Datteln. Das Kohlekraftwerk Datteln IV soll im Sommer ans Netz gehen. Umweltschützer haben heftigen Widerstand angekündigt. So reagieren die Anwohner.

Menschenleer sind die Straßen in der Meistersiedlung in Datteln. „Herrlich ruhig hier“, schwärmt eine Anwohnerin, die gerade mit ihrem Hund vom Spaziergang kommt. Das könnte sich demnächst ändern. Denn die Meistersiedlung liegt näher an dem umstrittenen Kohlekraftwerk Datteln IV als jede andere Siedlung. Noch qualmt es aus Kühlturm und Kesselhaus nur im Testbetrieb. Im Kohlekompromiss dieser Woche aber wird es dem der Energiekonzern Uniper erlaubt, das umstrittene Steinkohlekraftwerk im Sommer in Betrieb zu nehmen.

Umweltschützer kündigen „heftigen Widerstand“ an

Nirgendwo stehen Häuser näher am Kraftwerk als in der Meistersiedlung
Nirgendwo stehen Häuser näher am Kraftwerk als in der Meistersiedlung © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

„Heftigen Widerstand“ haben Umweltschützer seitdem angekündigt. „Datteln IV“, warnt etwa Kathrin Henneberger, die Sprecherin des Aktionsbündnisses „Ende Gelände“, „kann durchaus ein zweiter Hambi werden, was die Größe des Protestes angeht.“ „Wenn man das hört“, sagt die Frau mit dem Hund, „dann kann man schon Angst bekommen.“

Ein paar Straßen weiter holt Werner Schüssler (Name geändert) gerade den morgendlichen Einkauf aus dem Auto. „Nee“, sagt er, „ich bin natürlich nicht begeistert, wenn das Kraftwerk ans Netz geht.“ Niemand in der Siedlung sei das. Proteste, sagt Schüssler, würde er begrüßen. „Aber Chaoten wollen wir hier nicht haben.“ Die Hundebesitzerin stimmt zu: „Die hätten uns noch gefehlt.“

„Es muss friedlich bleiben“

„Es muss friedlich bleiben“, sagt auch Rainer Köster, Sprecher der Interessengemeinschaft Meistersiedlung, die seit Jahren gegen Datteln IV kämpft. Bei den Menschen vor Ort sieht Köster auch keine Probleme. „Für Dinge wie sie im Hambacher Forst passiert sind, ist hier niemand zu haben. Wir werden auch nicht die sein, die die großen Demos veranstalten.“ Da seien „die jungen Leute“ gefragt.

Rainer Köster kämpft schon seit Jahren gegen das Kohlekraftwerk  Foto: Ertmer
Rainer Köster kämpft schon seit Jahren gegen das Kohlekraftwerk Foto: Ertmer

Im übrigen hat Köster noch längst nicht aufgegeben. Er erinnert an die Klagen, die der BUND und drei Familien aus der Meistersiedlung eingereicht haben. Dabei gehe es auch um den Bebauungsplan für Datteln IV. Nicht mal 500 Meter stehe das Werk von einigen Häusern entfernt. „Das ist viel zu nah, wir haben gute Chancen“, ist Köster überzeugt. Zur Zeit allerdings sind sämtliche Klagen ruhend gestellt, bis in Sachen des Trianel-Kraftwerks in Lünen, um das ebenfalls heftig vor Gericht gestritten wird, eine rechtskräftige Entscheidung gefallen ist.

„Ich sehe das schon gar nicht mehr.“

Andere in der Siedlung sind nicht mehr so optimistisch. „Das Ding ist durch“, sagt Schüssler. Seine Frau nickt, hat aber sogar ein wenig Verständnis. Ja, hässlich seien die Gebäude, aber am Ende „muss der Strom ja auch irgendwo herkommen“. Und der Abriss eines gerade fertiggestellten Kraftwerks sei ja auch „Unsinn“. „Das muss am Ende doch alles der Steuerzahlen stemmen.“ Ähnlich sieht das auch Roswitha Rabe, die in der Nähe wohnt. „Datteln IV geht ans Netz“, ist sie überzeugt. Klar, der Bau sei keine Schönheit, „aber im Laufe der Zeit habe ich mich daran gewöhnt.“ So wie die Anwohnerin mit dem Hund: „Ich sehe das schon gar nicht mehr.“

Obwohl es kaum ein Fleckchen gibt in Datteln, ab dem Kühlturm und Kesselhaus nicht zu sehen sind. Je weiter man aber hineinfährt in die Stadt, um so leiser wird die Kritik. „Übertrieben“, findet ein älterer Herr das „ganze Theater“. „Da hätten Sie früher mal kommen müssen, als die Kokerei noch stand. Da war es dreckig hier.“ Jetzt, hat er gehört. „soll ja alles ganz modern sein“. „Was soll also die Aufregung?“

Bürgermeister: 100 Arbeitsplätze können erhalten werden

Froh über Entscheidung: Bürgermeister Andre Dora aus Datteln
Froh über Entscheidung: Bürgermeister Andre Dora aus Datteln © Kalthoff

Das fragt sich der Dattelner Bürgermeister André Dora (SPD) möglicherweise ebenfalls. „Ich bin froh darüber, dass wir jetzt endlich eine Entscheidung haben“, sagt er. „Datteln 4 ist eines der modernsten und effizientesten Kraftwerke Europas, deshalb ist es gut, dass es ans Netz geht. Wenn es ineffizientere Dreckschleudern ersetzt, ist das effektiver Klimaschutz, der in meinen Augen sehr wichtig ist. Deshalb hoffe ich auch, dass die Proteste gegen den Standort Datteln jetzt abflauen werden. Selbstverständlich ist demokratischer Protest völlig in Ordnung, wenn die Regeln des Miteinanders beachtet werden.“

Erste Demo schon in der kommenden Woche

Auch für die Stadt bringe das Kraftwerk Vorteile, so Dora weiter. Rund 100 Arbeitsplätze direkt in Datteln könnten erhalten werden. „Außerdem profitieren wir von Gewerbesteuereinnahmen, die wir als Stärkungspaktgemeinde sehr gut gebrauchen können.“

In der Meistersiedlung wird derweil weiter diskutiert. Mit Demos rechnen sie fast alle hier. Die ersten, haben sie gehört, soll es bereits Ende kommender Woche geben. „Aber richtig wird wohl erst im Sommer los gehen“, schätzt eine junge Frau, „Kurz bevor das Werk ans Netz geht.“ Baumhäuser wie im Hambacher Forst erwartet allerdings niemand in Datteln. „Wie auch“, fragt die Frau. „Gibt doch gar keine keine Bäume am Kraftwerk.“