Essen. Die Werbung klingt verlockend. Alten Diesel abgeben, Umtauschprämie kassieren, neues Auto mitnehmen. Unser Test zeigt, wie es wirklich läuft.
Die Angebote klingen erstmal verlockend. Die meisten Autohersteller wollen Diesel-Fahrer offenbar verführen, sich von ihrer ‚Dreckschleuder‘ zu trennen und möglichst einen Neuen zuzulegen: „Gut für die Umwelt. Und ihr Konto.“ Oder: „Die große Umwelt-Offensive [...] Nachhaltig sparen und dabei einen Beitrag zur Verbesserung der Luftqualität leisten.“ Umtauschprämien hier, Rabatte da.
Aber ist es überhaupt so einfach, seinen Diesel bei einem Händler loszuwerden? Die WAZ macht den Selbsttest im Ruhrgebiet. Mit einem sechs Jahre alten Fiat Punto Diesel, Abgasnorm 5, 80.000 Kilometer gelaufen.
„Ein Verkäufer steht Ihnen gleich zur Verfügung“
Ein großes Volkswagen-Zentrum in Essen. Kunden schauen sich die 25 Neuwagen im Verkaufsgebäude an und diskutieren über die Preise. Mechaniker durchqueren die Halle in ihren verschmutzten blauen Overalls und grüßen die Interessenten. Auf die Frage, ob wir uns mit jemandem über ein mögliches Geschäft unterhalten könnten, werden wir damit vertröstet, uns doch erstmal die Autos anzuschauen. „Ein Verkäufer steht Ihnen bestimmt gleich zur Verfügung“, sagt eine Dame an der Information. Eine halbe Stunde planloses Umherlaufen später ist immer noch kein Ansprechpartner verfügbar.
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Vielleicht geht es bei einem kleineren Opel-Händler einige Kilometer weiter schneller? „Der zuständige Kollege ist gerade noch in einem Gespräch. Nehmen Sie doch so lange schon einmal Platz.“ Nun gut. Während wir im Wartebereich Platz nehmen, entkalkt ein Mitarbeiter eine Kaffeemaschine und säubert Tassen. Für uns scheint er sich nicht zuständig zu fühlen. Ein Werbeschild bittet um eine gute Benotung auf Serviceportalen, „wenn der Service Ihnen gefallen hat“. Service, den wir an diesem Tag auch nach rund 40 Minuten nicht erhalten.
„Dann würde ich anbieten, einen Diesel zu kaufen“
Wir fahren nach Gelsenkirchen. Um kurz vor Zwölf staut sich schon der
Verkehr auf den Straßen. Wie viele von den hupenden Autos wohl noch mit einem Diesel-Motor unterwegs sind, fragen wir uns.
Das Navigationssystem führt uns zu einem Renault-Autohaus. Eine gut gelaunte Beraterin steht bereit. Sie bietet für unser Gefährt eine Inzahlungnahme an. Als möglichen Neuwagen stellt sie einen roten Renault Clio in der Limited-Edition vor. Man dürfe sich das Auto auch von innen anschauen und alles ausprobieren.
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„Er kostet 18.000 Euro. Bei uns gäbe es für Sie eine Prämie um die 3000 Euro.“ Klingt fair. Bei der Erwähnung, dass im Jahr rund 30.000 Kilometer damit gefahren werden sollen, wird sie stutzig, hebt eine Augenbraue und sagt etwas kleinlaut: „Na wenn Sie so viel fahren, dann würde ich Ihnen eher anbieten, wieder einen Diesel zu kaufen.“ Diesel gegen Diesel? Das war nicht der Plan.
„Wir machen bei Prämien-Angeboten nicht mit“
Weiter nach Herne. Wir fahren einen Nissan-Händler an. Draußen gönnt sich ein Kfz-Mechaniker eine Zigaretten-Pause und spielt auf seinem Smartphone herum. Ein Kollege im letzten Büro der Halle sei für uns zuständig. Ein Herr, der vier silberne Ringe trägt und den Anschein macht, als kenne er alle Facetten des Autohandels. „Wir machen bei Prämien-Angeboten nicht mit“, stellt er umgehend klar. Obwohl Nissan mit diesem Handel als Partner auf seiner Webseite wirbt.
Ob er uns aber einen Preis für unseren fahrbaren Untersatz nennen
könne? „Wenn Ihnen andere Hersteller Angebote machen, dann sind das meist nur schön verpackte Margen“, gibt er unumwunden zu, während er mit den Fingern auf dem Tisch herumtrommelt.
„Bevor die Bundesregierung nichts festgeschrieben hat, können Sie sich auf nichts verlassen.“ Prämien jagen bringe nichts. Vielmehr müsse uns vorher klar sein, was für ein Auto wir haben wollen. Dann käme man mit ihm ins Gespräch. Wobei: „Bescheißen tun wir alle. Wir verdienen schließlich unser Geld damit“, sagt er daraufhin mit einem breiten Grinsen. Dann lieber doch nicht. Lektion gelernt.
„Ich kann leider nicht viel für Sie machen“
In Wattenscheid ein erneuter Versuch bei einem VW-Autohaus. Der Verkaufsraum ist dunkel und leer, nur ein paar Karosserien stehen im Raum. Ins Auge sticht ein grauer Porsche Carrera. Er bleibt ein Traumwagen. Wir entscheiden uns lieber für die Billig-Variante von VW – den Up. Beim Wort „Dieselprämie“ zuckt der Verkäufer zusammen. Er sei bis gestern im Urlaub gewesen und habe sich kaum ins Thema einarbeiten können. In den Tiefen seines E-Mail-Postfachs sucht er nach einer Lösung.
Augenblicke später die Ernüchterung: „Ich kann leider nicht viel für Sie machen. Denn für Euro-5-Fahrzeuge gibt es nur eine Inzahlungnahme, aber keine Verschrottungsprämie.“ Heißt in Zahlen: Für den alten Diesel gäbe es nur 500 Euro als Wechselprämie. Der Rat des VW-Profis: „Wenn Sie unbedingt einen neuen Wagen haben wollen, dann verkaufen Sie ihn privat, da bekommen Sie mehr.“ Ehrlich, aber enttäuschend.
„Ihren Wagen lassen wir verschrotten“
Ein letzter Versuch in Essen bei einem Ford- und Kia-Autohandel. Ein Kaufmann – Mitte 50 – kommt sofort auf den Punkt: „Ihren Wagen lassen wir verschrotten. Dafür erhalten sie die bei uns festgelegte Umweltprämie.“ Und keinen Cent extra. Er bietet im Tausch einen neuen Ford Fiesta: „Den können Sie noch heute vom Hof fahren. Ihre Prämie beläuft sich dann auf 3000 Euro.“ Einzige Voraussetzung: Unser Diesel müsse seit sechs Monaten auf uns zugelassen sein. Es kann tatsächlich so einfach sein.