Bochum. In Bochums Privatbrauerei Moritz Fiege durfte die WAZ den Brauern über die Schulter gucken. So wird „echtes Pils“ gemacht!
Es passiert zwischen Läuterbottich und Gärtank, da kommt die Würze in den Whirlpool. Das klingt schon gut, das soll später auch gut schmecken, aber wenn jetzt schon der Kopf schwirrt, liegt es nicht am Alkohol: Bei Moritz Fiege in Bochum durfte die WAZ gucken, wie der Brauer Bier braut. Und riechen. Und hören. „Man kann hier vieles übers Gehör machen“, sagt Braumeister Holger Kittler.
Immer freitags kommt das Malz. Durch eine erstaunlich kleine metallene Luke zu Füßen des Sudhauses, 50 Tonnen in der Woche. Etwa 17 Kilo davon braucht der Brauer für einen Hektoliter Bier. Wobei Malz nicht gleich Malz ist: Es gibt das „Münchner“ für das Helle, das Röstmalz fürs Schwarzbier heißt „Carafa“, und viele andere. Bier macht man bloß aus vier Zutaten? Das klinge immer so „unvielfältig“, sagt Holger Kittler, zuständig für das Qualitätswesen, dabei gibt es, ach, von den Vier so viele Sorten...
Wenn die Maische nicht läuft, wo sie hin soll, klingelt das Handy
Es riecht schon nach Maische, aber man sieht sie nicht. Man sieht nur Diagramme und Zahlen und Pfeile auf den Bildschirmen von Martin Schoenfeld. Der ist „Bier-Sieder“ und überwacht, „ob die Maische dahin läuft, wohin sie soll“. Das ist natürlich hoffnungslos untertrieben; auf den Bildschirmen sieht der Bier-Sieder alles: wie das Malz geschrotet wird, mit Wasser vermengt, ob die Enzyme die richtige Temperatur haben und die Hefe zumal. Wenn nicht, klingelt ein Handy.
Mit einem Blick wie ein Tusch öffnet Schoenfeld nebenan den Läuterbottich, darin werden Flüssiges und Festes voneinander getrennt. Die Rückstände vom Malz, der sogenannte „Treber“, kommen in ein Silo, das aussieht wie ein überdimensionales Bierglas. Sie werden später als Viehfutter verwendet, die Kohlensäure, die beim Gärprozess entsteht, wird in einem Tank gespeichert und kann wiederverwendet werden: „Der Brauer“, sagt Holger Kittler, „wirft nichts weg.“
35 Tage lagert das „Grünbier“, dann ist es reif
Alle vier Stunden entsteht ein neuer Sud, in Gärtank ZKG01 gärt gerade Nr. 553-555, es wird ein Helles. In Gärtank ZKG06 (550-552) entsteht Pils, alleine die Gärung braucht sechs Tage. Martin Schoenfeld muss auf alles achten, vor allem auf das Thermometer. In der Würzepfanne wird die Würze mit dem Hopfen bei 100 Grad gekocht, bevor die Hefe dazukommt, wird auf zehn Grad gekühlt, das Bier ruht sieben Tage bei sieben Grad und weitere 28 bei null. Wenn nicht, schmeckt es „unreif“, der Brauer sagt: „grün“.
Sie geben ihrem Bier Zeit in Bochum, sie wollen im Familienbetrieb ein gutes, ein „richtiges Pils“ machen, eines mit Charakter. „Bei einem Bier mit Ecken und Kanten wird man Liebhaber“, weiß Holger Kittler, „– oder eben nicht.“ Bitterhopfen und Aromahopfen sind dafür natürlich wichtig, noch wichtiger aber ist die Hefe. Die vermehren sie bei Fiege selbst, aus einem Gramm wachsen binnen zwei Wochen 37 Hektoliter Flüssighefe.
„Die Hefe macht das Bier“
Kittler, 33, sagt, „sie entscheidet am Ende über den Geschmack“. Er sagt sogar, was seine Kollegen eigentlich nicht gern hören: „Die Brauer machen die Würze, die Hefe macht das Bier.“ Viele Menschen wissen das nicht, aus der Werbung kennen sie eher die Hopfen-Gärten und darin die Dolden. Hopfen ist hübscher, Hefe nicht so attraktiv für das Marketing. Aber wenn sie „schlecht drauf“ sei, gebe es kein gutes Bier.
Von Hopfen und Malz
Nun macht Herr Schoenfeld an seinem Schaltpult natürlich nicht alles allein, sie sind an die 60 Mitarbeiter bei Fiege, unter ihnen neun Brauer und fünf Azubis. Was sie tun, sagt Braumeister Kittler, sei „eine Mischung aus moderner Steuerung und traditionellem Handwerk. Und apropos Hand: 50 Prozent der Ausbildung sei „Saubermachen, Saubermachen, Saubermachen“, deshalb sei der Brauer zuhause ein gefragter Mann. Scherz. Es muss sein, Bier ist ein Lebensmittel, und sie haben sogar noch die alten Liegetanks, in die der Mitarbeiter noch heute durch eine kleine Luke hinein muss, die Füße voran. „Ab und zu“, sagt Kittler tatsächlich, „ist es auch mal schön, wieder in den Tank zu klettern.“
Azubi wechselte vom Stahlwerk in die Brauerei
Gerade putzt im Gärkeller der Azubi Robin Krabb, der vorher im Stahlwerk gearbeitet hat. Was am Bier besser ist? „Ein schöneres Produkt“, sagt er nach einigem Überlegen, und Luca Gründken, gerade fertiger Brauer, kann das Glücksgefühl erklären: „Wenn man das Produkt, das man selbst hergestellt hat, probiert und sieht, dass etwas Gutes daraus geworden ist.“ Natürlich kann man das sehen an der goldgelben Farbe, vor allem aber schmeckt man es.
Es steht dafür immer ein Glas im Lagerkeller, wo das Bier reift. Wenn Besucher hier sind, läuft dazu Grönemeyers „Bochum“ vom Band, aber es waren schon seit März keine Besucher mehr da. Es ist zu eng im alten Gebäude, Corona-Abstand auf den gewohnten Wegen unmöglich. Jetzt sind im Brauprozess die Maschinen zu hören, ein gleichmäßiges Motorengeräusch, zwischendurch ein ächzendes Öffnen der Ventile. „Wenn es still wäre, würde ich mir Sorgen machen“, sagt Holger Kittler.
In der Abfüllung: Waschmaschine, Bügelverschließer, Flascheninspektor
In der Abfüllung ganz oben ist es das allerdings nicht. „Es trommeln die Motoren, es dröhnt in meinen Ohren“, um bei Grönemeyer zu bleiben, noch mehr aber klirren die Flaschen. Zu Tausenden drängen sie sich auf den Bändern, leer und voll, hier stehen, sagt Kittler, „die teuersten Maschinen der Brauerei“ und die neuesten auch. Flaschenreinigungsmaschine, Füller, Bügelverschließer, Flascheninspektor, 15.000 Flaschen werden hier in der Stunde gefüllt, mit bis zu 700 Hektolitern am Tag.
Von hier oben kann man die Lkws sehen, die sie abholen aus dem Vollgutlager. Die grünen Kästen stehen wie Wände, die Gabelstapler jagen vorbei, Fässer warten in sieben Etagen. Jetzt ein Bier! Die echte Besucherführung, Braukultour genannt, wird irgendwann wieder mit einer Verkostung enden. Prost!