Dortmund. Bunte Wiese statt dumpfer Parolen. Wie Stadt, Bürger und Polizei in Dortmund in einer Überraschungs-Aktion Nazi-Schmierereien übermalten.
Sie kommen früh am Morgen und als sie gegen Mittag wieder gehen, da hat sich was verändert im Dortmunder Stadtteil Dorstfeld. Auf den ersten Blick ist es nur eine Wand, auf der Nazi-Schmierereien übermalt worden sind. Auf den zweiten aber ist es viel mehr. „Wir haben“, sagt Nobert Dahmen, Dezernent für Recht und Ordnung der Stadt Dortmund, „ein Zeichen gesetzt.“ Wie lange es sichtbar ist, weiß allerdings niemand.
Die Stadt schläft noch, da rollen die ersten Mannschaftswagen der Bundespolizei in die Emscherstraße. Mehrere Mehrfamilienhäuser bewohnen Rechtsradikale hier und sprechen von ihrem „Hoheitsgebiet“. Und damit das auch jeder sieht, haben sie auf die Wände gegenüber den von ihnen bewohnten Häusern in großen Buchstaben „Nazi-Kiez“ geschmiert und eine alte Reichsflagge daneben gemalt. „Das war uns“, sagt Oliver Peiler, Leiter der Pressestelle der Dortmunder Polizei, „schon lange ein Dorn im Auge.“
Es war allerdings einer, der sich laut Aussage der Stadt nicht so einfach beseitigten ließ, weil weder der Begriff „Nazi-Kiez“ noch die alte Reichsflagge verboten sind. „Ordnungsrechtlich ist da nichts zu machen“, bestätigt Dahmen. Deshalb hat die Stadt „vor Monaten schon“ mit den Eigentümern der beschmierten Häuser gesprochen. „Die haben jetzt eingewilligt.“
Künstler kommen mit Maske und Kapuze, um anonym zu bleiben
Bezirksbürgermeister Ralf Stoltze hat daraufhin „viel telefoniert“ und mit Künstlern über eine Neugestaltung der Wand gesprochen. „Es gab mehrere Gruppen, die da mitmachen wollten.“ Am Ende sind es vier Sprayer aus der Graffiti-Szene, die die Nazi-Malerei übersprühen. In einem dunklen Kleinbus mit abgeklebten Nummernschildern fahren sie unter Polizeischutz vor, tragen schwarze Overalls mit Kapuzen und Masken. „Die Künstler wollen unerkannt bleiben“, sagt Stoltze, der zum Verein zur Förderung von Respekt, Toleranz und Verständigung in Dorstfeld gehört, der die Aktion mitorganisiert hat. Stoltze weiß aus eigener Erfahrung, wovon er da spricht: „Wer sich stark macht gegen die Neo-Nazis, der muss mit Ärger rechnen.“
Kaum beginnt das Quartett damit, ein Gerüst zusammenzustecken und Leitern an die Wände zu stellen, liegen die ersten Bewohner der Nazi-Häuser in den Fenstern. Und kurz darauf kommen einige auf die Straße. Sie zücken ihre Handys, filmen alles mit, maulen ein wenig herum, bleiben aber – wohl auch angesichts der massiven Polizeipräsenz – ansonsten friedlich. Einer schleppt einen großen Farbeimer aus dem Haus, und beginnt, von mehreren Polizisten beobachtet, damit, eine kleine Mauer, ein Stück weiter die Straße hoch, weiß zu streichen. „So lange die Mauer ihm gehört, ist das grundsätzlich nicht verboten“, sagt ein Beamter.
Innenminister Reul spricht von „riesigem Signal“
Als um kurz nach neun dann auch NRW-Innenminister Herbert Reul am Ort des Geschehens erscheint, liegt der Geruch von Farbe in der Luft, sind erste Buchstaben längst übermalt. Reul nickt zufrieden. Ein „riesiges Signal“ nennt er die Aktion von Stadt und engagierten Bürgern. „Ich finde es ungeheuer eindrucksvoll, wenn man sich mit so intelligenten Mitteln wehrt. Den Neo-Nazis darf man keinen Millimeter Raum geben.“
Gegen Mittag sind die Nazi-Schriftzüge verschwunden von den Häuserwänden. Eine große Wiese mit einem Gebirgszug im Hintergrund ist stattdessen dort zu sehen und von einem Ende zum anderen zieht sich der Schriftzug „Our colors are beautiful“ („Unsere Farben sind schön“).
Polizei behält neues Kunstwerk im Blick
Wie lange die Steinwiese unbeschädigt blüht, weiß am Freitag natürlich niemand. Dortmunds Polizeipräsident Gregor Lange allerdings zeigt sich zuversichtlich. „Wir werden dafür sorgen, dass der alte Zustand nicht wiederhergestellt wird“, kündigt er an, spricht von geplanter Videoüberwachung,
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will aber derzeit noch keine Einzelheiten nennen. Und selbst wenn die rechte Szene erneut zu Farbe und Pinsel greift, ist auch Polizeisprecher Peiler mit dem Ergebnis der Aktion zufrieden. „Wir haben den Rechten eine klare Symbolik genommen.“ Lange nickt. „Damit stellen wir klar, dass die absurden Besitzansprüche auf bestimmte Bereiche in Dortmund-Dorstfeld nicht existent sind.“
Das soll es aber nicht gewesen sein.
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Man werde auch in Zukunft alle Pläne durchkreuzen, einen Raum der Bedrohung und Einschüchterung zu schaffen, stellt der Polizeipräsident klar. „Egal, ob in Dorstfeld
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oder anderswo.“