Kontrollen nur alle 22 Jahre – zu wenige Leute: Der DGB kritisiert die Qualität beim Arbeitsschutz in NRW. So will das Land besser werden.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) fordert die Landesregierung auf, sich intensiver um den Schutz von Arbeitnehmern zu kümmern. Die Zahl der Aufsichtsbeamten mit Arbeitsschutzaufgaben sei in Nordrhein-Westfalen „dramatisch zu niedrig“, sagte die DGB-Landesvorsitzende Anja Weber dieser
Redaktion. Laut Bundesarbeitsministerium kamen in NRW im Jahr 2017 auf einen Arbeitsschützer im Schnitt 27.150 Beschäftigte. In Mecklenburg-Vorpommern lag dieses Verhältnis bei 1:14.440, in Niedersachsen bei 1:16.117.
Nur zwei Länder (Bayern, Saarland) schnitten noch schlechter ab als NRW. Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) empfiehlt sogar ein Verhältnis von 1:10.000. Aktuellere Zahlen für einzelne Bundesländer gibt es nicht. Der Bund beschreibt aber in seinem aktuellsten Unfallverhütungsbericht, dass das Verhältnis Arbeitsschützer/Beschäftigte in den Ländern im Jahr 2018 zwischen 1:11.000 und 1:35.000 lag.
Stress gefährdet die Gesundheit
„Im Durchschnitt finden Kontrollen in Betriebsstätten in NRW nur alle 22 Jahre statt. Das ist deutlich zu lang“, kritisierte Weber. Viele Beschäftigte erlebten eine massive „Entgrenzung“ der Arbeit. Stress, ständige Erreichbarkeit und überlange Arbeitszeiten gefährdeten die Gesundheit der Arbeitnehmer. Daher müsse der Arbeitsschutz konsequent kontrolliert werden. „Das geht aber nur mit ausreichendem Personal, und hier ist die Landesregierung gefordert“, so die DGB-Landeschefin.
NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) versicherte auf Nachfrage, dass ihm „eine angemessene Personalausstattung des staatlichen Arbeitsschutzes“ seit seinem Amtsantritt ein wichtiges Anliegen sei. Das Arbeitsministerium habe schon 2018 die Einstellung von 50 zusätzlichen Nachwuchskräften in die Ausbildung zum Gewerbeaufsichtsbeamten veranlasst. Sie verstärkten ab sofort den Arbeitsschutz in NRW. „Zudem sind für 2020 erneut 50 zusätzliche Ausbildungseinstellungen beschlossene Sache“, sagte Laumann.
Laumann: Das ist ein bundesweites Problem
Laut dem Minister handelt es sich um ein bundesweites Problem. NRW habe sich in Gesprächen „massiv für eine Stärkung des staatlichen Arbeitsschutzes eingesetzt“. Laut der Arbeits- und Sozialministerkonferenz der Länder sollten in Deutschland ab dem Jahr 2026 feste Quoten für die Kontrollen von Betrieben vorgeschrieben werden.
Vor wenigen Wochen stellte Laumann das Ergebnis von Betriebskontrollen in der Fleischindustrie vor. Die
Bilanz war erschreckend. Die Kontrolleure stießen fast überall auf unhaltbare Zustände.
Diese Aktion warf ein Licht darauf, wie schlecht es zumindest in einigen Branchen um den Arbeitsschutz bestellt ist. „Die schlimmsten Befürchtungen wurden bestätigt. Das Ergebnis ist deprimierend“, sagte Laumann im Oktober.
Nur zwei von 30 Betrieben der Fleischindustrie schnitten damals einigermaßen gut ab. Arbeitskräfte aus Südosteuropa würden zum Teil systematisch ausgebeutet, hieß es. Überlange Arbeitsschichten mit zum Teil mehr als 16 Stunden sind hier keine Seltenheit. Die Experten fanden auch eine Vielzahl gefährlicher Arbeitsgeräte und und andere Verstöße gegen den Arbeitsschutz, zum Beispiel versperrte Notausgänge.
Laumann drohte den Fleischfirmen damit, die Kontrollen mehrmals im Jahr zu wiederholen. „Solange ich Minister bin, wird es diese Aktionen immer wieder geben“, warnte er. Die ersten Bußgeldverfahren gegen die Arbeitgeber seien eingeleitet worden.
Auch in anderen Branchen sind Arbeitnehmer gefährdet
Die Fleischindustrie mag ein extremes Beispiel sein, aber auch in anderen Branchen sind Arbeitnehmer gefährdet. Laut der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG Bau) kamen im Jahr 2018 in Deutschland 88 Beschäftigte der Bau-Branche bei Arbeitsunfällen ums Leben.
In den vergangenen drei Jahren wurden in Deutschland jeweils zwischen 500 und 600 tödliche Arbeitsunfälleerfasst. Die Fälle betrafen sämtliche Branchen.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund weist in seinem Arbeitszeitreport darauf hin, dass in NRW jeder fünfte
Arbeitnehmer sehr häufig Überstunden leisten müsse. Überlange Arbeitszeiten können krank machenund erhöhten laut DGB auch die Unfallgefahren an den Arbeitsplätzen.
Im nationalen wie im internationalen Vergleich schneidet NRW beim Arbeitsschutz auffallend schlecht ab. Noch schlimmer ist das Verhältnis – amtliche Arbeitsschützer/Beschäftigte – allerdings in Bayern. 2017 kamen im Freistaat auf einen Arbeitsschutz-Kontrolleur 38.526 Beschäftigte.
Keine Zahlen für 2018
Länder-Zahlen für 2018 hat das Bundesarbeitsministerium bislang noch nicht veröffentlicht. Der jüngste Bericht über Sicherheit und Gefahren am Arbeitsplatz (SUGA) legt aber nahe, dass die Relation in Bayern immer noch bei etwa 1:35.000 liegt.
Die Empfehlung der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) – ein Arbeitsschützer für 10.000 Arbeitnehmer – sei auf die Situation in Deutschland nicht anwendbar, erklärte NRW-Arbeitsminister Laumann auf Nachfrage dieser Redaktion. Die von der ILO beschriebenen Aufgaben für Arbeitsschützer seien in Deutschland auf verschiedene Ebenen verteilt: auf die staatlichen Arbeitsschutzbehörden der Länder, die gesetzlichen Unfallversicherungsträger und den Zoll. Das alles zusammengerechnet, erreiche wohl auch Deutschland die Zielmarke der ILO, vermutet der Minister.