Düsseldorf. Betrüger am Telefon erbeuteten in den letzten Jahren 39 Millionen Euro. Jetzt will die Polizei sie austricksen: mit Filtern und Fragen.
Die Betrugsmaschen „falscher Enkel“ und „falscher Polizist“ haben zwischen 2017 und 2019 einen Schaden von fast 40 Millionen Euro in NRW angerichtet. Im letzten Jahr wurden gut 28.000 solcher Anrufe polizeibekannt, 1036 davon kamen ans kriminelle Ziel, ganz überwiegend falsche Polizisten. Die Zahlen nannte das Landeskriminalamt am Freitag auf einer Tagung in Düsseldorf.
Dabei nahm der Polizisten-Trick 2019 stark zu auf 816 vollendete Fälle. Die Täter erbeuteten 12 Millionen Euro. Die NRW-Polizei startet eine Vorbeugungskampagne namens „Sicher im Alter“. Dazu kamen in Düsseldorf Vertreter von Präsidien zusammen, die bereits eigene Kampagnen fahren. „Das Einfachste ist ja, voneinander abzugucken“, sagte Innenminister Herbert Reul (CDU).
Ein Anrufer mit „netter junger Männerstimme“ fragt nach 40.000 Euro
Frau Baumann hat etwas geahnt. Spätestens, als ihr vermeintlicher Enkel mit der „netten jungen Männerstimme“ sie um 40.000 Euro bat, schoss ihr durch den Kopf: „Enkeltrick“. Zum Schein ging sie darauf ein, rief aber die Polizei, und um das abzukürzen: Der Mann wurde festgenommen, der das Geld abholen wollte. Was soll man dazu sagen? Großmutter-Trick?
„Wenn das immer so laufen würde, bräuchten wir diese Veranstaltung nicht“, sagt Innenminister Reul am Freitag. Da hat er Vertreter von Polizeipräsidien, von Wissenschaft und Seniorenverbänden ins Innenministerium eingeladen, um die neue Kampagne anzuschieben. Und tatsächlich testen Polizeien – über den Routine-Vortrag im Altenclub hinaus – längst neue Strategien, um den betrügerischen Anrufern das Mundwerk zu legen.
Telefonfilter kann unbekannte oder gefälschte Telefonnummern aussortieren
„Täter schocken, Anruf blocken“ ist so ein Test. Dabei ist in 100 Haushalten ein Telefonfilter eingebaut worden. Er arbeitet mit einer Liste vertrauenswürdiger Telefonnummern beispielsweise von Verwandten, Bekannten oder Ärzten, die immer durchkommen, sowie einer schwarzen Liste von Nummern, die nicht durchkommen: die 110 etwa oder die Kombination Ortsvorwahl/110, denn die Polizei ruft niemals unter 110 selbst an.
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Für unbekannte Anrufernummern konnten die Testteilnehmer verschiedene Optionen auswählen, von „Annehmen“ bis „Blockieren“ und dazwischen „Aufzeichnen“ oder „An Vertrauensperson weiterleiten“. Der bisher einmonatige Test ergab im Schnitt 3,7 unseriöse Anrufe pro Monat bei jedem. Das waren aber nicht alles Betrugsversuche, sondern etwa auch verbotene Telefonwerbung.
„Opa, ich hatte einen Unfall, mein Bein ist taub“
Damit arbeitet etwa die Kreispolizeibehörde Gütersloh – wie auch mit der „literarischen Kriminalprävention“. Sie entstammt der Einsicht, dass normale Polizeitexte, sagen wir, sehr sachlich sind. „Sie bieten in der Regel keine Emotion und kein Leseerlebnis“, sagt Kriminalhauptkommissar Marco Hein.
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Also haben sie sich Geschichten schreiben lassen, die dieselben Ratschläge transportieren, aber mit lebensechter Handlung und Drama. Wer einmal im Verlauf des Stücks hört, wie so ein Anrufer alte Menschen bedrängt, versteht sofort, unter welchen Druck sie kommen: „Opa, ich hatte einen Unfall, mein Bein ist taub . . . Ich kann Mama und Papa nicht erreichen . . . Meine Versichertenkarte ist weg, ich bekomme noch nicht einmal Schmerzmittel.“ Die Texte kann man hören und herunterladen bei www.guetersloh.polizei.nrw
Vorschlag: Gedächtnistrainer in die Prävention einbauen
Eine andere Idee ist, Gedächtnistrainer in die Vorbeugung einzubauen. „Es gibt 4500 professionelle Gedächtnistrainer in Deutschland, die erreichen unglaublich viele Menschen“, sagt Hein. Denn in der Kriminalprävention sei ein Problem, dass Menschen mit zunehmendem Alter oft abbauen: „Heute haben sie alles verstanden und sind geschützt, aber in zwei Jahren sind sie vielleicht nicht mehr geschützt.“
Noch ein letzter Punkt: der Geldübergabeumschlag. Oft scheitern Enkel- und Polizistenbetrüger heute ja daran, dass Mitarbeiter von Geldinstituten misstrauisch werden, wenn alte Leute hohe Summen abheben wollen. Aber nicht immer. „Es muss noch eine Barriere hinter dem Bankmitarbeiter geben.“
Und so geben einige Volksbanken und Sparkassen im Kreis Gütersloh hohe Summen heute nur noch in speziellen Umschlägen aus, auf denen Fragen stehen. Menschen, die ihr Geld gerade zu einem Unbekannten tragen, sollen sie tunlichst lesen und beantworten. „Wenn Sie mindestens zwei mit ,ja’ beantworten, handelt es sich um Betrug“, steht da.
Bestimmte Fragen sollen die angehenden Opfer zum Nachdenken bringen
Das sind Fragen wie: Hat ein Anrufer Sie aufgefordert, das Geld zu holen? Sollen Sie es an eine unbekannte Person übergeben? Sollen Sie es heute noch übergeben? Hat der Anrufer Ihnen verboten, in der Bank zu erzählen, wofür Sie das Geld brauchen? Noch einige mehr. „Wenn ein älterer Mensch dadurch den Betrug verhindert, hat das den psychologischen Vorteil, dass er das als eigene Leistung ansieht“, sagt Hein.
Generell gilt: Wer bei jedem Anruf zunächst den Anrufbeantworter anspringen lässt, ist auf der sicheren Seite. Das ist zwar gewöhnungsbedürftig für normale und vertraute Anrufer, aber unseriöse Anrufer kommen nicht ans Ziel: Denn Betrüger haben eine merkwürdige Scheu davor, dass ihre Stimme aufgezeichnet wird.