Duisburg. Eine wachsende Zahl von Menschen empfängt die Taufe auf Tauffesten: in großen Gruppen und am Wasser. Im Freibad bleibt das nicht konfliktfrei.
Noch ist es nur Plantschen. Kinder spritzen, treten Wasser, suchen Muscheln, werfen Steinchen. Am Sandstrand des Freibads in Großenbaum könnte nichts normaler sein an einem hitzigen Samstagvormittag wie diesem. Wären da nicht acht Schilder aufgebaut am langen Strand mit biblischen Ortsnamen wie Tiberias, Magdala oder Kapernaum; stünde nicht die provisorische Bühne da hinten, auf der der Kinderchor sich gerade einsingt: „In einem Boot mit Jesus.“
Denn in diesem Naturbad im Duisburger Süden wird gleich getauft. Und zwar richtig: zwei Erwachsene und 74 Kinder. 16 Täufer werden nasse Füße bekommen, 320 Urkunden ausgestellt; über 1000 Mütter und Väter, Paten und Anverwandte sind mitgekommen.
Halleluja, doch im Hintergrund Schwimmnudeln
Am Ufer gegenüber sind 30, 40 normale Badegäste absprachewidrig ins Bad gelangt, doch auf einer schwimmenden Plattform in der Mitte des Sees wacht Schwimmmeister Leon Schreyl darüber, dass die Gruppen einander nicht in die Quere kommen. Das gelingt ihm auch; dafür gehen sie sich später im Internet entschlossen an, aber das würde jetzt wirklich zu weit führen. Halleluja – doch im Hintergrund Schwimmnudeln.
Die Broschüre „Taufen – dafür ist es nie zu spät“ beginnt mit einem Satz, den man in einem Heft der Evangelischen Kirche im Rheinland eher nicht erwarten würde: „Die Outdoor-Saison hat begonnen.“ Freilich folgt die Erklärung auf dem Fuße: „Auch die Kirche zieht’s nach draußen: Immer öfter werden Taufen nachgefragt, die an Bächen, Flüssen oder Seen gefeiert werden.“ Wie in Duisburg. Segen im Sand.
In Hamburg gab es schon ein Tauffest mit mehr als 500 Täuflingen
Es gibt keine Zahlen zum Phänomen dieser ausschließlich evangelischen Tauffeste. Die katholische Kirche tauft ausschließlich in Kirchen und Kapellen, um die Aufnahme in die Gemeinde zu betonen: „Bei uns kann man nur gemeinsam glauben“, sagt ein Sprecher des Ruhrbistums.
Fest steht aber: Bei den Protestanten werden die Tauffeste mehr und mehr. In Hamburg gab es schon eines mit mehr als 500 Täuflingen. „Wir begrüßen alle Bemühungen, die Taufe in neuer Gestaltung attraktiver zu machen“, sagt eine Sprecherin der „Evangelischen Kirche in Deutschland“. Taufen in großen Gruppen seien „für viele Menschen äußerst ansprechend“, insbesondere „Ganzkörpertaufen in fließenden Gewässern haben ein anderes Erlebnispotenzial“.
Anderthalb Stunden wird es dauern in Duisburg. Wer kann, flüchtet sich in Schatten, alle anderen wissen nicht, wohin mit der ganzen Sonne. „Danke für diesen guten Morgen“, singt der Kinder- und Jugendchor Großenbaum-Rahm, „Danke für die Sonnenschirme“, raunt ein Mann seiner Frau zu.
Ganzkörpertaufen sind auch dabei, doch nur wenige
Und dann ist es soweit. „Die Taufe ist ein Gottesgeschenk. Er sagt: Du bist mein geliebtes Kind.“ So erklärt Superintendent Armin Schneider jenen Besuchern, die vielleicht nicht ganz so firm sind und doch eher das Erlebnis suchen, warum sie hier sind. Was viele nicht ahnen: Sie sind in der äußeren Form sehr nah an der traditionellen Taufe; die heute vorherrschende, vor der Gemeinde, hat sich erst nach 1945 durchgesetzt.
Dann werden die Täuflinge in vorbereitete Gruppen eingeteilt, deshalb ja die Ortsnamen; und danach tritt eine Familie nach der anderen unterschiedlich weit ins Wasser, wo Menschen in nassen Talaren die Kinder taufen. Ganzkörpertaufen, ja, sind auch dabei, doch wenige. Lasset die Kinder zu mir tauchen.
„Wenn es draußen schöner ist, machen wir es da“
Bei Gottesdiensten im Freien, sagt die Pfarrerin Ute Sawatzki, herrsche immer „eine besonders schöne Atmosphäre“. Viele Leute bevorzugten diese Form, statt klassischerweise bei der Taufe allein in der Kirche vor der Gemeinde zu stehen. „Die Kirche ist für uns ein Zweckraum, und wenn es draußen schöner ist, machen wir es da“, sagt Sawatzki.
Das ist auch, was die Leute in Großenbaum sagen. Tanja Abel etwa empfindet diese Form der Taufe als „bibelnah. Johannes der Täufer hat ja auch im See getauft.“ Das Tauffest sei auch „nicht so konservativ“; ihre Kinder Emily (9) und Benjamin (7) hätten sich jetzt gewünscht, getauft zu werden. Ähnlich argumentiert Marco Schoengen: „Nicht klassische Kirche, nicht im Anzug, losgelöst von jedem Zwang. Ein schöner Rahmen!“
Das Glück strahlt in die Kamera
Familienfotos mit nassen Füßen. Während die Schoengens und die Paten im Wasser stehen und glückstrahlend in eine Fotokamera schauen, steht ihre kleine Sophie davor. Sie hält sich mit links an Vaters Hand fest, mit rechts gräbt sie längst konzentriert im Sand am Grund des Sees. Jetzt ist es Plantschen mit Gottes Segen.