Essen. Eigentlich hätte am Freitag nach 53 Tagen das Urteil im Essener “Ehrenmord“-Prozess fallen können. Doch das Coronavirus stoppt das Verfahren.
Kurz vor dem Urteil hat das Coronavirus am Freitag nach 53 Verhandlungstagen den "Ehrenmord"-Prozess vor dem Landgericht Essen ausgebremst. Das Schwurgericht hob drei Termine auf - wie es weitergeht, ist fraglich.
Die brutale Tat, aufgezeichnet auf Video, hatte die Öffentlichkeit im Frühsommer 2018 geschockt. Am 31. Mai hatten einige der anfangs 13 Angeklagten einer syrischen Großfamilie mit Holzlatten auf einen 19 Jahre alten Essener aus Syrien eingeschlagen, einer hatte sogar mit einem Messer zugestochen. Der Grund: Er habe die "Ehre" der Familie verletzt, weil er ein Verhältnis mit einer verheirateten 18-Jährigen aus dem Clan hatte.
Viele Anträge der Verteidiger
Geprägt war das im Januar 2019 gestartete Verfahren durch zahlreiche Anträge einiger Verteidiger zu rein formalen Fragen. Beobachter sprachen von Verzögerungstaktik, etwa wenn es um die Ablehnung renommierter Dolmetscher ging.
Im März 2020 hatte Staatsanwältin Birgit Jürgens dann doch plädiert. Bis zu elf Jahre Haft wegen versuchten Mordes forderte sie für die restlichen elf Angeklagten. Anschließend hatten an weiteren Prozesstagen die Verteidiger plädiert und die Beschuldigten mit ihrem letzten Wort begonnen.
Erst am 2. April geht es weiter
Jetzt wieder eine Verzögerung. Wegen des Coronavirus hob das Schwurgericht nicht nur den Verhandlungstag am heutigen Freitag, sondern auch die nächsten Termine in der kommenden Woche auf. Erst am 2. April geht es weiter, möglicherweise kann das Verfahren dann noch eine Pause von zwei Monaten einlegen. Ob das Virus dann schon besiegt ist?
Notwendig war die Entscheidung wegen der Infektionsgefahr. Bei noch elf Angeklagten mit jeweils zwei Verteidigern, Gericht, Staatsanwaltschaft, Justizwachtmeistern und reichlich Dolmetschern sitzen allein 50 Prozessbeteiligte in Saal N001. Hinzu kommen Zuhörer aus der Familie, die natürlich am Urteil interessiert sind.
Greift das Versammlungsverbot?
Fällt eigentlich eine solche Hauptverhandlung auch unter das Versammlungsverbot der Stadt Essen, das Versammlungen mit mehr als 15 Menschen untersagt? Tim Holthaus, Sprecher des Essener Landgerichtes, hat dazu nur eine persönliche Meinung, er sei ja kein Verwaltungsrechtler.
Holthaus: "Ich denke, dass wir als Justiz von einer solchen Allgemeinverfügung der Stadt Essen nicht betroffen sind. Die Justiz hat ja auch eigene hoheitliche Aufgaben zur Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung." Aber darüber könne man sicher spannende Diskussionen führen.