Bochum. 600 Millionen Menschen verfolgten die erste Mondlandung. Kaum jemand aber erlebte sie so hautnah wie die Mitarbeiter der Sternwarte in Bochum.

Er muss nur eine Tür öffnen und schon ist er wieder in der Vergangenheit. Rundherum ist vieles vergrößert und modernisiert worden, „aber mein Arbeitsplatz sieht noch aus wie vor 50 Jahren“, sagt Manfred Hünerbein. Der Platz an dem er sitzt am Abend des 20. Juli 1969 – am Abend, als die ersten Menschen auf dem Mond landen. Hünerbein ist live dabei, immer ein paar Sekunden früher als der Rest der Welt – Cape Kennedy mal ausgenommen. Denn Hünerbein sitzt im Technikraum der Sternwarte Bochum. Und die ist die einzige Station in Deutschland, die den Funkverkehr bei der Mondmission live mithören und aufzeichnen darf. So wird Hünerbein auch Ohrenzeuge, wie die erste Mondlandung beinahe in letzter Sekunde gescheitert wäre.

Techniker erinnert sich: „Das waren wilde Jahre“

29 Jahre ist er, als die Amerikaner zum Endspurt auf den Mond ansetzen. Ein junger Kerl aber trotzdem bereits ein „alter Hase“. Amateurfunker von Kindheit an, begeistert von allem Technischen, fasziniert vom Weltraum, wird er schon als Teenager Stammgast in der Sternwarte von Heinz Kaminski. Dann ruft der Bund aber als Hünerbein – ausgebildet von der Marine zum Funker und Elektroniker – seinen Wehrdienst hinter sich hat, kehrt er als Techniker zur Sternwarte zurück. „Wilde Jahre“, erinnert sich der gebürtige Weseler.

Optisch unverändert ist der Arbeitsplatz von Manfred Hünerbein, von dem aus er vor 50 Jahre die Antenne der Warte steuerte.
Optisch unverändert ist der Arbeitsplatz von Manfred Hünerbein, von dem aus er vor 50 Jahre die Antenne der Warte steuerte. © Lars Heidrich / FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Denn seit die Sowjetunion 1957 mit dem Sputnik den ersten Satelliten in die Erdumlaufbahn geschickt hat, liefert sie sich mit den USA einen Wettrennen um die Vorherrschaft ins All. Hunde, Affen und schließlich auch Menschen werden in den Weltraum geschossen. Immer länger immer weiter. Und stets sind die Männer von der Sternenwarte live dabei. Die Russen – ganz wild auf Propaganda – verbreiten die Frequenzen, auf denen sie funken und bei den Amerikanern ist es nicht zuletzt eine Freundschaft zwischen Kaminski und dem deutschen Raketeningenieur in Diensten der NASA, Wernher von Braun, die die Bochumer mitlauschen lässt. Was übrigens einfacher ist, als im damals noch sehr dunstigen Ruhrgebiet zu den Sternen zu sehen. Vor allem, wenn man eine 20 m-Parabolantenne hat, wie Kaminski.

„Kap Kaminski in Lauerstellung“

Auch das Apollo-Programm haben die Männer aus Bochum von Beginn an mit Erlaubnis der NASA verfolgt. Vieles ist längst Routine aber als Hünerbein von zu Hause aufbricht an jenem 20. Juli, da weiß er: „Das wird ein besonderer Abend.“ Und die WAZ hatte bereits am Tag nach dem Start von Apollo 11 verkündet: „Kap Kaminski seit gestern in Lauerstellung. Von heute ab wird der Name Bochum immer wieder in Verbindung mit dem Mondflug genannt werden.“

Bochumer Antenne immer noch aktiv

Die Sternwarte Bochum ist immer noch aktiv. Seit Ende der 90er Jahre ist die Antenne kontinuierlich technisch überholt und an aktuelle technische Standards angepasst worden und damit regelmäßig in verschiedenste Raumfahrtprojekte eingebunden.

Für die NASA und das DLR läuft täglich der Empfang der sogenannten Stereo-Raumsonden der NASA zur Überwachung der Sonnenaktivität im Rahmen eines Forschungsprojektes.

Vom Mondaufgang an sitzt Hünerbein an seinen Steuergeräten. Ohne ihn bleibt die Anlage stumm. Denn er ist – vor den Augen der Fernsehkameras des WDR- dafür verantwortlich, dass die Bochumer Antennen richtig ausgerichtet sind. Nicht nur auf den Mond, sondern auch auf die Landefähre, mit der Neil Armstrong und Edwin „Buzz“ Aldrin der Oberfläche entgegenschweben. „Wenn ich die Antenne nur um ein paar zehntel Grad weggedreht hätte, hätten wir das Signal verloren“, sagt Hünerbein.

Dramatische Minuten vor der Landung auf dem Mond

Ist nicht passiert. Und so ist er dabei, als sich die Ereignisse zuspitzen. Es beginnt etwa sieben Minuten vor der Landung der Mondfähre als Aldrin plötzlich „Programmalarm!“ ruft. Der Bordcomputer mit seinem Speicher von sage und schreiben 74 Kilobyte – jeder Taschenrechner hat heute mehr - ist überlastet. Das Kontrollzentrum in Houston aber setzt auf die Landeradars und die Bahnverfolgungsantennen auf der Erde und rät zur Fortsetzung der Mission.

Aber es kommt noch schlimmer. Denn der automatische Landeanflug will die Fähre mit dem Namen „Eagle“ mitten in einem von Geröll übersäten Kraterfeld herunterbringen. „Wir haben schon mitbekommen, dass die Lage ernst ist“, erinnert sich Hünerbein. Armstrong schaltet kaltblütig auf Handsteuerung, sucht nach einem geeigneten Landeplatz. Als er ihn gefunden hat, hat die Fähre noch Treibstoff für 23 Sekunden. „The Eagle has Landed”, klingt es aus dem All – „der Adler ist gelandet.“ Es ist 21.17 Uhr in Deutschland. „Wir haben dann erst einmal angestoßen.“

Beim Ausstieg aus der Fähre war der Mond untergegangen

Den legendären Ausstieg selbst bekommt Hünerbein allerdings nur am Fernsehen mit. „Der Mond war bei uns um 22.42 Uhr untergegangen, wir konnten keine Daten mehr empfangen.“ Am nächsten Tag aber sitzt er wieder im Steuerraum. So wie bei allen folgenden Apollo-Missionen auch, bei denen die Sternwarte nun nicht nur Töne sondern auch Bilder aus dem All empfängt. Und er ist live dabei, als Apollo 13 verkündet: „Houston, wir haben ein Problem.“

Das Ende des Apollo-Programms ein paar Jahre später nach Flug Nummer 17 tragen die Bochumer mit Fassung. „Alles was die Missionen bringen sollten, haben sie gebracht. Weiterzumachen wäre Quatsch gewesen“, sagt Hünerbein.

Die Original Tonbandgeräte mit denen die Signale vom Mond aufgezeichnet wurden sind an diesem Wochenende in Bochum zu sehen.
Die Original Tonbandgeräte mit denen die Signale vom Mond aufgezeichnet wurden sind an diesem Wochenende in Bochum zu sehen. © Lars Heidrich / FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Geblieben sind Berge von Daten im Archiv, die damals auf Magnetbändern mitgeschnitten wurden, heute aber von altersbedingter Zerstörung bedroht sind. Digitalisierung soll die historischen Augenblicke retten. „Es wird höchste Zeit“, sagt der Antennenspezialist, der später technischer Leiter des Bochumer Planetariums war.

Nie an der Landung gezweifelt

Geblieben sind auch die Skeptiker, von denen einige bis heute glauben, die Mondlandungen seien samt und sonders in einem TV-Studio inszeniert worden. Hünerbein lächelt, er weiß, woher die Daten gekommen sind. Für einen Betrug, erklärt er, hätte man schon einen Sender auf dem Mond installieren müssen. „Nein“, sagt er deshalb, er habe keine Zweifel gehabt, dass die Amerikaner tatsächlich auf dem Erdtrabanten gelandet seien. „Nie, nicht eine Sekunde lang.“

In Bochum wird das Jubiläum „50 Jahre Mondlandung“ an diesem Wochenende gleich an mehreren Orten gefeiert. Auch im TV gibt es zahlreiche Sendungen zum Thema. So zeigt etwas der WDR die Dokumentation „Als keiner schlafen wollte - Die Mondlandung“. (WDR, 20.7., 23.45 Uhr).