Oberhausen. Informieren, beruhigen, organisieren – bei den Hausärzten herrscht derzeit Hochbetrieb. Auch weil Tests wieder restriktiver vergeben werden.
„Die Leute drehen durch“, sagt Manuela Pörting. „Aber vielleicht würde ich’s auch machen.“ Es ist ja nicht so, als hätten die Medizinischen Fachangestellten des Hausarztes Achim Horstmann in Oberhausen kein Verständnis, dass manch ein Patient ihnen Geschichten erzählt. Dass plötzlich die Symptome wechseln oder ein Corona-Kontakt erinnert wird, wo gerade noch nichts war. An einen kostenlosen Test zu kommen, ist seit Dienstag nicht mehr so einfach, seit das Robert-Koch-Institut (RKI) seine Kriterien verschärft hat. Und wieder einmal müssen die Hausärzte all die Fragen und Sorgen ihrer Patienten auffangen. Was Zeit kostet. Was die Leute zusätzlich unzufrieden macht. Was die Praxis ans Limit führt.
Die von Achim Horstmann liegt am Volksgarten, eine ruhige, grüne Straße – doch am Freitagvormittag versuchen die Patienten eher erfolglos, sich die Klinke nicht in die Hand zu geben. Dabei hat Horstmann schon ein Wartezelt angebaut, um Abstand zu schaffen für seien 150 bis 200 Patienten pro Tag. Der Pavillon steht vor dem Eingang, auch der Garten hintenraus ist ausgelagertes Wartezimmer. Wer kann, setzt sich meist lieber ins eigene Auto, bis die Damen ihn auf- oder besser anrufen. Doch die eigentliche Herausforderung sind in diesen distanzierten Zeiten die unaufhörlich klingelnden Telefone.
An vorderster Front
„Da müssen wir warten, bis sich das Gesundheitsamt meldet.“
„Mit Erkältung kommen Sie bitte nicht vorbei.“
Und nein, es wäre auch nicht geraten, die Mutter im Altenheim zu besuchen. Aber das wissen fast alle inzwischen. Die meisten Anrufer wollen Tests oder warten gefühlt zu lange auf ihr Ergebnis. „Die Gesundheitsämter sind überlastet“, erklärt Dr. Achim Horstmann. Die Ergebnisse dauern einfach länger. Wir sind in Oberhausen aber noch vergleichsweise gut unterwegs.“ Man müsse die Patienten viel informieren, sie beruhigen und ja, auch „vom Baum holen. Und das viele Reden blockiert die Leitung zusätzlich. Es ist eine arge Belastung. Gerade die Hausärzte stehen an erster Front, um die Tests zu organisieren.“
Damit trifft Horstmann auch die Einschätzung des Hausärzteverbandes Westfalen-Lippe, der zufällig an diesem Freitag eine Plakataktion startet, um die „große Einsatzbereitschaft der Medizinischen Fachangestellten“ und der Versorgungsassistenten zu würdigen. Sie „arbeiten seit Monaten am Limit und bilden den Schutzwall, der unser Gesundheitssystem entlastet“, sagt die Vorsitzende Anke Richter-Scheer. „Zusätzlich zur großen Arbeitsbelastung bekommen sie am Empfangstresen unmittelbar die Unsicherheiten, die Ängste und oft auch den Frust der Patienten zu spüren.“
„Montags ist immer ganz schlimm. Am Freitag sind ja alle noch krank geschrieben“, sagt Valbone Ibishi. Aber montags fällt sie immer schon am frühen Abend ins Bett. Immer wieder muss sie erkältete Patienten überzeugen, nicht in die Praxis zu kommen, um einen Krankenschein abzuholen. Muss erklären, warum eine Schnupfnase nicht mehr ausreicht, um einen PCR-Test zu bekommen. Ein Schnelltests kostet Selbstzahler etwa 40 Euro, aber das sehen viele auch nicht ein. „Wir halten uns strikt an die Vorgaben des RKI. Wir versuchen, ihnen die Angst zu nehmen.“
Die fünf Fragen an den Patienten
Ob ein Test angezeigt ist, macht das RKI daran fest, wie das Risiko des Patienten und seines Umfeldes einzuschätzen ist, an seinen Symptomen und an der Infektionswahrscheinlichkeit, individuell und anhand des Pandemiegeschehens in der Region. Fünf Fragen empfiehlt das RKI den Ärzten und Helfern, um dies abzuklopfen:
- Gehört der Patient einer Risikogruppe an oder hat entsprechenden Kontakt?
- Haben Familienmitglieder regelmäßig Kontakt zu Risikogruppen? Ist beispielsweise ein Elternteil in der Altenpflege tätig?
- Gibt es ungeklärte akute Erkrankungen in der Familie?
- Hat der Patient an einer Großveranstaltung innerhalb der letzten ein bis zwei Wochen teilgenommen?
- Handelt es sich um Pflege- oder Betreuungspersonal oder gibt es anderweitig relevante Kontakte?
Aber ist das nicht schon eine Ferndiagnose, die die Damen so vornehmen?
„Nein, wir schreiben die Symptome auf und der Arzt entscheidet.“ Eine Vorauswahl kommt so dennoch zustande.
„Viele Patienten leiden auch unter der Unsicherheit, weil sie nicht mehr mit ihren anderen Beschwerden in die Praxis kommen“, sagt Ibishi. Und Manuela Pörting ergänzt: „Die Älteren sind viel cooler, es sind eher die Jüngeren, die fortbleiben.“
>> Info: Bei Erkältung freiwillig in die Isolation
Würde man bei allen üblicherweise anfallenden Erkältungen im Winter auf Covid-19 testen, wären die Kapazitäten fast schon mit den bis zu 1,5 Millionen kranken Kindern (bis 15 Jahre) pro Woche erschöpft. Darum sollen laut Robert-Koch-Institut bei einfachen Erkältungssymptomen nicht mehr automatisch Tests durchgeführt werden. Ándere Symptome wie Bronchitis, Atemnot, Fieber oder Lungenentzündung oder eine Störung des Geruchs- oder Geschmackssinns müssen dazukommen. Es gibt aber viele Ausnahmen für Risikogruppen und Menschen, die Kontakt mit solchen haben.
Wer Halsschmerzen oder Schnupfen hat, könnte natürlich trotzdem an Covid-19 erkrankt sein. Darum empfiehlt das RKI Betroffenen, in Regionen mit 7-Tage-Inzidenzen von mehr als 35 sich freiwillig für fünf Tage zu Hause zu isolieren - „soweit umsetzbar.“ Bevor man sich wieder unter Menschen begibt, solle man 48 Stunden symptomfrei sein.