Duisburg. . Bandidos und Hells Angels kontrollieren das Duisburger Rotlichtviertel um die Vulkanstraße. Wie haben die Rocker-Banden das geschafft?

Mal wieder nix los im „Fat Mexican“. Die Rockerkneipe am Zugang zum Duisburger Rotlichtviertel, wirkt verrammelt, die gelb-rote Fassade mit ihren Kameras wie eine Warnschranke, die oberen Fenster sind schwarz wie Schießscharten. Eines weiter unten öffnet sich, dahinter eine Szene wie aus der Kellerbar: zwei Bandidos beim Bier, hinter ihnen hängt ein Sombrero ... Trutzburg und Vereinsheim, organisierte Kriminalität und öffentlicher Auftritt – das Milieu der Rocker ist voller Widersprüche. Sie müssen nicht mal patrouillieren und herrschen doch über den größten Bordelldistrikt zwischen Hamburg und Amsterdam. Wie machen die das?

Die Besitzverhältnisse rund um die Vulkanstraße sind auch für die Behörden nicht eindeutig zu klären. „Die Gesellschaften wechseln ständig, ihre Sitze, ihre Geschäftsführer, die Beteiligungen“, erklärt ein Experte der Polizei – auch in Form schwarzer Kredite, was kaum nachzuvollziehen ist. Klar ist jedoch, dass zwei Rocker-Banden, die Bandidos und die Hells Angels, „einen wesentlichen Teil des Gewerbes“ kontrollieren über ihre „Sicherheitsdienste“.

Der Polizist formuliert es fachlich: „Schutzgelderpressung gehört zum Standardgeschäft von Rockerbetrieben“. Allein ihre Präsenz wirkt abschreckend. Man sieht sie auch kaum in den Bordellen: Der „Security“-Bereich im „Vulkanhaus“ versteckt sich hinter Spiegelfolie. Auch Harleys brettern nicht mehr regelmäßig durchs Viertel.

Clans, Mafia und Heißsporne

2013 schlugen sich etwa 100 Rocker von Bandidos und Hells Angels vor dem Fat Mexican.
2013 schlugen sich etwa 100 Rocker von Bandidos und Hells Angels vor dem Fat Mexican. © Stephan Eickershoff

Es gibt jedoch auch Häuser, die Clans gehören, aktiv sind auch die italienische Mafia und der alteingesessene Duisburger Kriminelle. „Stakeholder“ nennt sie der Beamte – und momentan sind sich alle Anspruchsgruppen einig, dass zuviel Öffentlichkeit das Geschäft schädigt. Das haben sie gelernt, in den Jahren des Rockerkrieges, der am 8. Oktober 2009 vor dem „Fat Mexican“ begann, als der Hells Angel Timur A. den Bandido Rudi Heinz E., genannt Eschli (32) erschoss. Danach ging es einige Jahre Auge um Auge. „Doch wer welche Tür macht, ist derzeit geklärt in Duisburg“, sagt der Experte der Polizei. Wenn es Vorfälle gebe, seien es „Heißsporne“, die ohne Zustimmung von oben handeln.

Eschli zum Beispiel war wegen räuberischer Erpressung, gefährlicher Körperverletzung, Landfriedensbruchs und Bedrohung vorbestraft. Als Bandido betätigte sich der offiziell Arbeitslose auch als Zuhälter und beteiligte sich an einem Bordell. Die Polizei sieht das Kerngeschäft der Rocker jedoch in der „Sicherheit“. „Wer die Tür macht, dem gehört der Laden“, sagt der Experte. „Die wissen, wo der Drogendealer steht, wer die Stammkunden sind, welche Prostituierte viel verdient.“ Und sie verdienen mit.

Dabei werden sie nicht der einzelnen Frau auf die Füße treten. Dazu ist das Geschäft zu professionell: Der Bordellbetreiber ist offiziell nur Vermieter, die Prostituierte selbstständig. 130 Euro pro Tag zahlt sie für ihr Zimmer, etwa 400 gibt es derzeit im Distrikt, da der „Sexxx Palace“ mit seinen hundert Betten still liegt. Die Belegungsquote liegt laut Polizei bei etwa 80 Prozent. Man kann sich ausrechnen, dass die Einnahmen allein aus „Vermietung“ monatlich die Million deutlich übersteigen.

Rocker professionalisieren ihre Geschäfte seit 2000

Kontrollen in der Rockerszene in Essen
Kontrollen in der Rockerszene in Essen

Doch was erklärt den Aufschwung der Rocker? Schon Mitte der 80er knatterte Götz George im Tatort mit Rockern durchs Revier, und schon damals waren einige von ihnen im Milieu aktiv, erinnern sich Polizisten. Der große Umbruch kam jedoch um 2000, als die Vulkanstraße ausbaute, größer wurde, sauberer und damit lukrativer. Bordellbetreiber in ganz Deutschland reagierten damals auf das rot-grüne Prostitutionsgesetz, das schon zuvor absehbar ab 2002 das Anschaffen legalisierte und der Polizei de facto die Handhabe nahm, effektiv die Prostitution einzudämmen. „Die Stadt Duisburg hat sehenden Auges Häuser verkauft an Leute, die sie in Bordelle umwandeln wollten“, sagt ein Experte der Polizei.

Und zeitgleich professionalisierten sich die Rocker. Bis 1999 waren die deutschen „Clubs“ zersplittert, doch in diesem Jahr trat der größte von ihnen, der Bones MC, der internationalen Bandenorganisation Hells Angels bei. Auf dem Fuße akquirierten die ebenfalls weltweit aktiven Bandidos drei deutsche Gruppen. Damit gewannen sie an Größe und Flexibilität – entscheidende Wettbewerbsvorteile. Zuletzt verdoppelten die Rocker ihre Mitgliederzahl etwa alle drei Jahre.

Eine „weltweite Organisation“

„Die Rocker sind von der Idee her eine weltweite Organisation. Ein Familienclan dagegen steht erst einmal für sich“, erklärt der Polizeiexperte. „Der Clan rekrutiert sein Personal aus der Familie“, egal wie geeignet oder nicht, die Rockerbande hat dagegen ein sehr strenges Auswahlverfahren. Der Clan ist erst einmal sesshaft, die Rocker zeigen sich flexibel bei der Wahl ihrer Standorte.

Die Hells Angels haben zum Beispiel kein Clubheim in Duisburg, das nächste liegt in Dinslaken. Das hindert sie nicht, an der Vulkanstraße präsent zu sein, wo die Freier ein und ausgehen, einige bemüht unsichtbar, andere mit proletenhaftem Selbstbewusstsein, Gruppen plaudern und palavern. Das Fat Mexican wacht im Hintergrund über diese trostlose Geschäftigkeit, ein greller Farbklecks am Eingang zur parallelen Charlottenstraße, die sich in Grau, Ruinen und Pissegestank ausläuft. Aus einer Fassade wachsen schon Sträucher. Dies ist der Wilde Westen des Ruhrgebiets. Die Höllenengel kontrollieren die Rheinschiene, die Banditen das Ruhrgebiet, in Duisburg überschneiden sich ihre Interessen. Darum kann es hier jederzeit knallen.

>> Info: Die Stadt profitiert finanziell

381 Prostituierte sind in Duisburg gemeldet. Die Dunkelziffer liegt aber auch nach Einschätzung der Stadt deutlich höher.

Die Stadt Duisburg profitiert neben den üblichen Gewerbe- und Einkommenssteuern auch von der Bettensteuer: Zuletzt lagen die Einnahmen hier bei etwa 780.000 Euro im Jahr.