Dortmund. Polizei und Feuerwehr werden immer wieder bei Einsätzen gestört und attackiert. Mit einer Kampagne fordern sie mehr Respekt.
Es hört nicht auf, es wird immer schlimmer. Öfter als je zuvor sind Polizei, Feuerwehr und Rettungskräfte in diesem Jahr bei Einsätzen beschimpft, beleidigt oder sogar tätlich angegriffen worden. Eine neue Kampagne soll nun helfen, das Problem in den Griff zu bekommen.
Sie wollen helfen, riskieren ihre Gesundheit und werden dafür noch beschimpft, angespuckt, manchmal sogar geschlagen. Aggressionen sind kein neues Problem. „Aber“, sagt Andreas Jedamzik, Hauptbrandmeister bei der Dortmunder Feuerwehr und Stellvertretender Landesvorsitzender der Deutschen Feuerwehr-Gewerkschaft in NRW, „es wird immer schlimmer.“ Das kann Polizeioberkommissar Maik Müller, Vorstandsmitglied der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in NRW nur bestätigen. „Es gibt keinen Kollegen, der das nicht schon mal erlebt hat.“
Unterstützung von Fußballern und Politikern
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Deshalb haben die beiden Gewerkschaften beschlossen, eine Kampagne für mehr Respekt gegenüber Einsatzkräften nicht nur wieder aufleben zu lassen, sondern sie auch zu erweitern. „Respekt?! Ja bitte“, heißt sie und innerhalb eines Jahres sind dafür über 50 kurze und drei lange Videos entstanden, die es auf Youtube, Facebook und einer eigenen Internetseite zu sehen gibt.
Darin berichten Feuerwehrleute, Polizisten und Rettungskräfte aus ihrem Einsatzalltag, aber auch Familienangehörige kommen zu Wort. Nicht nur Politiker wie NRW-Ministerpräsident Armin Laschet oder Innenminister Herbert Reul unterstützten die Kampagne mit Videostatements, sondern auch BVB-Spieler wie Marco Reus oder Mats Hummels. Mit Erfolg. „Schon nach kurzer Zeit folgen mehr als 15.000 Menschen unserer Seite bei Facebook“, hat Müller festgestellt.
Gaffen, pöbeln schlagen - „es wird immer schlimmer“
Seine „Hauptdarsteller“ musste Müller nicht lange bitten. „Das Problem“, sagt etwa der Dortmunder Feuerwehrmann André Dupont (36), „wird ja ständig größer.“ Mittlerweile sei man bei keinem Einsatz mehr wirklich sicher. Er kann ja die Aufregung verstehen, wenn es einen Unfall gegeben hat oder es brennt. „Aber gerade da kommt es manchmal auf jede Minute an. Deshalb ist es so wichtig, dass wie ungestört arbeiten können.“
Können sie aber nicht. Weil gegafft wird, weil Absperrungen nicht beachtet werden und sich niemand mehr etwas sagen lässt, oft pöbelt, manchmal sogar handgreiflich wird. „Das kostet Zeit und bindet Kräfte“, weiß Dupont. Und es ist auch nicht hilfreich, wenn Umstehende Laien medizinische Tipps geben. „Ich muss niemanden eine Sauerstoffmaske umlegen, der sich einen Arm gebrochen hat. Wir wissen schon, was wir tun.“
Aileen Kleinewegener von der Dortmunder Bereitschaftspolizei kennt ähnliche Situationen. Seit neun Jahren ist sie dabei, führt zwar keine Statistik, „aber vom Gefühl her“ würde auch sie sagen, „es wird schwieriger“. Am meisten hat es sie verwundert, dass es längst nicht mehr nur jungen Menschen an Respekt mangelt. „Das geht durch alle Altersschichten.“
Kein Bitte, kein Danke, kein „Guten Tag“
Kein Bitte, kein Danke, kein Guten Tag und kein Auf Wiedersehen. Stattdessen in harschem Ton Fragen wie „Wo ist der Bahnhof?“ oder „Wie lange soll das denn noch dauern hier?“ Schon der Grundton, sei viel aggressiver geworden hat die junge Polizistin festgestellt. Und damit sei manchmal schon der Grundstein gelegt für Beleidigungen und tätliche Übergriffe. „Ich habe mittlerweile schon ein dickes Fell bekommen.“
Fast jeder Helfer ist betroffen
In einer Umfrage der Bochumer Ruhr-Universität wurden über 800 Einsatzkräfte zu ihren Gewalterfahrungen im Dienst befragt. So stellten die Forscher unter anderem fest, dass Rettungsdienste deutlich häufiger attackiert wurden als Feuerwehrleute.
Von den befragten Rettungsdiensten, also Notärzten und Sanitätern, gaben 92 Prozent an, innerhalb der zurückliegenden zwölf Monate zum Beispiel beleidigt oder bedroht worden seien. Jeder Vierte bestätigte, Opfer körperlicher Angriffe geworden zu sein.
Die Angreifer seien in den meisten Fällen die Patienten selbst und viele seien alkoholisiert.
Ob die Kampagne diese Probleme wirklich lösen kann? Andreas Jedamzik schüttelt den Kopf. „Wir sind nicht so naiv zu glauben, dass man verloren gegangenen Respekt allein mit ein paar Videos zurückholen könnte.“ Aber wichtig sei es, „bei möglichst vielen Menschen immer wieder ein Bewusstsein für das Thema zu schaffen.“ Und das nicht nur vor Ort. „Wir hoffen natürlich“, sagt Müller, „dass das kein reines Dortmunder Projekt bleibt, sondern dass wir landes- oder sogar bundesweit damit etwas erreichen können.“
Die Kampagne, da sind sich Müller und Jedamzik einig, sei auch kein Klagen, eher eine Klarstellung, dass es so nicht weitergehen könne. Allen Schwierigkeiten zum Trotz, haben die beiden in vielen Gesprächen mit Kollegen und Kolleginnen festgestellt, „machen unsere Leute ihren Job noch immer mit großer Begeisterung.“