Bottrop. . „Moses“ eröffnet in Bottrop ein neues Kaufhaus. Es füllt den Leerstand im früheren Karstadt-Gebäude. Die Stadt ist glücklich.
Vorn reden noch die geladenen Gäste, hinten machen Menschen lange Hälse: Im Eingang des soeben eröffneten Kaufhauses „Moses“ in Bottrop steht gerade ein kleiner Stau.
„Bottrop hat ein Kaufhaus gefehlt“, sagt Christina Retschke; ihr persönlich fehlt gerade ein Rührgerät. Einer älteren Dame fällt ein: „Ich war erst vor ein paar Tagen hier und hab’ gedacht, das wird nichts. So eine Baustelle.“ In dem Moment geht irgendwo im Hintergrund ein Staubsauger an. Passt!
„Was Ware angeht, das haben wir im Griff“
Am Donnerstagmorgen hat erstmals seit über neun Jahren wieder ein Kaufhaus im Ruhrgebiet eröffnet – und, um das jetzt abzuschließen, es ist im Großen und Ganzen keine Baustelle mehr. Nicht jede Schaufensterpuppe ist angezogen, nicht jedes Licht brennt – geschenkt. „Was Ware angeht, das, was Moses macht, das haben wir im Griff“, sagt der Hausleiter und Kaufhaus-Veteran Henry Bühler, vormals Horten.
„Moses“ ist eine Kette aus Rheinland-Pfalz, zählt zwölf Häuser in deutschen Klein- und Mittelstädten und hat in Bottrop mutig einen Großteil des Gebäudes übernommen, das Karstadt 2016 verließ. Und so ist der gefürchtete, leere Klotz am Bein der Stadt vergleichsweise schnell wieder gefüllt.
„Wir glauben, dass die Menschen Kaufhäuser lieben“
„Wir glauben, dass die Menschen Kaufhäuser lieben. Man schlendert, man guckt, man fühlt keinen Druck, etwas kaufen zu müssen, und wenn man etwas findet, ist das schön“, sagt Martina Wittenberg. Der gebürtigen Düsseldorferin und ihrem aus Bochum stammenden Mann Norbert Wittenberg gehört Moses. „Bottrop ist groß für uns“, sagt sie: „Und eine angenehme Stadt.“
Die Sonne scheint, die angebundenen Luftballons tanzen im Wind, und ein prickelndes Gefühl von Anfang und Aufbruch zieht über vier Etagen, was aber nicht allein an der Sektbar liegt. Nach und nach füllt sich das Haus mit Menschen, die manchmal drastische Worte finden über die kaufhauslose Zeit: „Bottrop war die Todeszone, außer Billigläden nichts anderes. Für mich persönlich ist das ein Gänsehautgefühl, dass das hier wieder auf ist.“
Satzfetzen fliegen umher
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Suchenden Blickes, vorsichtigen Schrittes, gucken und schlendern sie, fassen und probieren an, sie finden eventuell und kaufen, tüten ein und nehmen mit. Dazwischen die Wittenbergs und Henry Bühler, „Guten Tag, herzlich willkommen“ nach links und rechts und immer wieder. Kleidung verkaufen sie hier, Wäsche, Dessous, Schmuck, Uhren, Lederwaren, Koffer, Heimtextilien, Haushaltsgeräte. Apropos: Da hinten geht Frau Retschke. Sie hat ihr Rührgerät.
Satzfetzen fliegen umher: „Wertig.“ „Sehr gut.“ „Schön, schön.“ „Mal ne Runde drehen.“ Und eine Karstadt-Mitarbeiterin aus einer anderen Stadt urteilt sachlich-fachlich: „Tolle Marken, viel Personal, mehr als woanders. Was mich gefreut hat, ich habe das eine oder andere Gesicht aus dem alten Karstadt-Haus gesehen.“
Bottrop fühlt sich beschenkt
„Für Bottrop ist das ein großer Tag. Und aus der Sicht des Ruhrgebiets wird hier ein Zeichen gesetzt“, sagt Bernd Tischler, der sozialdemokratische Oberbürgermeister. Denn in der Karstadt-Kaufhof-Welt da draußen geht es ansonsten um Fusion, um Schließungen und um Entlassungen.
Tischler, der den Wittenbergs herzliche Worte und einen kleinen Eröffnungsblumentopf mitgebracht hat, wendet sich jetzt an die im Halbkreis stehende, weitestgehend weibliche und etwa 150-köpige Belegschaft und sagt zu ihr: „Sie alle hätten ein derartiges Präsent verdient. Ich konnte so viel nicht tragen. Fühlen Sie sich beschenkt!“ Bottrop tut es ja auch.