute for Advanced Studies“ die „Kontaktrate“ des Spätsommers gewählt. Dann haben sie simuliert, wie sich Neuinfektionen und Intensivbetten-Belegung entwickeln würden, wenn man diese Kontaktrate durch verschieden harte Lockdowns drücken würde. In ihren Annahmen würde ein „Soft“-Shutdown die Kontaktrate auf etwa ein Drittel (35%) des Sommer-Niveaus bringen, ein „starker“ auf ein Viertel und ein strenger auf 15%. Den derzeit laufenden „Lockdown Light“ stufen sie zwischen „soft“ und „stark“ ein.

1. Szenario: Vier Wochen Shutdown im November

Ohne einen Shutdown im November würden die Neuinfektionen im Januar bei über 100.000 im Sieben-Tages-Mittel liegen, wobei die Berechnungen auch hier von einem geringeren Kontaktniveau (60%) als im Sommer ausgehen. Zeitweilig, mit Spitze im Januar, wären bis zu 35.000 Intensivbetten erforderlich. Zum Vergleich: Aktuell sind rund 3000 Covid-19-Patienten in intensivmedizinischer Behandlung (Stand 9. November). Knapp 9000 Betten sind frei, doch nur 500 davon sind mit ECMO-Beatmungstechnik ausgestattet, 12.400 Betten gelten als Notfallreserve.

Doch auch der aktuelle vierwöchige Shutdown im November in seiner jetzigen Ausgestaltung reicht demnach alleine nicht aus, um einen zeitweiligen Anstieg der Intensivpatienten auf über 20.000 im Februar und März 2021 zu verhindern. Die täglichen Neuinfektionen würden auf etwa 60.000 steigen. Knapp unter diesen Marken würde man nur mit einem „strengen“ Shutdown bleiben (wenn also die Kontaktrate im November noch weiter heruntergefahren würde). Ein Ausklingen der Zahlen wird in beiden Fällen erst für Ende Mai 2021 vorausgesagt.

2. Szenario: Ein zusätzlicher zweiwöchiger Shutdown

Mit einem zusätzlichen zweiwöchigen Shutdown (etwa im Januar) könnte die Zahl der erforderlichen Intensivbetten auch im softesten Fall auf unter 20.000 reduziert werden. Fällt mindestens der zweite Wellenbrecher „stark“ aus, wären Belegungszahlen unter 15.000 möglich mit einem Höhepunkt im März/April. Unter 10.000 fällt die Zahl der Covid-Intensivpatienten aber auch bei stärkeren Maßnahmen nicht. Die Zahl der Neuinfektionen würde ab März 2021 ihren Höhepunkt erreichen, zwischen 30. und über 40.000.

3. Szenario: Zwei zusätzliche zweiwöchige Shutdowns

Im Fall dreier „Soft Shutdowns“ wird der Höhepunkt im Februar erwartet, mit einer Intensivbetten-Belegung von unter 15.000 und täglichen Neuinfektionen um 40.000. Fallen einige oder alle Sutdowns härter aus, würden laut der Simulation unter 10.000 Intensivbetten benötigt.

4. Szenario: Dauerhafte Maßnahmen

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Und was würde passieren, wenn allgemeine Maßnahmen oder die Disziplin der Bürger die Kontakte dauerhaft reduzieren würden um sagen wir ein Zehntel? Auch das haben die Forscher durchgerechnet. Dann könnte die Zahl der Intensivbetten selbst ohne Shutdown wohl auf unter 10.000 reduziert werden (wenn wir unsere Kontakte des Spätsommers halbieren). Ein softer Shutdown würde sie unter 5000 drücken - nach einem kurzen Ausbruch über diese Marke Anfang Dezember. Die täglichen Neuinfektionen würden in diesem Szenario maximal bei etwa 20.000 liegen.

„Unsere langfristigen Szenario-Modellierungen beanspruchen nicht, den realen Verlauf exakt vorherzusagen“, sagt Dr. Jan Fuhrmann „Wir betonen, dass die in den Simulationen vorhergesagten, teils sehr hohen Fallzahlen nur dann eintreten, wenn entsprechende weitere, zur Eindämmung notwendige Maßnahmen nicht getroffen werden. Das wären zum Beispiel lokal begrenzte Shutdown-Perioden, die in den Szenarien bisher nicht berücksichtigt werden.“

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