Ruhrgebiet/Luxemburg. . In der Debatte über Fahrverbote schafft der Europäische Gerichtshof nun Klarheit. Das Urteil ist auch eine Watsche für Verkehrsminister Scheuer.
Die Luftverschmutzung in Städten soll nach strengen Vorgaben gemessen werden. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) stärkte am Mittwoch in einem Grundsatzurteil die Position von Umweltverbänden mit Blick auf Fahrverbote und Dieseldebatte. In drei Punkten präzisierten die Richter in Luxemburg das geltende Recht: Bürger können bei Gericht überprüfen lassen, ob Messstationen richtig platziert sind. Zudem seien die Stationen an den am stärksten belasteten Orten einzurichten. Und Städte dürfen nicht die Ergebnisse mehrerer Messstellen für einen Stadtteil zusammenrechnen – schon wenn an einer Station die Werte im Mittel zu hoch liegen, zählt dies als Verstoß gegen EU-Regeln.
Auch deutsche Städte versuchen zu mogeln
Das Urteil bezieht sich auf einen Streitfall in Brüssel und dürfte vor allem Länder betreffen, in denen das EU-Recht bislang nicht so streng ausgelegt wird wie in Deutschland. Aber auch Stuttgart und München hatten laut Deutscher Umwelthilfe (DUH) vor Gericht mit Gebietswerten argumentiert. In Nürnberg klagt die DUH derzeit auch für eine neue Positionierung der Messstationen an den tatsächlich stark belasteten Stellen. Vor allem nimmt das Urteil den Kritikern der Messverfahren den Wind aus den Segeln – eine Watsche für Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU).
Größere praktische Auswirkungen sind für NRW nicht zu erwarten. Hier werde „die EU-Luftqualitätsrichtlinie von jeher so verstanden, dass eine Grenzwertverletzung auch an einer einzelnen Landesmessstelle Luftreinhaltemaßnahmen nach sich ziehen muss“, erklärt NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU). Sie sieht ihre Vorgehensweise gestärkt. „Die Positionierung der Messstellen wurde im November vergangenen Jahres vom TÜV Rheinland überprüft und nicht beanstandet.“ Aktuell werde noch geprüft, ob die Messstellen großräumig korrekt aufgestellt sind. Laufend würden bereits Anregungen aus den Städten für neue Messstellen oder die rechtlich korrekte Positionierung berücksichtigt. Darum seien keine vermehrten Klagen von Bürgern zu befürchten, erklärte eine Sprecherin des NRW-Umweltministeriums.
Keine neue Klagewelle
Auch die Umweltorganisation Bund sieht keine neue Klagewelle. „Die haben wir ja schon“, sagt NRW-Sprecher Dirk Jansen. Bis auf wenige Ausnahmen seien die Messstellen im Land korrekt aufgestellt. Es könne sein, dass 50 Meter weiter ein noch höherer Wert gemessen werde, aber das seien akademische Fragen. „Die Datenlage ist ja klar“, so Jansen. Dies bestätigt die DUH, die derzeit in 36 Städten auf die Einhaltung der Grenzwerte klagt, was in erster Instanz oft die gerichtliche Androhung von Fahrverboten zur Folge hatte wie in Essen an der A40 oder in Gelsenkirchen an der Kurt-Schumacher-Straße. Abschließende Urteile stehen in NRW noch aus. Wenn Bürger aber weitere belastete Stellen melden würden, seien Klagen nicht ausgeschlossen, so Sprecherin Ann-Kathrin Marggraf. „Wir messen bereits an den Hotspots, die repräsentativ sind für die höchste Belastung“, sagt Jasmin Trilling für die Stadt Essen. Ob Bürger künftig für weitere Messstellen klagen, müsse man in der Praxis sehen.
DUH wie Bund sehen durch das EuGH-Urteil die bisherige Rechtsprechung deutscher Gerichte bestätigt. Vor allem aber sei es „ein Wink mit dem Zaunpfahl an alle Politiker, die die konsequente Luftreinhaltung unterlaufen wollten“, sagt Bund-Sprecher Jansen. „Die Strategie, die Messstellen, ihre Standorte und die Methodik in Frage zu stellen, sei gescheitert.“ Verkehrsminister Andreas Scheuer hatte mehrfach Zweifel an den Standorten von Messstationen geäußert. Es könne nicht sein, dass die Geräte direkt an Kreuzungen oder Busbahnhöfen aufgebaut würden. Die Befürchtung war, dass Messergebnisse fälschlicherweise zu hoch ausfallen könnten und auf dieser Grundlage unnötig Fahrverbote erwogen würden. Die FDP sprach von „Messwahnsinn“ und forderte ebenfalls, Messstellen nicht in nächster Nähe von Emissionsquellen aufzustellen. (mit dpa)