Essen. Die Geldwäsche-Verdachtsfälle in Deutschland häufen sich. Die Finanzaufsicht Bafin greift durch. Interview mit Bafin-Exekutivdirektor Pötzsch.
In Sachen Geldwäsche steigen von Jahr zu Jahr die Verdachtsmeldungen. Wie aktuell das Thema ist, zeigt eine Großrazzia im Zusammenhang mit dem hierzulande verbotenen „Hawala-Banking“: Mutmaßlich illegal erworbenes Vermögen in Millionenhöhe sei am legalen Bankensystem vorbei in andere Staaten transferiert worden, berichtet das Landeskriminalamt NRW. Bei der deutschen Finanzaufsicht Bafin ist Thorsten Pötzsch als Exekutivdirektor für die Bekämpfung von Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und verbotenen Geschäften zuständig. In unserem Interview spricht Pötzsch darüber, warum bei der Geldwäsche der Immobilienhandel, Juweliere sowie der Kunst- und Antiquitätenhandel eine wichtige Rolle spielen. „Aus Sicht eines Aufsehers wäre es erwägenswert, bei Transaktionen beispielsweise über 15.000 Euro einen Verzicht auf Bargeld zu verlangen“, regt der Bafin-Exekutivdirektor an. In Deutschland gibt es derzeit keine Obergrenzen für Bargeld-Geschäfte. „Mir will aber nicht recht einleuchten“, sagt Pötzsch, „warum es unbedingt möglich sein soll, eine Immobilie für 500.000 Euro mit Bargeld zu erwerben“.
Herr Pötzsch, in Sachen Geldwäsche steigen von Jahr zu Jahr die Verdachtsmeldungen. Hat Deutschland ein Geldwäsche-Problem?
Pötzsch: Geldwäsche ist international ein Phänomen, so auch hierzulande. Dass Deutschland wirtschaftlich stark ist und Bargeld eine große Rolle spielt, macht es für Geldwäscher attraktiv, hier tätig zu sein. Im vergangenen Jahr gab es bundesweit mehr als 77.000 Geldwäsche-Verdachtsanzeigen. Die Zahl hat sich im Vergleich zum Jahr 2008 verelffacht.
Haben Sie eine Erklärung dafür?
Pötzsch: In der Finanzwirtschaft ist die Sensibilität für das Thema gestiegen und damit werden mehr Fälle aufgedeckt. Aber ist es auch klar, dass die Herausforderungen groß sind.
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Wie gehen die Geldwäscher vor?
Pötzsch: Es gibt zahlreiche Methoden der Geldwäsche. Der Einfallsreichtum ist unbegrenzt. Am Anfang steht eine Straftat – etwa Drogenhandel, Schutzgelddelikte, Menschenhandel oder Betrug. Durch diese Taten wird häufig Bargeld erlangt, das in den normalen Geldkreislauf geschleust werden soll. Eine gängige Methode dabei sind fingierte Umsätze in Restaurants, vermeintliche Casinogewinne oder Scheinumsätze von Firmen im Ausland, mit Hilfe derer angebliche Gewinne legalisiert werden sollen, alles mit dem Ziel, das Geld zu waschen.
Tun Deutschlands Banken genug im Kampf gegen Geldwäsche?
Pötzsch: Auffällig ist, dass 98 Prozent der Verdachtsmeldungen aus dem Finanzsektor kommen, aber nur zwei Prozent aus der Realwirtschaft, also beispielsweise von Immobilienmaklern oder Notaren. Auch diese sind gesetzlich dazu verpflichtet, bei Geldwäscheverdacht die Behörden einzuschalten. Beim Thema Geldwäsche spielt auch der Immobilienhandel eine wichtige Rolle, weil hier sehr große Summen in den Geldkreislauf gebracht werden können. Ähnlich ist es beim Kunst- und Antiquitätenhandel oder Juwelieren.
Welche Rolle spielt das Bargeld bei der Geldwäsche?
Pötzsch: Es liegt nahe, dass Bargeld zur Geldwäsche missbraucht werden kann. Bargeld ist anonym. Die Anonymität bietet Geldwäschern Schutz.
Plädieren Sie für ein Bargeld-Verbot?
Pötzsch: Ein generelles Verbot von Bargeld ist eine Extremposition, die sicher nicht Realität werden wird. Man sollte sich allerdings fragen, ob es hilfreich wäre – wie in anderen Ländern auch – ein Verbot für bestimmte
Bargeldzahlungen einzuführen. Teilweise sind in Europa Immobilien-Transaktionen mit Bargeld pauschal verboten. Es gibt auch Länder, in denen Obergrenzen für Transaktionen existieren: mal sind es 2.000 Euro, mal 10.000 oder 15.000 Euro. In Deutschland gibt es diese Obergrenzen nicht. Mir will aber nicht recht einleuchten, warum es unbedingt möglich sein soll, eine Immobilie für 500.000 Euro mit Bargeld zu erwerben.
Wo sollte aus Ihrer Sicht die Schwelle sein?
Pötzsch: Dies ist letztlich eine politische Entscheidung. Aus Sicht eines Aufsehers wäre es erwägenswert, bei Transaktionen beispielsweise über 15.000 Euro einen Verzicht auf Bargeld zu verlangen. Das hieße ja nicht, dass Bargeld nicht verwendet werden könnte. Man müsste nur zu einer Bank gehen, um das Geld einzuzahlen und könnte dann überweisen. Wenn die Umstände der Einzahlung verdächtig wären, müsste die Bank dann eine Geldwäsche-Verdachtsmeldung erstellen.
Im vergangenen Jahr haben Sie einen Sonderbeauftragten in die Deutsche Bank geschickt, erstmals in der Branche. Hat sich das Vorgehen bewährt?
Pötzsch: Generell ist festzustellen: Die Banken haben mittlerweile verstanden, dass sie gesetzlich dazu verpflichtet sind, wirksame Systeme zur Prävention von Geldwäsche zu schaffen. Sie haben auch verstanden, dass wir es mit der Durchsetzung der gesetzlichen Anforderungen ernst meinen. Ich möchte nicht ausschließen, dass wir auch in Zukunft schnell und entschlossen wieder einen Sonderbeauftragten in ein Institut hineinschicken, wenn es Defizite bei der Geldwäsche-Prävention gibt.
Wird in Banken gelegentlich weggeschaut, wenn es Hinweise auf Geldwäsche gibt, da das Institut womöglich lukrative Kunden nicht verlieren will?
Pötzsch: Es wäre falsch, die Banken unter Generalverdacht zu stellen. Eine Bank hat das legitime Ziel, Geld zu verdienen. Richtig ist zwar: Geldwäsche-Prävention bringt keinen Profit, sondern kostet etwas. Andererseits ist klar: Geldwäsche kann für Banken durchaus existenzgefährdend werden.
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Hat die Bafin genügend Kompetenzen, um Geldwäsche zu bekämpfen?
Pötzsch: Wir haben eine Reihe von Sanktionsmöglichkeiten, je nach Gewichtigkeit der festgestellten Defizite bei den Banken. Führen Aufsichtsgespräche nicht zum Ziel, können wir Bußgelder verhängen, Hinweis- und Belehrungsschreiben verschicken, Vorstandsmitglieder verwarnen, abberufen und im Extremfall auch eine Bank schließen. Der Instrumentenkasten ist groß. Natürlich arbeiten wir auch eng mit Strafverfolgern und Nachrichtendiensten zusammen.
Ihre Aufgabe bei der Bafin ist auch, die Terrorismusfinanzierung zu bekämpfen. Wie schätzen Sie die aktuelle Bedrohungslage ein?
Pötzsch: Die gestiegene Bedeutung des Themas ist für jeden offensichtlich. Der Einfallsreichtum bei der Terrorismusfinanzierung ist sehr groß. Das umfasst auch Fälle, bei denen Selbstmordattentäter geworben werden, die eine Risikolebensversicherung abschließen, damit die Prämie nach einem Suizid dem Terrornetzwerk zufließt. Was zudem hochgefährlich ist: Terrorakte können auch mit relativ geringen finanziellen Mitteln begangen werden.
Lassen Sie uns über den sogenannten schwarzen Kapitalmarkt sprechen. Im Internet tummeln sich dubiose Geschäftemacher mit unseriösen Renditeversprechen. Was kann die Bafin dagegen tun?
Pötzsch: Wir stellen fest, dass verstärkt Unternehmen am Markt auftreten, die Geschäfte betreiben, für die sie nicht die erforderliche Erlaubnis vorweisen können. Gegen diese Unternehmen schreiten wir ein, sobald wir von ihnen Kenntnis erlangen und unterbinden solche Geschäfte.
Wie häufig kommt das vor?
Pötzsch: Wir sind in diesem Jahr bereits 128 Mal förmlich eingeschritten. Im vergangenen Jahr waren es 87 Fälle. Wir haben die Intensität der Verfolgung stark erhöht, um solchen Unternehmen möglichst schnell und nachhaltig das Handwerk zu legen. Der Schaden, der entstehen kann, ist immens. Zuweilen geht es um hohe, auch um dreistellige Millionenbeträge. Das Image des gesamten Finanzmarkts leidet darunter, wenn die Anzahl der schwarzen Schafe hoch ist.
Wie können sich Anleger schützen?
Pötzsch: Anleger sollten sich zunächst einmal gründlich informieren. Wenn man beim Kauf einer Waschmaschine im Internet eine Stunde lang surft, um Preise und Qualität zu vergleichen, sollte man das erst recht tun, wenn es um die Geldanlage geht. Auf der Website der Bafin findet sich eine Liste aller zugelassenen Unternehmen, unsere förmlichen Untersagungen machen wir auch dort bekannt. Verbraucherschutzportale bieten weitere Informationen. Auch ein Blick ins Impressum der Onlineanbieter lohnt sich. Wenn dort die Cayman Islands oder andere exotische Orte auftauchen oder Angaben zum Sitz des Unternehmens gar fehlen, ist Vorsicht geboten.
Woran noch lässt sich erkennen, ob ein Anbieter seriös ist?
Pötzsch: Es gibt ein Naturgesetz der Geldanlage: hohe Rendite, hohes Risiko, geringe Rendite, geringes Risiko. Die wundersame Geldvermehrung gibt es nur im Märchen.