Dinslaken. Die Brieftaubenzüchter nehmen noch einen Anlauf auf die Liste des Immateriellen Kulturerbes. Zwei Filme sollen helfen, neues Ansehen zu gewinnen.
Die Brieftaubenzüchter bereiten eine neue Bewerbung vor, mit ihrem Sport auf die Bundesliste des „Immateriellen Kulturerbes“ zu gelangen. Das kündigte Verbandspräsident Richard Groß am Sonntag in Dinslaken an, wo ein neuer Imagefilm gezeigt wurde. 2018 waren sie am Kulturerbe gescheitert, weil sie in ihrer Bewerbung zu wenig auf das Wohl der Tauben eingegangen waren.
Ein kleines bisschen tumultuös geht es also zu am Sonntagvormittag im lang gestreckten Eingang des Kinos „Lichtburg“ in Dinslaken. Eltern und kleine Kinder zieht es fröhlich lärmend in Kino 3, ein etwas erwachseneres Publikum nimmt Platz in Kino 2. „Tag der Brieftaube“ steht hier auf einem Plakat und weist schon ungefähr in die richtige Richtung; während die Familien nebenan kurioserweise gekommen sind, um „Angry Birds 2“ zu sehen – also „Wütende Vögel“.
Eine Brieftaube blickt groß von der Leinwand und ganz lieb
Ganz anders hier: Film ab. Eine Brieftaube blickt groß und sowas von lieb von der Leinwand, trippelt dazu auf und ab. „Hi, ich bin Luise“ erscheint als Schriftzug hinter ihr, „Ich bin schlau“ später, „Ich kann mir Gesichter merken“, „Ich bin eine liebevolle Mutter“. Und sie kann noch viel mehr. Königin Luise! Großer Beifall aus dem Publikum, 120 Leute, überwiegend Taubeneltern, nicken einander zu.
Man sieht es schon, hier bei den Züchtern ist man gerade ganz harmonisch, auch wenn Verbandspräsident Richard Groß die größte Heiterkeit ausgelöst hat mit den Sätzen: „Wir sind eine wackere Gemeinschaft, meistens jedenfalls. Wenn wir nicht gerade Versammlung haben.“
Taubenzüchter wollen „zurück in den Fokus der Öffentlichkeit“
Den neuen, siebenminütigen Imagefilm mit Luise bekommen die Besucher am Sonntag zu sehen und anschließend noch eine dreiviertelstündige Dokumentation über das Brieftaubenwesen an sich: „Der Heimflug der Brieftaube“ von Regisseur Adnan Köse.
„Wir sind ein bisschen aus dem Fokus der Öffentlichkeit gerutscht, wir wollen dorthin zurück“, sagt Groß, der Präsident, ein Pfälzer. Die Filme wollen sie über Youtube und über eigene Internetseiten zeigen und, wenn es besonders gut läuft, in Lehrpläne für Schulen einspeisen. Unter anderem „um jungen Menschen zu zeigen, dass es Brieftauben gibt und das sie etwas anders sind als Stadttauben.“
„Der Heimkehrwille hat mich fasziniert und das Warten, wann die ersten kommen“
Und so wurde eine neunjährige Jette gefilmt, man sieht sie jetzt, wie sie ihre Tiere füttert: „Ich mag, dass sie schön sind und dass sie immer wieder nach Hause fliegen.“ Georg Hochholzer (60) kommt als Vertreter der Älteren zu Wort: „Der Heimkehrwille hat mich fasziniert und das Warten darauf, wann die ersten kommen“, sagt der Vorsitzende der „Reisevereinigung Herne/Wanne 1900“. Dort integrieren sie gerade mit den Mitteln des Taubensports eine junge syrische Familie. Taubenvatta Idris, 23 Jahre.
Auf der Leinwand jedenfalls sind sich noch drei weitere junge Männer einig: „Wir hoffen, dass es mit dem Sport noch weitergeht, dass noch viele Leute nach uns kommen und die schönen Erlebnisse haben, die wir haben.“
Die Zahl der Taubenzüchter sank in 50 Jahren um zwei Drittel
Das ist nun, wenn man das so sagen darf, des Pudels Kern im Brieftaubensport: Er kämpft gegen seinen Abstieg. Auf dem Höhepunkt in den 1950er- und 1960er-Jahren gab es in Deutschland über 100.000 registrierte Züchter, heute sind sie noch stark gealterte 30.000. Dabei seien sie, sagt Dinslakens Bürgermeister Michael Heidinger (SPD) am Sonntag, „aus dem Ruhrgebiet genauso wenig wegzudenken wie der Förderturm, der Knappenchor und das Kleingartenwesen“.
Aber wegdenken ist das eine, einfach verschwinden das andere. Dagegen wehren sie sich mit diesen Filmen, mit einer zuletzt deutlich belebten Öffentlichkeitsarbeit und auch mit dem 2018 gegründeten „Tag der Brieftaube“. Das ist eine Art Tag der Offenen Tür am Schlag, und der nächste steigt am 19. April 2020. Sonntags, 12 bis 16 Uhr, bitte merken.
„Diesen Vogel haben mein Vater und ich geschenkt bekommen als Brieftauben-Ei“
Doch zurück nochmal in Kino 2, längst läuft die Dokumentation. Vor allem Züchter aus Dinslaken haben darin das Wort, und es wird rührend, aber auch nostalgisch. Heiko Feldkamp mit einer Taube in der Hand: „Diesen Vogel haben mein Vater und ich geschenkt bekommen als Brieftauben-Ei.“
Und Werner Reuking erzählt der Kamera von der ersten Goldmedaille einer seiner Tauben: „Da haben wir gefeiert, aber nicht von Pappe, drei Tage, 1957, August.“ Seine Frau Pia Reuking hat dagegen eine geheimnisumwitterte Technik entwickelt, die besten Tauben einer Ausstellung nur durch eine Reihe von Gesprächen herauszufinden. Gespräche mit den Tauben, versteht sich. Schräge Vögel.