Dortmund. Wer hat sich wo, bei wem mit Corona infiziert? Containment-Scouts verfolgen Infektions-Ketten. Zu Besuch bei den Virus-Detektiven.
Sie studieren. Medizin, Gesundheitswissenschaften oder Biologie. Zurzeit aber sind sie Detektive, dem Coronavirus namens Covid 19 auf der Spur. Containment Scouts nennt man die jungen Männer und Frauen, die dabei helfen sollen Infektionsketten aufzuspüren und zu unterbrechen. In Dortmund gibt es sechs davon.
Katharina Verch (26), Sharleen Mocek (25) und Rebecca Schlegel (28) sind drei von ihnen. Sie sitzen mit Mundschutz im Dortmunder Gesundheitsamt, 1. Stock, Abteilung Infektionsschutz. vor Computern und Telefonen. Anrufen mussten sie an diesem Tag noch nicht. „Im Augenblick ist es relativ ruhig“, sagt Frank Renken, Leiter des Amtes.
Andere Ämter warten bis heute auf Verstärkung
Das könnte sich bald wieder ändern, er macht sich keine falschen Hoffnungen. „Nach all den Lockerungen, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass es wieder mehr Fälle gibt.“ Und er weiß noch, wie das war in den ersten Wochen. Als jeder Mitarbeiter bei der Verfolgung der Ketten mehr als 30 Anrufe machen musste. Als potenziell Erkrankte nicht zu erreichen, Nummern nicht mehr aktuell, Adressen längst überholt waren. Deshalb ist er froh, dass er über die Stellenausschreibung des Bundesverwaltungsamtes im Auftrag des RKI sechs Scouts zugeteilt bekommen hat. Andere Ämter warten bis heute auf Verstärkung.
Erfahrene Mitarbeiter des Amtes haben die Neuen eingearbeitet. Das hat laut Renken „reibungslos geklappt, auch „weil ja Vorbildung da war.“ Nun greifen sie selbst zum Hörer, wenn ein Labor einen positiven Test meldet. Erst wird der Betroffene angerufen und gefragt: „Wo könnten sie sich angesteckt haben?“ Und vor allem: „Mit wem haben sie seitdem Kontakt gehabt?“ „Wie eng war der Kontakt? Haben Sie Namen?“
Die Zeit drängt: „Es kommt auf jeden Tag an“
Der Angerufene muss nicht sofort antworten, er kann überlegen. Aber nur kurz. Denn die Zeit drängt. „Es kommt“, sagt Renken, „auf jeden Tag an.“ War der Erkrankte nur ein bis zwei Tage vor der Diagnose infektiös, lässt sich die Kette meist noch gut nachvollziehen und unterbrechen. Liegen fünf bis sechs Tage dazwischen, „haben sie es mit einer Lawine zu tun“.
Einen Kontakt nach dem anderen telefonieren die Scouts ab. Wobei die ersten Sätze meist die schwierigsten sind. Die Sätze, in denen der Angerufene erfährt, dass er Kontakt zu einem Infizierten gehabt hat. „Die Leute reagieren völlig unterschiedlich“, hat Renken von seinen Mitarbeitern erfahren. Manche seien – „O Gott Oh Gott“ - zu Tode erschrocken, andere brechen in Tränen aus, es gibt aber auch viele, die ganz ruhig bleiben und fragen. „Und? Was machen wir jetzt?“
Entwarnung oder Abstrich und vorsorgliche Quarantäne
Das kommt darauf an. Die Scouts versuchen herauszufinden, wie groß die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung tatsächlich war. „Erst mal fragen wir natürlich, wie es geht.“ Geht’s gut, ist das allerdings keine Garantie, dass keine Infektion vorliegt. Manche haben ja gar keine Symptome. Trotzdem sind sie nicht nur infiziert, sondern auch ansteckend. „Das ist eine große Gefahr“, erklärt der Leiter des Gesundheitsamtes.
Also wird nachgefragt. „Wie lange waren sie mit dem Erkrankten in einem Raum? Wie nah haben sie zusammen gestanden, wie lange miteinander gesprochen?“ Mit Mundschutz oder ohne? Je nachdem, wie die Antworten ausfallen, entscheidet der Scout. Entwarnung oder Abstrich und vorsorgliche Quarantäne. „Im Zweifel gehen wir eher auf Nummer sicher.“
Die Scouts in Dortmund bleiben jedenfalls noch länger im Dienst. Zumal kritische Tage vor den Deutschen liegen. Langes Vatertags-Wochenende bei sommerlichen Temperaturen, dann Pfingsten. „Warten wir mal ab“, sagt Renken, „wie die Zahlen sich in zwei Wochen entwickelt haben.“