Essen. Die Leiterin einer Brennpunkt-Schule in Essen erklärt im Podcast, warum viele Bildungseinrichtungen in NRW am Limit sind – und wo Chancen liegen.

Die digitale Ausstattung an deutschen Schulen, darunter auch in Nordrhein-Westfalen, gilt nach wie vor als mangelhaft. Das ist das Ergebnis einer bundesweiten Umfrage unter Schulleiter*innen. Doch zahlreichen Bildungseinrichtungen in NRW fehlt es an noch viel Grundsätzlicherem: marode, zum Teil gar gesperrte Gebäude, unbesetzte Lehrstellen und Personalmangel auch im sozialen Bereich machen ein erfolgreiches Unterrichten und Lernen vielerorts geradezu unmöglich.

v.li.: WAZ-Redakteurin Ute Schwarzwald, Julia Gajewski, Leiterin der Gesamtschule Bockmühle in Essen und Moderator Jan Reckweg bei der Aufzeichnung unseres Podcasts.
v.li.: WAZ-Redakteurin Ute Schwarzwald, Julia Gajewski, Leiterin der Gesamtschule Bockmühle in Essen und Moderator Jan Reckweg bei der Aufzeichnung unseres Podcasts. © Theresa Langwald

Für Julia Gajewski (56), seit 2013 Schulleiterin an der Gesamtschule Bockmühle in Essens Brennpunkt Altendorf, ist genau das trauriger Alltag: „Alles, was man sich an Problemen vorstellen kann, findet bei uns statt“, sagt sie. Der kritische Zustand an vielen Schulen spiegele sich nicht zuletzt auch in einer Verrohung der Umgangsformen wider. Die Zahl der Gewalttaten gegenüber Lehrkräften etwa ist in NRW im Vergleich zu 2016 um 15 Prozent gestiegen.

Doch warum bleiben manche Schulen mit ihren Problemen so lange allein? Wieso dauert es zum Teil Jahre, bis Geld fließt oder Gebäudeschäden behoben werden? Und welche Lösungsansätze gibt es? Darüber spricht Schulleiterin Gajewski in einer neuen Folge von nah&direkt mit Moderator Jan Reckweg und WAZ-Redakteurin Ute Schwarzwald.

Zustand der Schule strahlt auch auf das Verhalten ab

Rund 70 Prozent der Schüler*innen an Gajewskis Gesamtschule haben einen Migrationshintergrund, etwa 80 Prozent kommen mit einer Empfehlung für die Hauptschule, 60 Prozent aus Familien, die von Hartz IV leben. Und für sie alle findet der Unterricht zudem in einem Gebäudekomplex statt, der schon seit Jahren sanierungsbedürftig, dessen Ausstattung miserabel ist – und in dem es deutlich zu wenige Lehrer*innen gibt. Aktuell sind noch immer mehr als 13 Lehrstellen unbesetzt. Dass sich die Probleme auf diese Weise bloß noch gegenseitig potenzieren, ist wenig verwunderlich.

„Ich war erschrocken von dem, was ich dort erlebt habe“, sagt auch WAZ-Redakteurin Ute Schwarzwald nach ihrer Recherche vor Ort. Und dabei ist die Einrichtung in dem Essener Problemviertel längst kein Einzelfall in NRW: Schimmel, Asbestbelastung, Überschwemmungen und defekte Sanitäranlagen, ebenso chronischer Lehrermangel, Kinder aus prekären Verhältnissen sowie Gewalt auf dem Schulhof oder im Klassenzimmer sind an vielen Schulen im Land an der Tagesordnung.

Mehr Lehrer, mehr Sozialarbeiter, mehr Psychologen

Selbst das Büro von Gajewski hat eine Tür aus billigem Pressspan, ist notdürftig zusammengetackert. „Die alten Türen haben Einbrecher im Frühjahr wieder mal mit der Axt bearbeitet“, erzählte die 56-Jährige beim ersten Treffen mit Ute Schwarzwald. Auch die Jalousien an den hohen Fenstern funktionieren nicht mehr. Um die blendende Sonne auszusperren, muss die Schulleiterin auf die Fensterbank klettern und sie von Hand richten.

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Viel mehr als für den inzwischen beschlossenen Neubau aber kämpfen sie an der Gesamtschule Bockmühle um mehr Wertschätzung, mehr Geld und mehr Lehrer – und somit für die eigene Arbeit. Immerhin 165 von den rund 1.400 Schüler*innen haben „sonderpädagogischen Unterstützungsbedarf“, gelten als lernschwach oder verhaltensauffällig. Dass ein neues Gebäude allein deshalb nicht helfen wird, macht Gajewski auch im Podcast deutlich.

Redakteurin Ute Schwarzwald berichtet darüber hinaus von einem Gespräch mit einer anderen Lehrerin, die die Lage ganz ähnlich einschätzt: „Wir brauchen keinen PC für jeden Schüler. Wir brauchen mehr Lehrer, wir brauchen mehr Sozialarbeiter, wir brauchen mehr Psychologen an unseren Schulen.“ Welche Rolle Wertschätzung bei alledem spielt – und wer hier besonders in der Verantwortung ist, wird in der neuen Episode unseres Podcasts ebenfalls thematisiert.

Vom nah&direkt-Podcast gibt es jeden Freitag eine neue Folge. Bei Apple, Spotify, Deezer und Audio Now kann man ihn kostenlos abonnieren oder ihn online auf nah-und-direkt.de im Stream anhören. Lesen Sie darüber hinaus hier, wie es einer Lehrerin aus Duisburg ergangen ist, die von einem Schüler verprügelt wurde.