Düsseldorf. Neue Regeln im Vergaberecht sollen die lokale Wirtschaft fördern und Bauprojekte beschleunigen. Vor allem Ingenieure und Architekten profitieren.
Bei der Auftragsvergabe für Bauprojekte bekommen Städte und Kreise mehr Freiheiten. Insbesondere bei Leistungen von Ingenieuren und Architekten soll in der Praxis nicht mehr der günstigste Preis allein entscheiden. Aufträge bis 150.000 Euro können Kommunen künftig nach „sachgerechten Kriterien“ vergeben, wenn sie mindestens drei Bewerber angefragt haben (bis 214.000 Euro müssen drei schriftliche Angebote vorliegen). Dies können etwa Projekterfahrung oder Zeitvorgaben sein. Erst in einem zweiten Schritt soll über den Preis verhandelt werden.
Zudem werden Planungsaufträge, sogenannte „freiberufliche Leistungen“, bis 25.000 Euro nun direkt vergeben. Auch für Bauleistungen sowie Liefer- und Dienstleistungen sind Direktaufträge nun bis 15.000 Euro möglich. Bislang mussten Kommunen ab 5000 Euro ausschreiben. Eine entsprechende Reform hat das NRW-Bauministerium beschlossen, sie ist am 4. Juli in Kraft getreten. Ziel ist es, Verwaltungen in Corona-Zeiten zu entlasten und Bauprojekte zu beschleunigen.
Die Ingenieure sind zufrieden
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Heinrich Bökamp, Präsident der Ingenieurkammer-Bau NRW, hält die stärkere Berücksichtigung von Qualität im Preiswettbewerb für einen „Meilenstein“. Zwar sei es Städten auch zuvor möglich gewesen, zum Beispiel engere Zeitvorgaben gegen einen höheren Endpreis abzuwägen, um Baustellen zu beschleunigen. Doch viele Verwaltungen würden dies scheuen, weil sie sich dafür rechtfertigen müssten, hatte Bökamp erst vor wenigen Tagen im Interview mit dieser Zeitung erklärt. Nun werden sie vom Ministerium dazu angehalten.
„Davon profitieren gerade mittelständisch organisierte Ingenieurbüros in den Regionen, die ohne überzogenen bürokratischen Aufwand mit ihrer Befähigung und Qualifikation punkten können“, kommentiert Bökamp. Bei der zuvor geltenden Ausschreibungsgrenze von 5000 Euro hätten sich viele Büros gar nicht erst beworben. „Der mögliche Gewinn von vielleicht zehn Prozent des Auftragswertes wäre oft schon durch die Vorbereitung der Bewerbung draufgegangen“, erklärt Bökamp. „Städte hatten oft Probleme, überhaupt Bewerber zu finden. Die Reform dient aber auch dem Verbraucherschutz, wenn das beste und wirtschaftlichste und nicht das billigste Angebot den Zuschlag erhält.“
Hilfestellung für die lokale Wirtschaft
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Die Reform ist eine Reaktion nicht nur auf Corona, sondern auch auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes. Der hatte die geltenden Mindest- und Höchstsätze für Architekten und Ingenieure für unvereinbar mit dem EU-Recht erklärt und damit aus Sicht der Ingenieurkammer-Bau „Preisdumping“ ermöglicht, eine „Abwärtsspirale bei Preis und Qualität“. Die neuen Regeln bewegen sich alle unterhalb des Schwellenwertes, ab dem EU-Recht greift. Der liegt bei einem Auftragswert von etwa 214.000 Euro. Bei der Berechnung dieses Auftragswertes im Vorfeld einer Vergabe sollen Städte nun eine „ortsübliche Vergütung“ zugrunde legen – eine Neuerung, die der lokalen Wirtschaft helfen soll, aber auch zu höheren Kosten für Steuerzahler führen kann.