Ruhrgebiet. Fußball wird nun vor Publikum gespielt, andere Großveranstaltungen haben es schwer. Die Veranstalter wollen nicht schlechter behandelt werden.
Der Fußball darf, die Musik darbt. So mag es wirken, wenn Sport wieder vor größerem Publikum stattfinden darf in Stadien, nur einen Monat nachdem das erste große Stadionkonzert der Corona-Zeit platzte in Düsseldorf. Die Zahl der Neuinfektionen in NRW hat sich nicht wesentlich verändert. Doch die Veranstaltungsbranche schöpft auch zarte Hoffnung.
„Es ist ein positives Signal, man muss aber die Verhältnismäßigkeit betrachten“, kommentiert Tom Koperek die neuen Fußball-Regeln. Der Chef der Essener Agentur LK-AG ist einer der Organisatoren des Bündnisses „Alarmstufe Rot“, das mit Demos in ganz Deutschland für die Veranstaltungswirtschaft trommelt. „Auch die Sportarten, die Indoor stattfinden, dürfen veranstalten. Wie ist es dann mit Messen, Kongressen bis hin zu Konzerten? Für solche Veranstaltungen müsste eigentlich das Gleiche gelten wie für ein Basketballspiel in der Halle.“
Landesregierung stellte sich gegen Konzert in Düsseldorf
Tatsächlich liegen die Regeln für Sport und Kultur auf dem Papier gar nicht weit auseinander. In der Praxis scheinen unterschiedliche Maßstäbe angelegt zu werden. So genehmigte das Düsseldorfer Gesundheitsamt zwar das erwähnte Großkonzert mit 13.000 Zuschauern – das Hygienekonzept übererfüllte gar die Regeln der Corona-Schutzverordnung. Stars wie Bryan Adams und Sarah Connor sollten die Arena zu fast einem Viertel füllen. Doch dann stellte sich die Landesregierung dagegen. Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) drohte mit einer neuen Obergrenze für Veranstaltungen. Und so verschob Veranstalter Marek Lieberberg das Vorhaben – auf einen unbekannten Termin „im Spätherbst“.
Am Dienstag, recht genau einen Monat später, begründete Gesundheitsminister Laumann die neue Lockerung so: „Der Sport wurde in den letzten Monaten auf eine harte Probe gestellt. Allen ist bewusst, dass der Sport von seinen Zuschauern und der Stimmung in den Stadien lebt. Viele haben das schmerzlich vermisst.“ Es folgt eine Mahnung, den Infektionsschutz ernst zu nehmen – aber derartigen Trost hat die Konzertbranche noch nicht vernommen aus der Landesregierung.
Andreas Bialas, kulturpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, weiß warum: „Auch wenn ich selbst gern in die Oper gehe, muss ich zur Kenntnis nehmen, dass ganz viele wieder in die Stadien oder in die Restaurants wollen. Da liegt schon eine höhere Präferenz darauf. Natürlich reden wir auch über große Lobbyverbände und enorme finanzielle Interessen, die mehr Druck aufbauen können.“
„Es müssen gleiche Regeln gelten“
Bialas hält es für sinnvoll, „den gesamten Bereich Kultur daran zu koppeln, was im Sport möglich ist.“ Die Hygienekonzepte arbeiteten maßgeblich mit den Faktoren Platz, Personenzahl, Verhalten, Disziplin und Belüftung. „Da sehe ich keine großen Unterschiede zwischen Konzerten und Sport“, sagt Bialas. „Es müssen gleiche Regeln gelten.“
Andererseits gibt es immer Ungerechtigkeiten, schon weil viel experimentiert wird. Friseurtermine wurden erlaubt, die Fußpflege musste Wochen warten. Tom Koperek hätte es besser gefunden, wenn schon das Düsseldorfer Konzert hätte stattfinden können. Nun aber hofft er, dass die sechswöchigen Testphase im Sport positiv verläuft – mit einer Signalwirkung für seine Branche, die ja auch Messen, Kongresse und Firmenevents umfasst. Und mit Mut, Dinge auszuprobieren. „Der nächste Schritt muss sein, dass die Menschen ein Stück weit ihre Angst ablegen. Denn das kann man nicht verordnen.“
Es sind sind ja nicht nur die Genehmigungen. „Das Poblem ist die Wirtschaftlichkeit“, sagt Marcus Kalbitzer, der das Programm des Duisburger Traumzeitfestivals und der Essener Zeche Carl verantwortet und dem Rockförderverein Essen vorsteht. „Die Produktionskosten eines Fußballspiels und eines Konzerts – da liegen Lichtjahre dazwischen.“ Was bedeutet: 20 Prozent Auslastung genügen nicht, weder im Stadion noch im Kulturzentrum oder im Club. Selbst 50 Prozent seien eigentlich zu wenig. Auch Veranstalter Marek Lieberberg hatte betont, in Düsseldorf draufzuzahlen. Er wollte ein Signal setzen.
Eine Signalwirkung sieht Kalbitzer dennoch in den neuen Regeln. „Ich finde, alles, was Möglichkeiten schafft positiv.“ Für nicht relevant hält sie dagegen Stephan Benn, der für die „Live Initiative“ spricht, also für die Clubs und kleineren bis mittleren Spielstätten. „Wir haben schon jetzt die Möglichkeit, Veranstaltungen bis 300 Personen ohne ein eigenes Hygienekonzept zu machen. Darüber hinaus findet man ohnehin kaum Künstler, die in diesen Zeiten auf Tournee gehen.“
>> Info: Die Regeln für Sport und Kultur
Im Sport wie in der Kultur sind Veranstaltungen über 300 Personen nur mit „Hygiene- und Infektionsschutzkonzept“ möglich. Große Stadien und Hallen dürfen bis zu einem Fünftel gefüllt werden, kleinere zu einem Drittel – doch für jeden Austragungsort wird die zulässige Zahl individuell ermittelt.
Individuell werden auch Kulturkonzepte geprüft. So dürfen die „Ehrlich Brothers“ am 19. September vor 2500 (statt 8000) bemundschutzten Zuschauern im Düsseldorfer ISS Dome zaubern. Für „Musikfeste, Festivals und ähnliche Kulturveranstaltungen“ gilt in NRW eine Sonderregel. Sie sind bis zum Jahresende untersagt. Mindestens.