Gelsenkirchen. . Häuser werden renoviert, neue Firmen angeworben. Gelsenkirchen hat sich fest vorgenommen, den einstig prächtigen Stadtteil Ückendorf zu retten.
Als Christel Pafferath dieses Haus erstmals betrat, war es eine Ruine, die sich mit Mühe auf den Beinen hielt; vielleicht ließen auch nur die Stromleitungen es nicht umfallen, die Vorbewohner kreuz und quer gelegt hatten, wie es ihnen gerade in den laienhaften Sinn kam. Dazu „Schimmel, Wasserschäden, eingebrochener Holzboden“, erinnert sie sich.
Davon sieht man nichts mehr, heute hat die Gelsenkirchenerin hier sehr schöne Ateliers und Arbeitsräume, und ihr Mann macht in seiner Werkstatt im Hof aus besonderen Motorrädern erstklassige Motorräder. „Die Mühlen mahlen langsam, aber sie mahlen“, sagt Christel Pafferath, wenn sie aus den bodentiefen Fenstern schaut: „Ich hoffe, dass das hier ein kleiner Kiez wird.“
Einst das Wohnviertel der Direktoren
Hier, das ist Gelsenkirchen-Ückendorf. Der Vorort, der an Bochum und Herne grenzt, war einmal die bessere Innenstadt, war das Wohnviertel der Direktoren. Und die Bochumer Straße war Ausgehmeile und Prachtstraße des alten Gelsenkirchen, man sieht es noch an den vielen Gründerzeitbauten. Hier lag der erste Abwasserkanal der Stadt. Hier brannte die erste elektrische Straßenlaterne. Lange her: Die Bürger zogen fort, die Bochumer Straße wurde erst bunt und dann grau und schmierig.
Gelsenkirchen kämpft um Ückendorf
Seit Jahren ist sie weitgehend verkommen, ein paar Imbisse halten sich noch und einige ausländische Cafés, in die man nicht hineinschauen kann. Der Höhepunkt des Geschäftslebens heißt: KiK.
2,5 Arbeitsstellen sollen helfen
Die Frau, die das alles im Auftrag ihrer Stadt ändern soll, sitzt um die Ecke in Büros an der Bergmannstraße und blickt sinnigerweise auf ein gesperrtes Stück Bürgersteig gegenüber: Der Erker im ersten Stock möchte dort abstürzen. Helga Sander ist die Geschäftsführerin der „Stadtentwicklungsgesellschaft Gelsenkirchen (SEG)“; das hört sich gewaltig an, das sind aber auch nur 2,5 Stellen plus zwei Hausmeister plus zwei Werkstudentinnen.
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Dafür ist Geld mal nicht so ein großes Problem, die Idee war: Die SEG vermarktet ein großes Baugelände im vornehmen Buer, und das Geld fließt nach Ückendorf. Zehn Millionen Euro bisher. „Kriegen wir eine nachhaltige Besserung hin? Ich behaupte: Ja“, sagt Sander. Dann muss sie wieder los. Mittendrin zu sein und nicht im fernen Rathaus, das gehört zum Plan.
Haus Reichstein wird öffentliches Modellhaus
Im „Haus Reichstein“ an der Bochumer Straße schaut sie nach dem Stand der Dinge. Hier sind gerade vier Mann mit Bohrern zugange, doch sie wissen offenbar, was sie tun: und haben als erstes die Decken abgestützt, damit sie ihnen nicht auf den Kopf fallen. Unten war diese legendäre Stehbierhalle „Haus Reichstein“, darüber wohnte man gut.
Jetzt wird das Gebäude, das im Innern in Trümmern liegt, ein öffentliches Modellhaus: Hausbesitzer können sich hier später einmal informieren, wie sie sinnvoll mit der alten, edlen, in Auflösung begriffenen Substanz in ihren Häusern umgehen. Mit Terrazzo-Böden und Holzbalken, mit alten Geländern, riesigen Schiebetüren, gelegentlich auch Stuck.
Schrottimmobilien gekauft und saniert
30 solcher Häuser hat die SEG bisher gekauft, viele Schrottimmobilien darunter. Hat sie saniert und vermietet, an Studenten und an Künstler zunächst.
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„Sehr spannend, was in Ückendorf passiert“, sagt Klaus Ramma. Er steht in seinem Tonstudio, und kein Mensch käme auf die Idee, dass das einmal eine komplett geflieste, schangelige Metzgershalle war. Augenzeugen streiten sich, ob in den langen Jahren des Leerstands die Fleischerhaken noch dort hingen.
Neue Bewohner, neue Gastronomien
Sie arbeiten mit dem ganz großen Besteck, um Ückendorf zu retten. Wollen neue Bewohner anlocken, neue Gastronomien, neue Firmen. 15 bis 25 Kinder stehen jeden Morgen vor der neuen Kita, wo sie sich nicht fest anmelden müssen.
Dann ist „Ücky“ neu, das Jugendzentrum, „Subversiv“, das soziokulturelle Zentrum; der Umbau einer Lagerhalle in eine Sporthalle läuft noch, Arbeitstitel: „Integration durch Sport.“ Und aus Marxloh haben sie „Tausche Bildung für Wohnen“ importiert: Studenten kümmern sich um bildungsferne Kinder und wohnen im Gegenzug mietfrei.
Firma für IT-Sicherheit zieht ein
Die SEG ihrerseits wird jedenfalls im Mai umziehen. Einmal um die Ecke, 300 Meter die Bochumer Straße hoch. In ihre jetzigen Räume zieht dann „Aware7“, eine junge Firma aus dem Bereich IT-Sicherheit.
Passt.