Essen. . In Essen habe Experten aus Wissenschaft und Politik zum Thema Clankriminalität beraten. Die Zahlen dokumentieren die Dimension des Problems:

Gewaltdelikte, Drogen- und Waffenhandel, illegales Glücksspiel - in NRW sind kriminelle Mitglieder von Familienclans für etliche Straftaten verantwortlich. Die Bekämpfung dieser Clan-Kriminalität gehört nach Angaben des Innenministeriums zu den Schwerpunkten der nordrhein-westfälischen Landesregierung.

Bei einer Expertentagung in Essen machte Thomas Jungbluth, Abteilungsleiter beim Landeskriminalamt, die Dimension des Problems deutlich. Erste und wichtigste Erkenntnis des neuen Lageberichtes: Demnach wurden von kriminellen Familien-Clans mit zumeist libanesisch-kurdischen Wurzeln in den vergangenen drei Jahren 14.225 Straftaten begangen, 6449 Verdächtige wurden ermittelt. Jeder fünfte der Verdächtigen war überraschenderweise weiblich. Es gebe, so Jungbluth, allerdings noch eine hohe Dunkelziffer, weil die Anzeigebereitschaft in dem Milieu gering sei.

Essen mit 1271 Tatverdächtigen Spitzenreiter der Clankriminalität

Bei einem Drittel der Straftaten handelte es sich um Gewaltdelikte, 26 mal ermittelte die Polizei wegen Tötungsdelikten. Wie Jungbluth erläuterte, gebe es einen harten Kern von Intensivtätern, die bereits mehr als vier Mal bei einer Straftat dingefest gemacht wurden. Fünf Prozent aller Straftäter seien für mehr als 30 Prozent der erfassten Straftaten verantwortlich. Das Zentrum der Clan-Kriminilät in NRW sei die Stadt Essen mit 1271 ermittelten Tatverdächtigen. Und- ebenfalls eine wichtige Erkenntnis des ersten Lagebildes zu dem Thema: Es gibt nicht 50, sondern insgesamt 100 solcher Familienclans, deren Mitglieder regelmäßig in der Kriminalitätsstatistik auftauchen.

Bei der Fachtagung in Essen beraten Experten aus Wissenschaft und Praxis, wie sich die teilweise über Jahrzehnte gewachsenen Clan-Strukturen aufbrechen lassen und dem kriminellen Vorgehen wirksam ein Riegel vorzuschieben ist.

In den vergangenen Monaten war der Einsatz gegen Clan-Kriminalität bereits mit mehreren Großrazzien verstärkt worden. Bundesweit sollen arabischstämmige Clans viele tausend kriminelle Mitglieder haben. Als Hotspots gelten das Ruhrgebiet vor allem mit Essen, aber auch Berlin und Bremen. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) hat zu der Tagung „360-Grad-Maßnahmen gegen die Clankriminalität“ rund 400 Teilnehmer eingeladen.

„Frontaler Angriff auf den Rechtsstaat“

Im Kampf gegen Clan-Kriminalität braucht Nordrhein-Westfalen nach Reuls Einschätzung einen langen Atem. Kriminelle Mitglieder abgeschotteter Familienclans verübten einen «frontalen Angriff auf den Rechtsstaat», warnte der CDU-Politiker bei der Expertenkonferenz in Essen. Viele Bürger seien verunsichert, Angst vor rechtsfreien Räumen gehe um.

Der Essener Polizeipräsident Frank Richter betonte, das Problem mit kriminellen Mitgliedern arabischstämmiger Clans sei auch «Folge einer gescheiterten Integrationspolitik». Sozialtransfers bildeten oft die finanziellen Grundlagen der Clans. «Der deutsche Staat und seine Werteordnung, seine Regeln werden verachtet», sagte Richter vor 560 Teilnehmern. Das Zurückdrängen der Clan-Kriminalität gehöre zu den größten sicherheitspolitischen Herausforderungen in NRW. Auch Prävention für einen Ausstieg aus dem Milieu sei wichtig.

Der Bekämpfung der Clan-Kriminalität sei lange keine Priorität eingeräumt worden, die schwarz-gelbe Landesregierung mache sie aber nun zu einem Schwerpunkt, sagte Reul. Razzien, wie es sie in den vergangenen Monaten verstärkt in NRW gab, seien ein «wirkungsvoller Baustein». Als Hotspot der Clan-Kriminalität in NRW gilt das Ruhrgebiet.

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Zuletzt ging die Polizei am 12. Januar mit einer Großrazzia im gesamten Ruhrgebiet gegen die Clans vor. Insgesamt 1300 Polizisten waren damals im Einsatz. Sie schrieben hundert Strafanzeigen und nahmen 14 Personen fest. Der Polizei gehe es bei diesen Aktionen auch um ein Signal, heißt es aus dem Innenministerium. Man wolle den sowohl den Clans als auch den Bürgern zeigen, dass die Polizei die kriminellen Strukturen im Blick habe.

Auch BKA hat Clans im Visier

Auch bundesweit nimmt man das Thema mehr ins Visier. Im nächsten Bundeslagebild zur Organisierten Kriminalität des Bundeskriminalamts werde es erstmals ein Kapitel geben mit dem Titel „Kriminelle Mitglieder von Großfamilien ethnisch abgeschotteter Subkulturen“, so eine BKA-Sprecherin.

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12.01.2019, Nordrhein-Westfalen, Bochum: Herbert Reul (CDU, r), Innenminister von Nordrhein-Westfalen, verfolgt, wie nach einer Razzia Beweismittel aus einer Shisha-Bar getragen werden. Foto: Bernd Thissen/dpa - ACHTUNG: Eine Person wurde aus rechtlichen Gründen gepixelt +++ dpa-Bildfunk +++
Von Von Annika Fischer und unseren Lokalredaktionen

In dem für den Sommer erwarteten Bericht informiert das BKA jährlich über die aktuelle Kriminalitätslage in der Bundesrepublik. Nach Angaben des BKA geht von kriminellen Clans mit ausländischen Wurzeln eine Bedrohung aus. „Die Kriminalität von Angehörigen türkisch- und arabischstämmiger Großfamilien zeichnet sich durch eine grundsätzlich ethnisch abgeschottete Familienstruktur aus, die unter Missachtung der vorherrschenden staatlichen Strukturen, deren Werteverständnis und Rechtsordnung eine eigene, streng hierarchische, delinquente Subkultur bildet“, sagte die Sprecherin. In den bisherigen Lagebildern habe man das Thema nur gestreift.

Organisierte Kriminalität verursacht Millionenschaden

Die Organisierte Kriminalität verursachte den Angaben zufolge 2017 in Deutschland einen Schaden von rund 209 Millionen Euro.

Für das Lagebild zur Organisierten Kriminalität arbeiteten die Polizeien der Länder und das BKA an Kriterien zur Zuordnung von Clanmitgliedern, sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums. „Damit soll der Bereich der Clankriminalität weiter aufgeklärt werden.“ (dpa/red)