Ruhrgebiet. . Weil das Personal fehlt, bleiben die Polizeiwachen auf kleineren Bahnhöfen immer häufiger geschlossen. Viele Fahrgäste sind deshalb verunsichert.

Hauptbahnhof Gelsenkirchen am Abend. Draußen beginnt es zu dämmern, drinnen wird es ruhiger, die meisten Pendler sind zu Hause. Bettina Weber (Name geändert) aber hat mal wieder „die späte Schicht“ gehabt in dem Kaufhaus, in dem sie arbeitet. Nun steht sie am Bahnsteig, wartet auf den Zug nach Bochum und schaut immer wieder aufmerksam nach rechts und links. „Ich bin nicht ängstlich“, behauptet die 48-Jährige, „aber seitdem es wieder früher dunkel wird, ist mir mulmig zumute hier am Bahnhof. Auch weil ich das Gefühl habe, dass immer weniger Polizei da ist.“

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Damit ist sie nicht alleine. Werner Gerold (74) ist immer noch aufgebracht. Neulich erst ist er am Dortmunder Hauptbahnhof von drei Jugendlichen angepöbelt worden. „Am helllichten Tag. Aber weit und breit war kein Beamter zu sehen“ – wahrscheinlich, weil keiner oder kaum einer da war. Das kommt häufiger vor, als die Behörden offiziell zugeben.

Anke Hofmeister, Sprecherin der zuständigen Bundespolizeidirektion St. Augustin, bestätigt zwar, dass bei der Bundespolizei in Dortmund derzeit 50 von 320 Stellen unbesetzt sind, versichert aber dennoch: „Die bundespolizeiliche Präsenz ist an den Großbahnhöfen Dortmund und Essen zu 100 Prozent gewährleistet.“ Wobei man sich von den 100 Prozent nicht täuschen lassen darf. „Das sagt nichts darüber aus, wie viele Polizisten tatsächlich im Einsatz waren“, sagt ein Beamter der Bundespolizeiinspektion Dortmund, der ungenannt bleiben möchte.

Altersdurchschnitt und Krankenstand sind hoch

Vor allem zu den Nebenzeiten wird es offenbar eng. Am Wochenende 19./20. August 2017 waren nach Informationen dieser Zeitung auf beiden Wachen insgesamt nur elf statt 33 Bundespolizisten im Dienst, am ersten Wochenende im September sogar nur acht. Und die hätten – weil Wachen an kleineren Bahnhöfen immer öfter unbesetzt sind – im Notfall auch in Recklinghausen, Gelsenkirchen und Bochum eingreifen müssen. „Geht nicht“, sind sich die Beamten einig.

„Wird die Mindestanzahl eingesetzter Polizeibeamter an besonderen Orten nicht erreicht, werden grundsätzlich aus anderen Bereichen verfügbare Kräfte an diese Orte gebracht“, antwortet Anke Hofmeister darauf, Sprecherin der Bundespolizeidirektion. „Natürlich helfen uns auch die Kollegen aus den Städten, wenn Not am Mann ist“, sagt ein Bundespolizist. „Aber die haben eigentlich selber genug zu tun.“

„Das personelle Niveau ist erschreckend niedrig“, bestätigt Hermann Jütten, stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft für den Bereich Bundespolizei im Bezirksverband NRW. Und er weiß auch, warum. Nach wie vor müssten die hiesigen Kräfte Lücken stopfen, die sich anderswo auftäten: an der Grenze in Bayern, „wo gar nichts passiert“, in der Hauptreisezeit auch an den großen Flughäfen.

Das macht den Dienst an den Bahnhöfen nicht einfacher, zumal das Durchschnittsalter der Beamten derzeit 47 Jahre beträgt. Normal wäre 40. „Die Kollegen sind einfach platt“, weiß Jütten und verweist auf den hohen Krankenstand von 13 bis 14 Prozent. Im Schnitt, räumt die Bundespolizeiinspektion St. Augustin ein, falle ein Bundespolizist 32 Tage pro Jahr aus. Die, die im Dienst sind, sagt Jütten, „sind froh, wenn sie am Ende einer Schicht gesund nach Hause kommen“. „Es nur noch eine Frage der Zeit, bis der erste Kollege lebensgefährlich verletzt wird“, fürchtet Jürgen Lipke, Vorsitzender der GdP-Kreisgruppe Westfalen/Ruhr. Denn der Personalmangel macht die Einsätze gefährlicher. „Sie verschaffen sich einen ganz anderen Respekt, wenn Sie mit sechs statt mit zwei Beamten kommen.“ Mit abnehmender Polizeipräsenz schwinde der Respekt.

Hilft nichts. Die „personelle Gesamtsituation“, sagt die Direktion St. Augustin, werde sich erst ab 2019 nach und nach verbessern, wenn die mittlerweile eingestellten neuen Polizisten ihre Ausbildung abgeschlossen hätten. Jütten weiß das natürlich. „Deshalb fordern wir, dass bis dahin Polizeiassistenten eingestellt werden, die Bürotätigkeiten übernehmen. Dadurch würden Kräfte für den Streifendienst frei.“ Sollte das nicht passieren, malt der Gewerkschaftler ein düsteres Bild. „Mit so wenig Leuten für Sicherheit zu sorgen, ist etwa so, als müsse man einen Großbrand mit der Gießkanne löschen.“