Essen. Der Essener Epidemiologe Prof. Andreas Stang berät die Landesregierung: Aktuelle Zahlen aus Gütersloh stimmen ihn optimistisch.

„Wir können in den nächsten Tagen Entwarnung geben“: Der Mann, der das mit Blick auf den Kreis Gütersloh sagt, ist Professor Andreas Stang. Der Chef-Epidemiologe der Uniklinik Essen berät die Landesregierung, und er ist optimistisch, dass der Lockdown dort spätestens in der nächsten Woche aufgehoben werden kann.

Die NRW-Landesregierung hatte Stang nach dem Covid-19-Ausbruch im Schlachtbetrieb Tönnies in Rheda-Wiedenbrück zur Beratung hinzugezogen. Stang wertet täglich die Covid-19-Infektionszahlen aus und hat hier speziell die Tagesgrenzwerte im Blick, die bei der Berechnung der Sieben-Tage-Inzidenz entscheidend sind.

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Liegt letztere bei mehr als 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner, muss die betroffene Stadt oder Kommune in den regionalen Lockdown. Darauf hatten sich Bund und Länder als Voraussetzung für die Lockerungen verständigt. Auf Grundlage der Zahlen hatte Ministerpräsident Armin Laschet am Montag den Lockdown im Kreis Warendorf aufgehoben und im Kreis Gütersloh um eine Woche verlängert.

Entscheidung wurde auf Grundlage des Infektionsgeschehens am Samstag getroffen

Prof. Andreas Stang ist Chef-Epidemiologe an der Uniklinik Essen und beriet die Landesregierung jüngst nach dem Covid-19-Ausbruch bei Tönnies in Rheda-Wiedenbrück.
Prof. Andreas Stang ist Chef-Epidemiologe an der Uniklinik Essen und beriet die Landesregierung jüngst nach dem Covid-19-Ausbruch bei Tönnies in Rheda-Wiedenbrück. © Martin Kaiser | MARTIN KAISER Medienzentrum

Die Entscheidung sei auf Grundlage der Infektionszahlen von Samstag getroffen worden, erklärt Stang: „Ohne die Tönnies-Fälle einzurechnen, hatten wir zu diesem Zeitpunkt einen leichten Anstieg der Neuerkrankungsfälle, aber immer noch deutlich unter dem Tagesgrenzwert im Kreis Gütersloh. Das hätte ein Warnsignal für einen größeren Ausbruch in der übrigen Bevölkerung sein können, deswegen hat die Landesregierung wissenschaftlich nachvollziehbar auf Nummer sicher gehandelt.“

Mittlerweile habe sich diese jedoch nicht bestätigt, im Gegenteil: „Mit den aktuellen Daten von Dienstag und Mittwoch zeigt sich, dass die Fälle weiter zurück gegangen sind“, sagte Stang. Im Kreis Warendorf habe sich diese Entwicklung schon früher abgezeichnet. Auch aus diesem Grund seien die vergleichsweise strengen Maßnahmen dort bereits wieder gelockert worden.

Ausbruch bei Tönnies könnte auch für künftige Corona-Hotspots hilfreich sein

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Stang lobte die Zusammenarbeit mit den Behörden vor Ort: „Die Besonderheit ist, dass wir wissen, welche Infizierten einen Bezug zur Firma Tönnies haben und welche nicht. Dadurch lassen sich Neuinfektionen und auch die notwendigen Maßnahmen viel differenzierter betrachten.“

Das könne auch für künftige Corona-Hotspots hilfreich sein: „Wir müssen immer erst verstehen, was die Ursache für den Ausbruch ist“, sagt der Epidemiologe. Sei das geklärt, hält Stang auch enger gefasste Lockdowns für denkbar. Denn ganze Landkreise faktisch lahm zu legen, sei zwar „eine Holzhammer-Methode“. Im Fall des Tönnies-Ausbruchs habe es aber auch keine echte Alternative gegeben.

Grundsätzlich müssten vor allem Schlachthöfe engmaschiger überwacht werden, stimmt Stang der Landesregierung zu. Der weitere Verlauf der Pandemie hänge aber in erster Linie an der Verantwortung jedes Einzelnen, betont Stang: „Alles hängt von der Bereitschaft der Menschen ab, sich an die Hygieneregeln zu halten, das lässt sich aktuell in den USA beobachten. Dort haben vor allem junge Leute null Bock, ihre Freiheit weiter einzuschränken. Die Folge sind erschreckend hohe Fallzahlen bei den täglichen Neuinfektionen.“