Lügde/Detmold. Die frühere Pflegetochter (8) des Angeklagten Andreas V. hat im Lügde-Prozess ausgesagt. Das Leid hat sie sprachlos gemacht, sagt ihr Anwalt.
Im Prozess um den hundertfachen Kindesmissbrauch von Lügde gegen zwei Angeklagte hat eine zentrale Zeugin - ein achtjähriges Mädchen - ihre belastenden Aussagen bekräftigt. Die frühere Pflegetochter des Angeklagten Andreas V. habe vor dem Landgericht Detmold bestätigt, dass alle ihre Angaben gegenüber der Polizei bei den Ermittlungen richtig seien. Das schilderte ihr Anwalt Cornelius Pietsch nach der „kindgerecht verlaufenen“ Befragung unter Ausschluss der Öffentlichkeit am Freitag.
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Seine Mandantin hatte ab Frühjahr 2016 etwa zweieinhalb Jahre lang in der heruntergekommenen Camping-Unterkunft von Andreas V. im westfälischen Lügde gelebt. Ihr soll besonders schweres Leid zugefügt worden sein. Den Ermittlungen zufolge war sie in mehr als hundert Fällen sexuell missbraucht worden.
„Ihre Sprachlosigkeit spricht Bände“
Das Mädchen werde in einer Einrichtung betreut, später eine Therapie beginnen, sei aber noch nicht so weit, „über die Dinge zu sprechen“, sagte Pietsch. „Ihre Sprachlosigkeit spricht Bände.“
Das Kind war erst fünf Jahre alt, als die Übergriffe begannen. Der Landkreis Hameln in Niedersachsen hatte Andreas V. als Pflegevater eingesetzt - das soll auf Wunsch der überforderten Mutter geschehen sein.
Zahlreiche Versäumnisse im Fall Lügde
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In dem Komplex hatte es zahlreiche Versäumnisse gegeben - parallel zum Prozess laufen Ermittlungen gegen Mitarbeiter von Jugendämtern und Polizei. Um keine erneute Traumatisierung zu riskieren, wurden die Angeklagten vor der Befragung des Mädchens aus dem Saal entfernt.
Andreas V. (56) und Mario S. (34) wird jahrelanger, teilweise schwerer sexueller Missbrauch von 34 Kindern und Jugendlichen auf dem Campingplatz und in der Wohnung von Mario S. in Steinheim vorgeworfen. Sie sollen einige Gewalttaten auch gefilmt haben. Beide Männer hatten zu Prozessbeginn vor zwei Wochen ein Geständnis abgelegt.
E-Mails zeigen: Angeklagter erschlich sich Vertrauen seiner Opfer
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Die Vorsitzende Richterin Anke Grudda las am Freitag Emails aus den Jahren 2012 und 2013 - gefunden auf einer Festplatte von Andreas V. - vor, die belegen, wie sich der Angeklagte auf perfide Weise das Vertrauen seiner Opfer erschlich: Mal versprach er ein Handy oder ein Notebook zu besorgen, dann bat er, doch mal eine Freundin mitzubringen.
Er sprach die Mädchen mit „Schatz“ oder „mein Kind“ an. In den Mails nannten ihn die Kinder „Papa“, „Addi“ oder „Papa-Bär“. Ein Kind schrieb, sie habe ihn lieb, aber: „Ich möchte nicht, dass du bei mir rumfummelst.“
Zwei Mädchen, die eigentlich aussagen wollten, brachten die Kraft dazu doch nicht auf, wie deren Anwältin erklärte. Es falle den Kindern bis heute sehr schwer, über die Ereignisse zu sprechen. Sie schämten sich, würden von Ekelgefühlen und Alpträumen geplagt. Das Verfahren wird in zwei Wochen fortgesetzt. (dpa)