Gütersloh. Er ist erst 13, aber schon ein Profi. Lion Krause verdient Geld damit, ein Videospiel namens Fortnite zu spielen. Wie es dazu gekommen ist.

Lion Krause ist zurück aus den USA, ist wieder in seinem Heimatort nahe Gütersloh. 55.000 Dollar reicher ist der 13-Jährige aber „eigentlich“, sagt er, „hat sich kaum etwas verändert in meinem Leben.“ Jedenfalls sitzt er weiter vor seinem Computer und spielt. Spielt ein Spiel namens „Fortnite“. So wie er es schon lange macht. Und zwar so gut, dass er zur Weltmeisterschaft nach New York fliegen durfte. Aber das ist möglicherweise erst der Anfang. Denn Lion ist mittlerweile ein professioneller E-Sportler - einer der jüngsten im Land

Aus Lion wird LYGHT - voll konzentriert ins Spiel

Die Teilnehmer des Fortnite World Cup sind auf einer Leinwand im Arthur-Ashe-Stadion zu sehen.
Die Teilnehmer des Fortnite World Cup sind auf einer Leinwand im Arthur-Ashe-Stadion zu sehen. © dpa | Benedikt Wenck

Da sitzt er nun vor dem Bildschirm. Kopfhörer auf den Ohren, Mikro vor dem Mund. Die Finger der linken Hand fliegen blind über die Computertastatur, mit der rechten Hand bewegt er blitzschnell seine Maus. Ansprechen ist jetzt schwierig bis unmöglich. Lion ist zu „LYGHT“ geworden, wie er sich im Netz nennt. Und LYGHT muss sich konzentrieren, sonst ist die Runde zu Ende, lange bevor die 25 Minuten um sind, die sie eigentlich dauert.

„Battle Royale“ heißt die kostenlose Fortnite-Variante, die Lion spielt. Dabei treten über das Internet bis zu 100 Spieler auf einer postapokalyptischen Insel gegeneinander an. Waffen und Ausrüstung müssen sie sich zusammensuchen, können Wände, Treppen und andere Gebäudeteile zum Schutz vor anderen Spielern bauen oder gegen die Konkurrenz kämpfen. Ein „Sturm“ macht das Spielfeld immer kleiner, so dass Konfrontationen mit zunehmender Spieldauer immer zwingender werden. Sieger ist, wer als letzter überlebt.

40 Millionen Spieler wollten sich für WM qualifizieren - 200 haben es geschafft

Sonst wird hier Tennis gespielt, in diesem Jahr war das Arthur Ashe Stadium in New York Austragungsort der Fortnite-WM.
Sonst wird hier Tennis gespielt, in diesem Jahr war das Arthur Ashe Stadium in New York Austragungsort der Fortnite-WM. © dpa | Benedikt Wenck

„Megacool“ findet Lion das Spiel, als er es im Netz entdeckt. Erst spielt er nur „aus Spaß“, aber bald ist er besser als die meisten, gegen die er online antritt. Er wird so gut, dass er sich für die Finalserie des Fortnite World Cups qualifiziert. Dort treten die 200 besten von 40 Millionen Bewerbern an. 50.000 Dollar gibt es dafür und für Lion darüber hinaus einen Vertrag mit der GamerLegion, einem Berliner Startup, das sich darauf spezialisiert hat, E-Sportler zu trainieren und Teams zu Turnieren zu schicken.

In einem Münchner Trainingslager nimmt ihn der Ex-Profi Christopher „chriZplosion“ Zerbe unter seine Fittiche. Bis zu zwölf Stunden trainiert er in dieser Woche jeden Tag – acht bis neun Stunden davon sitzt er am PC. Aufwärmen, Analyse, Körperhaltung, mentales Training. Vor allem aber schult Zerbe „das taktische Verständnis“ seines Schützlings. „Lion war schon sehr gut, als er zu uns kam. Wir haben intensiv an seinen wenigen Schwächen gearbeitet.“

24000 Zuschauer auf den Rängen - mehrere Millionen im Internet

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Ende Juli ist es dann soweit. Im Arthur Ashe Stadium in New York beginnt der World Cup. 24000 Besucher sitzen auf den Rängen, mehrere Millionen schauen über das Internet zu. „Ja“, sagt Lion, „es war schon etwas anderes, live vor so vielen Menschen zu spielen.“ Vor allem im Stadion sei es oft so laut und unruhig gewesen, „dass es schwierig war, sich auf das Spiel zu konzentrieren“. Am Ende landet „LYGHT“ auf Platz 80 und bekommt noch einmal 5000 Dollar. Kyle Giersdorf (16), der spätere Sieger erhält drei Millionen Dollar. Doch Lion ist nicht unzufrieden. „Ich fange ja gerade erst an.“

Die Fortnite-Welt ist bunt, hat aber ihre Tücken
Die Fortnite-Welt ist bunt, hat aber ihre Tücken © dpa-tmn | Epic Games

Er lernt allerdings schnell. Auch abseits des Computers. Wo Teenager wie er immer noch von vielen Erwachsenen nicht ernst genommen werden. „Kinder, die Tag und Nacht vor dem PC sitzen und sich selbst nicht mehr die Schuhe zubinden können“, hat die ARD-Sportschau-Moderatorin Julia Scharf sie in ihrer Anmoderation über E-Sport genannt. Und immer wieder wird Fortnite auch als „Killerspiel“ bezeichnet - obwohl es – anders als ähnliche Spiele – auf die ultrarealistische Brachial-Inszenierung verzichtet. Ja, es gibt Waffen, man muss schießen, aber gespielt wird in einer quietschbunten Landschaft, in der es weder Blut noch Schweiß und Tränen, dafür aber jede Menge skurrile Spielfiguren gibt. Abgeschossene Gegner verschwinden einfach von der Bildfläche.

Bisher lassen sich Schule und Videospiele miteinander vereinbaren

„Es geht nicht um Gewalt“, sagt Coach-Zerbe dann auch. „Es geht einfach darum besser zu sein, als die anderen.“ Das sehen die in Sachen Videospiele als äußerst streng geltenden deutschen Jugendschützer zumindest nicht völlig anders. Die – als sehr streng bekannte - Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) hat „Fortnite“ ab zwölf Jahren freigegeben. Und der Spieleratgeber NRW gibt für „Fortnite: Battle Royale“ als pädagogische Altersempfehlung das Mindestalter von 14 Jahren an.

Lion wählt seine Worte mittlerweile trotzdem mit Bedacht. Landauf, landab ist er rund um die WM mit dem Satz zitiert worden. „Mein Ziel war es schon immer, nie normal arbeiten gehen zu müssen. Jeden Tag ins Büro, acht Stunden lang und das über Jahre, das finde ich nicht so gut.“ Habe er so gesagt, gibt der Teenager zu. Er habe aber auch gesagt, dass es selbstverständlich einen Plan B gibt, der zunächst einmal darin besteht, die Schule abzuschließen und Abitur zu machen. Bei einem Schnitt in den Hauptfächern von 1,3 scheint das zu funktionieren. „Da achten meine Eltern auch drauf.“ Und ja, sagt er, „ich treffe mich auch mit Freunden, ich sitze nicht nur am Computer.

E-Sport-Profi Lion Krause
E-Sport-Profi Lion Krause © Privat / Handout | PRIVAT / HANDOUT

Lions Eltern kümmern sich auch um die Einnahmen. Zusammen mit seiner Mutter hat der Teenager jüngst sein erstes eigenes Konto eröffnet. „Alles eingezahlt“, sagt er. Fast alles. Ein klein wenig hat der Nachwuchs-Profi nämlich doch ausgegeben, wie er auf Nachfrage zugibt. „Ich habe mir“, sagt er, „einen neuen, schnelleren Computer gekauft.“