Bottrop. Bauern sind geschockt: Erntehelfer aus Osteuropa dürfen nicht mehr einreisen. Wie sollen Landwirte in NRW die Spargel- und Erdbeerernte retten?
Hier schellt das Telefon, dort hat ein Mitarbeiter eine Frage. „Langeweile gibt es hier nicht, sagt Jörg Umberg, Chef des Hof Umberg in Bottrop. Schon in einem normalen März. Weil die Spargel-Ernte dann unmittelbar bevorsteht. Der März 2020 aber ist alles andere als normal. Corona ist auch für viele Landwirte derzeit das beherrschende Thema. „Unmöglich zu sagen, wie die Saison wird“, sagt Umberg.
Ackerbau und Viehzucht sind kaum betroffen
Dabei trifft es die Landwirte unterschiedlich. „Wer Ackerbau und Viehzucht betreibt, ist von Corona bisher kaum betroffen“, sagt Bernhard Rüb, Sprecher der Landwirtschaftskammer NRW. Beides ist wenig personalintensiv und Saatgut und Dünger sind problemlos zu bekommen. „Für Spargel- und Erdbeerbauern kann es allerdings schwierig werden.“ Manche in der Branche sprechen bereits von „einer Katastrophe“ und prognostizieren ein Höfesterben.
„Das derzeit größte Problem sind die Saisonarbeiter“ , sagt Umberg. Von 300.000, die benötigt werden, sprechen Schätzungen, Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) geht von 85.000 aus. Früher kamen sie meistens aus Polen, in den vergangenen Jahren überwiegend aus Rumänien und Bulgarien. „Dort gibt es auch 2020 reichlich Interessenten, die gern nach Deutschland kommen würden“, weiß Christiane James , Sprecherin der Spargelstraße NRW. Sie kommen nur nicht rein ins Land, seit die meisten Grenzen in der EU dicht sind.
Landwirte wollten Helfer einfliegen lassen
Hier und da hatten sich Spargelbauern im Land deshalb zusammengeschlossen und auf eigene Faust Flieger gechartert. „Aber das geht jetzt auch nicht mehr“, sagt der Bottroper. „Die Flughäfen lassen die Arbeiter nicht mehr einreisen.“ Er selbst habe allerdings Glück gehabt, einige seiner bewährten Stammkräfte seien bereits eingetroffen. „Den Frühspargel können wir problemlos ernten. Wie es anschließend weitergeht, werden wir sehen.“ Er kennt aber Kollegen, die stehen zum Saisonstart komplett ohne Hilfe aus dem Osten da.
„Zum Glück lässt sich der Spargel steuern“, sagt Rüb. Mit unterschiedlichen Abdeckfolien etwa lasse sich das Wachstum bremsen oder beschleunigen, weiß der Sprecher. Und die kalten Nächte der letzten Wochen würden auch ein bisschen Luft verschaffen. Kaum einer weiß das besser als Umberg. „Aber irgendwann in nächster Zeit muss man nun mal ernten.“
„Spargelstechen lernt man nicht im Vorbeigehen“
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Hilfe soll dann von vor Ort kommen. Internet-Seiten wie „bauersuchthilfe.de“ oder „daslandhilft.de“ bringen dafür Landwirtinnen, -wirte und Menschen zusammen, die gerade nicht arbeiten dürfen oder können. Angestellte aus der Gastronomie etwa oder Studierende, die auf den Beginn ihres Semesters warten, sollen als Erntehelfer einspringen. „Die Resonanz ist gut“, hat James festgestellt. „Bei uns haben sich viele Interessenten gemeldet“, bestätigt auch Umberg.
Viele in der Branche sind allerdings skeptisch, ob die, die helfen wollen auch helfen können. Rüb kann die Sorge verstehen. „Spargelstechen lernt man nicht im Vorbeigehen“, sagt er. Abgesehen davon, dass der Job härter ist, als die meisten Bewerber sich das vorstellen. „Man wird sehen, was geht“, sagt Rüb. Und wenn auf dem Feld nichts geht, dann anderswo. „Beim Sortieren oder in der Logistik kann jeder mit anpacken“, präzisiert Christiane James.
Restaurants fehlen zur Zeit als Abnehmer
Fehlendes Personal ist zwar das größte Problem, das einzige ist es nicht in diesem Jahr. „Wir müssen den Spargel ja auch abverkaufen“, sagt Umberg. Gaststätten und Restaurants aber fallen in diesem Jahr als Abnehmer erst einmal aus, da sie derzeit geschlossen sind. Und ob und in welchen Mengen die Endverbraucher die Stangen in Zeiten der Krise kaufen, weiß niemand. Zumal die Preise – wenn auch nicht drastisch - nach oben gehen dürften. „Es ist derzeit völlig unklar, ob wir unsere gestiegenen Kosten wieder hereinbekommen“, sagt der Bottroper Landwirt.
Die Unklarheit wird bleiben. Denn parallel zur Spargelernte müssen etwa Rucola oder Petersilie gepflanzt werden. Von Menschen, nicht von Maschinen. Und nach dem Spargel kommen die Erdbeeren, dann die Him- und Brombeeren und irgendwann auch die Äpfel.
Engpässe bei Obst und Gemüse noch nicht erkennbar
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Engpässe aber, da sind sich fast alle in der Landwirtschaft einig, sind bei Obst und Gemüse derzeit nicht zu erwarten. Ob das bis zum Herbst angesichts der weltweiten Verbreitung des Corona-Virus so bleibt, kann keiner sagen. „So etwas“, sagt Bernhard Rüb, „hat von uns ja auch noch niemand erlebt.“