Solingen. . Die Aktion Plagiarius hat die dreistesten Produkfälschungen des vergangenen Jahres gekürt. In Solingen sind sie zu sehen.

„Originale“, sagt Christine Lacroix, „liegen immer links.“ Sie muss das sagen, weil es in diesem Museum in Solingen auch viele Fälschungen gibt, ja weil es ohne Fälschungen gar nicht existieren könnte. Deshalb heißt es auch Plagiarius, genau wie der schwarze Zwerg mit goldener Nase – ein symbolischer Negativpreis, den der finanzierende Verein jedes Jahr für besonders dreiste Kopien vergibt. Jetzt war es wieder so weit.

Da stehen zwei Rutschautos und ähneln sich auf den ersten Blick wie ein Ei dem anderen. Nur wenn man genau hinsieht, fällt einem das unterschiedliche Design der Felgen auf. Und das auf den optisch nahezu identischen Aufklebern beim linken „Puky“, beim rechten aber „Qidong“ steht. Aber so genau sehen viele nicht hin, wenn sie den Preis hören. Während der rote Flitzer aus deutscher Produktion knapp 70 Euro kostet, ist der China-Import schon für einen Zehner zu haben. „Da denken die Leute doch, wir bei Puky verdienen uns dumm und dämlich“, ärgert sich Joachim Rao, Leiter des Puky-Produktmanagements. Was sie natürlich nicht tun, denn: „Wir liefern ja eine ganz andere Qualität.“

So dreist das Rutschauto auch abgekupfert wurde, es hat in diesem Jahr nur für Platz drei gereicht. Nach schlimmer fand die Jury die Kopie eines großen aufblasbaren Wasserparks. Was als Original stolze 180000 Euro kostet, gibt es als minimal veränderte Kopie schon für ein Drittel. Selbst das Werbevideo ist kaum zu unterscheiden – sieht man mal davon ab, dass im Plagia europäisch aussehende Menschen gegen Asiaten ausgetauscht wurden. Reicht alles zusammen für den zweiten Rang.

Unangefochtener Spitzenreiter ist in diesem Jahr allerdings keine Plagiat, sondern eine echte Fälschung. „Nicer Dicer Plus“, heißt das Küchenschneidegerät, das schnippelt, schneidet, hobelt und raspelt, was so anfällt bei der Essenzubereitung. Allerdings nur, wenn man das Original besitzt. Bei der völlig identisch aussehenden Fälschung aus China hat man es nicht nur mit schadstoffbelastetem Plastik zu tun, sondern auch mit stumpfen Klingen, die gerne mal nach kurzer Zeit abbrechen. „Das fällt dann auf die Originalfirma zurück“, weiß Plagiarius-Sprecherin Lacroix, Und zur Gefahr für den Kunden kommt der Imageschaden.

Natürlich sind die Plagiarus-Preisträger nur die Spitze des Eisbergs. Nachgemacht wird alles von Mode über Haushaltswaren, von Autofelgen über Medikamente. Und immer noch kommen die meisten Fakes aus dem Fernen Osten. Dort würden Produkt- und Markenfälscher mittlerweile zwar auch von den Behörden verfolgt, weiß Lacroix. In den Weiten des Internets allerdings gebe es aber immer noch viele Möglichkeiten, gefälschte Ware auf den Markt zu bringen.

Über das Internet laufen die Geschäfte der Fälscher gut

Die Geschäfte laufen dann auch gut. Nach Angaben des Aktionskreis gegen Produkt- und Markenpiraterie (APM) erreicht das weltweite Handelsvolumen mit Fälschungen mittlerweile einen Wert von fast 440 Milliarden Euro. „Es gibt so viele Fakes wie noch nie, vor allem in Europa“, steht in einer Untersuchung der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) aus dem Jahr 2016.

Da sind vor allem deutsche Firmen für jede Unterstützung dankbar. Eine Auszeichnung mit dem „Plagiarius“ bedeute allerdings nicht zwingend, dass das nachgemachte Produkt juristisch nicht erlaubt sei, stellt Lacroix klar.„Grundsätzlich kann die Aktion Plagiarius kein Recht sprechen.Sie darf aber auf Unrecht aufmerksam machen.“ Manchmal reicht das ja schon. Zehn bis 15 Prozent der Fälscher und Plagiatoren würden die nachgemachten Produkte aus Angst vor einer Blamage vom Markt nehmen, oft auch Unterlassungserklärungen unterzeichnen, wenn sie ins Visier von Plagiarius gerieten, erzählt die Sprecherin. „Die nennen wir dann im Gegenzug auch nicht mehr in der Öffentlichkeit.“

Die anderen kommen mit vollem Namen in die Ausstellung des Museums. Und sie kriegen ein Schreiben zugeschickt. Als billige Kopie, versteht sich. In einer Firma, hat Lacroix gehört, schmückt der Brief trotzdem den Eingangsbereich. Die keiner Fremsprache mächtige Geschäftsleitung, heíßt es, glaube bis heute, sie hätte einen wichtigen Wettbewerb gewonnen.