Bochum. Corona macht erfinderisch: Ein erster Infoabend für werdende Eltern kommt jetzt als Instagram-Story daher. Babys warten nicht aufs Krisen-Ende.
Soziale Netzwerke sind nicht wirklich sein Ding. Den Facebook-Account hat Benedikt Gottschlich gelöscht, als das erste seiner drei Kinder zur Welt kam. Vor sieben Jahren. Doch nun versucht sich der Vater erstmals an Instagram, einem Onlinedienst zum Teilen von Fotos und Videos. Dienstlich. Denn die Corona-Pandemie zwingt auch Geburtshelfer, nach innovativen Lösungen für die tägliche Arbeit zu suchen: Der nächste Infoabend für werdende Eltern am kommenden Donnerstag wird ein digitaler sein.
Die Bochumer Augusta-Kliniken haben Mitte März des Virus wegen all ihre Patientenveranstaltungen abgesagt, wie fast alle Krankenhäuser im Revier. Auch die Infoabende für Schwangere, die sonst alle zwei Wochen stattfinden, müssen ausfallen. „Zwei-, dreimal geht das, aber nicht viel länger“, sagt Gottschlich, der leitende Arzt der Geburtshilfe. Deswegen habe er nach Alternativen gesucht. Die Babys werden ja nicht warten auf das Ende der Pandemie – die wollen geboren werden, wenn sie soweit sind. Und ihre Eltern haben bis dahin viele Fragen – gerade in diesen Tagen der großen Verunsicherung; sie wollen wissen, was eine Infektion für Mutter und Kind bedeutet; sie wollen alles erfahren über die Geburt; sie wollen gucken, wie ein Kreißsaal aussieht; sie müssen überhaupt erst einmal entscheiden, wo ihr Kind zur Welt kommen soll. Viele angehende Eltern melden sich erst in einer Klinik an, nachdem sie sich zuvor in mehreren informiert haben.
1000 Geburten pro Jahr in den vier Kreißsälen der Augusta-Klinik
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Im Schnitt kämen pro Monat gut 100 Interessierte zu den Infoabenden für werdende Eltern, erzählt Gottschlich. Zu schade, unverantwortlich gar, sie alle enttäuschen zu müssen, findet er. Zumal sich viele nach dem Infoabend wohl fürs Augusta als Geburtsklinik entscheiden: 1000 Kinder erblicken dort jährlich das Licht der Welt. In diesem Jahr werden es wohl noch mehr werden, schätzt der leitende Arzt. „Wie ich höre, sind Kondome mancherorts wegen Hamsterkäufen schon nicht mehr zu kriegen...“.
Geburtsplanungsgespräche finden via Videochat oder Skype statt
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Andere Geburtskliniken im Revier bieten Schwangeren nun „virtuelle Rundgänge“ durchs Haus an – als Kurzfilm auf der jeweiligen Website. Das Augusta sei bereits „ziemlich digital aufgestellt“, erklärt Gottschlich sein Vorgehen; ihr Instagram-Profil eröffneten die Geburtshelfer schon vor einem Jahr. „Diese Plattform bietet die Chance, auch einmal aktuell etwas zu posten, auf dringende Fragen zu reagieren.“ Auch „Geburtsplanungsgespräche“ finden längst via Videochat oder Skype statt – um der Schwangeren in diesen Tagen unnötige Kontakte zu ersparen. Und doch wird die „Live Story“,an der sich das Augusta am Donnerstag versucht, eine Art Testballon sein. „Alles höchst experimentell“, räumt der Arzt ein und wirkt tatsächlich ein wenig aufgeregt. Aber er hat sich gut vorbereitet: Einen Selfiestick hat er sich besorgt, eine Extra-Lampe und ein besonders gutes Mikro. Sogar beim Friseur war er am Samstag rasch, „als es noch ging“.
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Folien aus der üblichen Powerpoint-Präsentation des Abends wird Gottschlich in seinen Vortrag zur Geburt einblenden können. Die Fragen seiner „Follower“ dazu und auch zur aktuellen Corona-Problematik will er beantworten. Gestellt werden müssen sie allerdings schriftlich, im „Chat“-Kanal. Wenn möglich, wird er mit dem Handy in der Hand zudem durch die vier verschiedenen Kreißsäle des Augusta spazieren, die werdenden Eltern so wenigstens digital durch Wassergeburtsraum, klassischen und alternativen Kreißsaal führen – wenn dort nicht gerade ein Baby geboren wird. Aber in dem Fall blieben die Besucher des „normalen“ Infoabends ebenfalls außen vor. Der 37-jährige Mediziner macht das übrigens nach Dienstschluss und mit seinem privaten Handy. Das dienstliche: ist offenbar ein älteres Modell, kaum größer als eine Streichholzschachtel und nicht Internet-fähig. „Aber es klingelt ganz toll“, lacht der Arzt, als er es vorzeigt.
„Wenn 30 Interessierte der Live-Story folgen, bin ich zufrieden“
„Mein größte Sorge ist, dass das Netz stabil bleibt“, gesteht Gottschlich. Deshalb hat er schon geübt für seinen großen „Auftritt“, am letzten Sonntag, als nicht viel los war im Kreißsaal. „Da hat es ganz gut funktioniert“, sagt er. Wenn 20 oder 30 Menschen der Live Story folgen würden, wäre er zufrieden. Vor allem, „wenn’s nicht nur Kollegen, Kinderkrankenschwestern und Hebammen sind, sondern wirklich werdende Eltern.“
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Kommt der digitale Infoabend an, soll er die gewohnten zunächst weiter ersetzten. Wäre der Insta-Infoabend dann auch ein Modell für die Nach-Corona-Zeit? „Nie und nimmer“, glaubt Gottschlich. Sobald es gehe, werde er wieder persönliche Treffen anbieten. „Das ist doch ganz was anderes. Mit Menschen zu reden, die auch da sind. Fragen zu beantworten, die man hören kann und nicht erst lesen muss.“
>>>> Der digitale Infoabend für werdende Eltern: So können Sie dabei sein
Der digitale Infoabend der Geburtshilfe im Bochumer Augusta startet am Donnerstag, 26. März, um 17.30 Uhr.
Der leitende Arzt Benedikt Gottschlich und sein Spezialisten-Team werden Informationen zur Geburt geben. „Auch auf die aktuelle Lage bezüglich der Corona-Pandemie“, sagt Gottschlich, „und den sich daraus ergebenden Änderungen für die geburtshilfliche Versorgung werden wir natürlich eingehen.“
Falls die Nutzer es wünschen, werde auch ein Film-Rundgang durch den Kreißsaal gemacht.
Für die Teilnahme ist es erforderlich, der „geburtshilfebochum“ (Augusta Geburtsklinik Bochum) auf Instagram zu folgen und sich dann in die Live Story einzuschalten. Das funktioniert auch ohne, dass man Follower ist, verspricht Gottschlich.