Ruhrgebiet. Mit dem Frühling ist in Kleingärten wieder Leben eingekehrt. Das Virus lähmt die Vereinsarbeit, aber die Menschen genießen ihre Gartenfreiheit.
Erst hörst du noch die Vögel zwitschern, doch bald fallen ihnen die ersten Rasenmäher ins Wort. Dann beginnen die Häcksler zu singen, erst im vereinsinternen „Rosenweg“, sodann im inoffiziellen „Amselweg“. „Das geht jetzt richtig los“, sagt Manfred Schlitzer, der Vorsitzende des Kleingartenvereins „Glück-Auf“ in Dortmund. An diesem wunderbaren Wochenende ist das Leben zurückgekehrt, das pralle Leben: volle Müllsäcke auf Plastikstühlen. Und die Menschen genießen: Gartenfreiheit. Sollte ein Grundrecht sein.
Margit Nastke fegt den Weg, nachher will sie Blumen pflanzen. Heinrich Kleffmann, Chef vom Bienengarten, will die Bienenstöcke vergrößern, mehr Platz schaffen für Honig. Blüht denn schon was? „Drehen Sie sich mal um, die Kirsche.“ Georg Hennek gräbt die Erde um, Anja Schmalstieg will das Wasser aufdrehen, Esther Kowalski „einpflanzen und und und“. Ja, und und und.
Die meisten Gartentore sind zu, sonst stehen sie immer offen
Es ist ja nicht nur so bei „Glück-Auf“. Auf allen mehr als 1000 Schrebergarten-Anlagen im Ruhrgebiet haben die Menschen am Samstag und Sonntag den Frühling geküsst. Kleingartenanlage Essen-West, wo jetzt wieder die ganzen Fahnen flattern, Vereinsfahnen, Fantasiefahnen, deutsche Fahnen, rote Fahnen. Kräftige Männer schieben große Schubkarren, sie schleppen Säcke voller Blumenerde.
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„Fröhliche Morgensonne“ in Bochum, auch wenn im Schaukasten steht, das alles abgesagt ist, was mit Geselligkeit und Vereinsleben zu tun hat. „Bleibt zuhause und bleibt gesund.“ Drumherum schneiden sie, sie graben, säen, wässern, bohren, allein oder als Paar in ihrer Parzelle, einige mit Kindern; der Sicherheitsabstand durch Hecken und Zäune ist denkbar groß. Die meisten Gartentore sind zu, sonst stehen sie ja in der Regel offen. „Jetzt säßen wir eigentlich im großen Pulk“, sagt Margit Nastke in Dortmund: „Aber das geht ja nun nicht.“
Der Spielplatz ist abgesperrt, die Vereinsgaststätte geschlossen
Das Schrebern geht weiter, das Corona-Virus trifft den Überbau. Der Spielplatz ist abgeklebt mit rot-weißem Flatterband. Der Schaukasten der Vereinsgaststätte macht leere Versprechungen: „Das Fischessen an Karfreitag hat schon seit Jahrhunderten lange Traditon.“ Die Schweinefiletspieße zu Ostern wird es auch nicht geben. Die Eröffnung des Grillplatzes ist abgesagt, die Mitgliederversammlung verschoben. „Video-Konferenzen, da wird man sich vortasten müssen“, sagt Günter Mohr aus dem Vorstand des Stadtverbandes Dortmund.
Zwei Wochen im März waren die Kleingärtner verunsichert. Die Frage: was sie dürfen, und was nicht. Die ganze Unsicherheit steckt zwischen den Worten eines Satzes auf der Internet-Seite des „Bundesverbandes Deutscher Gartenfreunde (BDG)“: „Generell kann man annehmen, dass der Aufenthalt auf der eigenen Parzelle als Bewegung an der frischen Luft / im Freien momentan zulässig ist.“
„Man kann zugucken, wie die Knospen kommen, das ist der Hammer“
Ja, ist er: In einigen der kommunalen Allgemeinverfügungen (wie schnell man solche Wörter lernt) findet sich schrebern sogar ausdrücklich als „gewünschte gärtnerische Tätigkeit“. Und der „Landesverband Westfalen und Lippe“ lobt die Disziplin seiner Mitglieder: Alle Versammlungen seien abgesagt, es gebe „nur wenige destruktive Anfragen“. Destruktive Anfragen? „Ob sich nicht wenigstens der Vorstand treffen kann? Oder wenigstens auf freiwilliger Basis?“ Nein.
Gartenfreiheit. In Zeiten, in denen allen ständig gesagt wird, sie sollten zuhause bleiben. Anfang März hieß noch „Treffen“, was seit Mitte März „Zusammenrottung“ heißt. Ein Kleingarten in solchen Tagen, „das ist toll“, sagt Frank Peters; „das ist Gold wert“, sagt seine Frau Anja Schmalstieg. „Wir machen jetzt Erdbeeren rein“, sagt sie. Erdbeeren rein? Ja, Tiefkühlerdbeeren in die Erde. Kommen in zehn Wochen wieder Erdbeeren heraus. „Da kannst du die Saison mit verlängern.“
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Günter Mohr entsorgt den Obstschnitt, der vom letzten Herbst übrig geblieben ist. Siegbert Nastke streicht hinter der Laube die Bänke an. wahrscheinlich schwarz-gelb, wenn man sich hier so umguckt. Esther „und und und“ Kowalski räumt die ganze Laube um. Mit Pausen, versteht sich. „Man kann zugucken, wie die Knospen kommen. Das ist der Hammer.“ Und bei vielen wird am Abend gegrillt. „Hähnchenbollen und Steaks.“ Jeder grillt für sich zu zweien. Eine Mahnung ist vorhin noch durch die Anlage gejoggt, eine junge Frau mit Maske.