Hattingen. Eine Kiosk-Inhaberin in Hattingen sieht ihre Existenz durch die Bonpflicht bedroht. Was Bäckereien, Gastronomen und Friseure davon halten.

Als „Katastrophe“ bezeichnet Trinkhallen-Inhaberin Svetlana Schäfer-Popova aus Hattingen die ab sofort gültige Bonpflicht, die das so genannte Kassengesetz den Händlern beschert. Sie befürchtet sogar, ihren Kiosk schließen zu müssen.

Svetlana Schäfer-Popovas Trinkhalle liegt an der Marxstraße in Welper. Und für jedes Kaugummi, jede Süßigkeit einen Beleg auszustellen, „ist für mich sehr teuer. Ich habe das ausgerechnet. Das würde mich 1000 Euro pro Jahr kosten.“

Kiosk-Inhaberin in Hattingen möchte Befreiung von der Bonpflicht erreichen

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Über ihren Steuerberater schreibt sie einen Brief ans Finanzamt mit der Bitte um Befreiung von der Kassenzettel-Pflicht. „Denn muss ich ihr nachkommen, kann ich den Kiosk sofort schließen“, erklärt sie.

Kassengesetz

Auf seiner Internetseite informiert das Bundesministerium für Finanzen: „Das Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen vom 22. Dezember 2016, das ,Kassengesetz’, führt die Pflicht zur Ausgabe von Belegen zum 1. Januar 2020 ein. Der Beleg kann elektronisch oder in Papierform ausgestellt werden. Das Erstellen des Belegs muss in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem Geschäftsvorgang erfolgen.

Ziel ist eine verstärkte Transparenz im Kampf gegen Steuerbetrug. Manipulationen der Kasse sollen durch die Bonpflicht festgestellt werden können. Die Belege müssen ausgegeben werden. Es gibt aber keine Pflicht zur Mitnahme.

Eine Befreiung von der Belegausgabepflicht kommt laut Anwendungserlasses „nur dann in Betracht, wenn nachweislich eine sachliche oder persönliche Härte für den einzelnen Steuerpflichtigen besteht“. Die Frage, ob eine solche Härte vorliegt, ist eine Frage des Einzelfalls und ist von den Finanzbehörden vor Ort zu prüfen.

Für nicht sinnvoll hält auch Simone Schmidt von der Wodantaler Landbäckerei die Bonpflicht. „95 Prozent der Kunden wollen doch gar keinen Bon. Besonders das Papier dafür ist auch nicht umweltfreundlich“, kritisiert sie.

Kunden in Bäckereien und von Friseuren in Hattingen wollen zumeist gar keinen Bon

Svetlana Schäfer-Popova (55) zeigt einen Kassenbon ihrer Trinkhalle an der Marxstraße in Welper. Die Bonpflicht jetzt stellt sie vor Probleme.
Svetlana Schäfer-Popova (55) zeigt einen Kassenbon ihrer Trinkhalle an der Marxstraße in Welper. Die Bonpflicht jetzt stellt sie vor Probleme. © FUNKE Foto Services | Walter Fischer

Auch die Kunden in der Bäckerei Baudach in Welper wünschen zu „90 Prozent“ keinen Bon. „Wer fürs Frühstück Brötchen holt, möchte das nicht. Wenn jemand fürs Büro einkauft, dann braucht er das schon mal für die Abrechnung mit dem Chef“, erklärt Isabell Baudach. Dass sie jetzt gesetzlich verpflichtet ist, einen Kassenzettel auszudrucken, darüber kann sie nur den Kopf schütteln. Denn: „Da müssen wir jetzt auch extra etwas zum Papiersammeln hinstellen, denn die meisten Kunden werfen den Bon gleich weg.“

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Als „lästig“ stuft Rüdiger Borgardt vom Friseur-Salon Borgardt die Regelung ein. Die meisten Kunden wollten keine Rechnung, weiß er aus Erfahrung. Für die Umwelt sei die Bonpflicht eine Belastung. Nicht nur als Unternehmer, auch als Privatperson hat er schon Erfahrung mit der Bonpflicht gemacht: „Ich habe heute eine Zeitung gekauft und dafür einen Bon bekommen. Da stand dann schon gleich eine Kiste neben der Kasse, wo die Kunden den nicht gewünschten Bon hineinwerfen können.“

Hightech-Kasse im Polis-Grill druckt Bon automatisch

Evangelos Kolios, der neben dem Restaurant Lux auch den Polis-Grill an der Großen Weilstraße betreibt, sieht die Bonpflicht gelassen. Denn: „Wir haben eine Hightech-Kasse, da kommt der Bon automatisch raus. Das ist schon zu unserer eigenen Kontrolle gut.“ Aber auch er erfährt hier: „Die meisten Kunden wollen den Bon nicht mitnehmen.“

Heinz Bruns vom Haus Kemnade, Mitglied im Präsidium der Dehoga (Deutschen Hotel- und Gaststättenverband) Westfalen, findet das Verhalten der Bundesregierung „lächerlich“. Denn obwohl eine Registrierkasse keine Pflicht sei, hätten doch die meisten Unternehmer längst eine.

Registrierkasse nutzen viele Unternehmer laut Dehoga sowieso zur eigenen Kontrolle

„Schon zur eigenen Kontrolle, denn sobald man Mitarbeiter hat, müssen die die verkaufte Ware ja auch eingeben. Täte der Mitarbeiter das nicht, wäre das Diebstahl, würde er ja in seine eigene Tasche wirtschaften. Und würde ein Unternehmer den Mitarbeiter anweisen, etwas nicht einzugeben, dann ist das Steuerhinterziehung und der Mitarbeiter würde auch noch Beihilfe zur Steuerhinterziehung leisten müssen.“

Gar nichts von der im Kassengesetz verankerten Bonpflicht hält auch der Dehoga-Westfalen-Geschäftsführer Wolfgang Henke. „Da wird zu viel Papier produziert. Wer zwei Kaffee bestellt, der will doch den Bon nicht mitnehmen.“ Schon jetzt hätten Kassen Chips, die das Finanzamt auslesen könnte. „Und in der Erprobung sind zwei fälschungssichere Kassensysteme, auf die Ämter dann auch zugreifen können.“ Mit der Bonpflicht jedenfalls, ist Henke überzeugt, „wird keiner gefangen, der gefasst werden soll“.